Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_1227/2016
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Urteil vom 16. Mai 2017
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber Matt.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Edelmann,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Fahren mit Motorfahrzeug trotz aberkanntem Führerausweis,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, vom 19. September 2016.
Sachverhalt:
A.
Der seit 2004 in der Schweiz wohnhafte X.________, dessen Führerausweis 1995 in Deutschland wegen charakterlicher Nichteignung auf unbestimmte Zeit entzogen worden war, ersuchte im Herbst 2009 um Austausch seines deutschen Führerausweises, ohne diesen beizulegen. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern (nachfolgend Strassenverkehrsamt) hiess das Gesuch nach Durchführung einer Eignungsprüfung sowie einer vertrauensärztlichen Untersuchung am 16. September 2010 gut, verfügte aber aufgrund der langjährigen Abwesenheit vom Strassenverkehr vorab die Absolvierung einer neuen Führerprüfung. Im Frühjahr 2012 ersuchte X.________ um Anerkennung eines Ausweises, den er im Januar 2011 in Deutschland ohne Prüfung erworben hatte. Dies verweigerte das Strassenverkehrsamt am 6. Juli 2012 unter Verweis auf die Verfügung vom 16. September 2010. Zudem aberkannte es ihm das Recht, von seinem in Deutschland erlangten Führerausweis in der Schweiz Gebrauch zu machen. Die Verfügungen des Strassenverkehrsamts erwuchsen in Rechtskraft.
B.
Aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 11. Februar 2014 in Heimberg BE, in welchen X.________ als Fahrer eines in Deutschland immatrikulierten PKW verwickelt war, sprach ihn das Regionalgericht Oberland am 29. Mai 2015 der Widerhandlung gegen das SVG, begangen durch Führen eines Personenwagens trotz aberkanntem Führerausweis nach Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG, schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 80.--. Eine im Januar 2013 bedingt ausgesprochene Geldstrafe widerrief das Regionalgericht; hinsichtlich einer bedingten Geldstrafe vom Mai 2013 verzichtete es auf den Widerruf, verlängerte aber die Probezeit.
Auf Berufung von X.________ reduzierte das Obergericht des Kantons Bern die Geldstrafe am 19. September 2016 auf 40 Tagessätze. Im Übrigen bestätigte es das Urteil des Regionalgerichts.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei am 11. Februar 2014 mit einem gültigen, 2011 in Deutschland erworbenen Führerausweis unterwegs gewesen. Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG sei nicht erfüllt.
1.1. Nach Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer ein Motorfahrzeug führt, obwohl ihm der Lernfahr- oder Führerausweis verweigert, entzogen oder aberkannt wurde. Die Bestimmung sanktioniert das Fahren mangels persönlicher Fahrberechtigung infolge ungenügender Fahrkompetenz oder Fahreignung (ADRIAN BUSSMANN, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 7 zu Art. 95 SVG).
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf die Begründungspflicht der beschwerdeführenden Partei ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 137 III 580 E. 1.3 S. 584; 135 III 397 E. 1.4 S. 400; je mit Hinweisen). Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls darauf nicht eingetreten wird (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; Urteil 6B_154/2016 vom 15. Juni 2016 E. 1.1).
1.2.
1.2.1. Der Beschwerdeführer macht zunächst unter Verweis auf Art. 45 Abs. 1 zweiter Satz der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51) geltend, das Strassenverkehrsamt habe die Aberkennung seines deutschen Führerausweises (zu Recht) einzig damit begründet, dass er diesen wegen seines damaligen Wohnsitzes in der Schweiz in Umgehung der hiesigen Zuständigkeit erlangt habe. Da es hingegen seine Fahreignung ausdrücklich anerkannt und ihm keine Verkehrsregelverletzung vorgeworfen habe, liege ein Entzugsgrund nach Art. 45 Abs. 1 erster Satz VZV in Verbindung mit Art. 16 ff. SVG nicht vor. Solches behaupte die Vorinstanz auch nicht. Die Aberkennung seines deutschen Führerausweises sei daher gemäss Art. 45 Abs. 6 lit. a VZV infolge Verlegung des Wohnsitz nach Deutschland im Frühjahr 2013 nach drei Monaten erloschen. Mangels Wohnsitz in der Schweiz und Zuständigkeit der hiesigen Behörden habe er die vom Strassenverkehrsamt verlangte Führerprüfung im Übrigen gar nicht mehr absolvieren können.
1.2.2. Der Einwand des Beschwerdeführers ist unbegründet. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, ergibt sich aus der Verfügung vom 6. Juli 2012 betreffend Aberkennung des Rechts, vom 2011 in Deutschland erworbenen Führerausweis in der Schweiz Gebrauch zu machen, klar, dass das Strassenverkehrsamt die Aberkennung einzig mit der fehlenden Fahrkompetenz des Beschwerdeführers mangels Führerprüfung begründet (vorinstanzliche Akten, act. 155). Dies folgt bereits aus den herangezogenen Rechtsnormen, insbesondere dem Art. 14 Abs. 3 SVG, welcher für die Ausweiserteilung die Fahrkompetenz voraussetzt. Darüber verfügt, wer die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge der Kategorie, für die der Ausweis gilt, sicher führen kann (Art. 14 Abs. 3 lit. a und lit. b SVG).
Dass die fehlende Führerprüfung den Grund für die Aberkennung des Ausweises darstellt, ergibt sich ebenso aus der Begründung der Verfügung vom 6. Juli 2012: Das Strassenverkehrsamt verweist ausdrücklich auf die Verfügung vom 16. September 2010, womit dem Beschwerdeführer der Austausch seines ausländischen Ausweises unter Vorbehalt der Ablegung einer neuen Führerprüfung bewilligt worden war (act. 176). Es führt aus, aufgrund der langjährigen Fahrabstinenz seit dem Ausweisentzug von 1995 bestünden ernsthafte Bedenken daran, ob seine theoretischen Kenntnisse sowie das praktische Fahrkönnen den heutigen Anforderungen im Strassenverkehr noch genügen würden. Daher werde an der am 16. September 2010 angeordneten neuen vollständigen Führerprüfung festgehalten und die Abgabe eines schweizerischen Führerausweises ohne Prüfung verweigert sowie dem Beschwerdeführer das Recht aberkannt, vom ausländischen Ausweis in der Schweiz Gebrauch zu machen. Entgegen seiner Darstellung begründet das Strassenverkehrsamt die Aberkennung des Führerausweises mit keinem Wort damit, dass er diesen in Umgehung der hiesigen Zuständigkeitsbestimmungen erworben hätte. Es verweist auch nirgends explizit auf Art. 45 Abs. 1 zweiter Satz VZV, sondern allgemein auf Abs. 1. Gegenteiliges lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass das Amt die Aberkennung zeitlich nicht befristet hat. Die Vorinstanz erwägt daher zu Recht, dass Art. 45 Abs. 6 lit. a VZV nicht einschlägig ist. Dieser sieht vor, dass Aberkennungen, die wegen Umgehung der schweizerischen oder ausländischen Zuständigkeitsbestimmungen verfügt wurden, erlöschen, wenn der Inhaber nachweist, dass er seither während mindestens drei Monaten Wohnsitz im Staat begründet hat, der den aberkannten Ausweis ausgestellt hat. Die am 6. Juli 2012 verfügte Aberkennung des Rechts, von seinem 2011 in Deutschland erworbenen Ausweis in der Schweiz Gebrauch zu machen, ist daher durch den Wohnsitzwechsel nach Deutschland im Frühjahr 2013 nicht erloschen. Es kann offen bleiben, ob die Aberkennung bei gegebenen Voraussetzungen ohne weiteres erloschen wäre, oder ob der Beschwerdeführer hierzu ein Gesuch um Neubeurteilung der Verfügung hätte stellen bzw. dem Amt seinen Wohnsitzwechsel nach Deutschland hätte mitteilen müssen.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers setzt ein Ausweisentzug - welcher nach Art. 45 Abs. 1 VZV auch die Aberkennung eines ausländischen Ausweises gestattet - auch nicht notwendigerweise eine Verkehrsregelverletzung voraus. Gemäss Art. 16 Abs. 1 SVG ist der Ausweis unter anderem zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen. Darunter fällt auch die Fahrkompetenz nach Art. 14 Abs. 1 und 3 SVG (Urteil 1C_242/2013 vom 17. Mai 2013 E. 3.3). Diese stellt, ebenso wie die Fahreignung, eine allgemeine Bewilligungsvoraussetzung dar. Ist sie (oder die Fahreignung) zu verneinen, fehlt es an einer Bewilligungsvoraussetzung für den Führer- oder Lernausweis. Bei Personen, die bereits über einen Ausweis verfügen, hat das Fehlen von Fahrkompetenz oder Fahreignung den Entzug des Ausweises zur Folge (JÜRG BICKEL, Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 7, 57 ff. zu Art. 14 SVG). Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Trennung zwischen Fahrkompetenz und Fahreignung ist im Übrigen unzutreffend. Die Fahrkompetenz stellt vielmehr einen Teil der Fahreignung dar, sie gehört zur Fahreignung im weiteren Sinn. Bei eingeschränkter Fahrkompetenz kann daher die Fahreignung entfallen oder beeinträchtigt sein (PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, 2. Aufl. 2015, N. 4, 8, 11 zu Art. 14 SVG; zur bis 31. Dezember 2012 gültig gewesenen Fassung von Art. 14 Abs. 3 SVG vgl. Urteil 1C_464/2007 vom 22. Mai 2008 E. 3.3 mit Hinweisen). Da der Beschwerdeführer zufolge der rechtskräftigen Verfügung vom 6. Juli 2012 unbestrittenermassen nicht über die erforderliche Fahrkompetenz verfügt, besteht eine Voraussetzung für die Ausweiserteilung nicht mehr, was auch die Aberkennung rechtfertigen würde. Daran ändert nichts, dass seine Fahreignung in der Verfügung vom 16. September 2010 ausdrücklich anerkannt worden war, zumal auch diese bereits unter dem Vorbehalt der Wiederholung sämtlicher notwendiger Prüfungen stand.
1.3.
1.3.1. Der Beschwerdeführer begründet die Gültigkeit seines Führerausweises sodann damit, dass ihm dieser gestützt auf Art. 42 Ziff. 3 des Übereinkommens über den Strassenverkehr vom 8. November 1968 (SR 0.741.10) nur wegen fehlender Fahreignung hätte aberkannt werden dürfen. Seine Fahreignung habe das Strassenverkehrsamt aber explizit anerkannt.
1.3.2. Mit seiner Argumentation bestreitet der Beschwerdeführer die Rechtmässigkeit der rechtskräftigen Verfügung des Strassenverkehrsamts vom 6. Juli 2012. Damit ist er hier nicht zu hören. Die diesbezüglichen Einwände hätte er vielmehr in jenem Verfahren erheben müssen. Im Übrigen weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass die Argumentation widersprüchlich ist. Der Beschwerdeführer anerkennt ausdrücklich die Rechtmässigkeit der Verfügung im Erlasszeitpunkt, stellt diese aber mit seinem Einwand sogleich wieder in Frage. Der Vorinstanz ist auch zuzustimmen, dass der von ihm angerufene Art. 42 des Übereinkommens nicht einschlägig ist. Gemäss dessen Ziff. 1 erster Satz können die Vertragsparteien einem Führer, der in ihrem Hoheitsgebiet eine Zuwiderhandlung begeht, die nach ihren Rechtsvorschriften den Entzug des Führerscheins zur Folge haben kann, das Recht aberkennen, in ihrem Hoheitsgebiet seinen nationalen oder internationalen Führerschein zu verwenden. Art. 42 des Übereinkommens setzt für die Aberkennung eines ausländischen Führerausweises mithin eine Zuwiderhandlung gegen Strassenverkehrsvorschriften in der Schweiz voraus. Solches wurde dem Beschwerdeführer in der Verfügung des Strassenverkehrsamts (auch) nach eigener Darstellung aber gerade nicht vorgeworfen. Es kann daher offen bleiben, ob mit dem in Art. 42 Ziff. 3 des Übereinkommens genannten "Zustand", welcher es dem Fahrer nicht erlaubt, ein Fahrzeug sicher zu führen, nur das Fehlen der generellen Fahreignung gemeint ist, wie der Beschwerdeführer behauptet, oder ob dieser "Zustand" auch die fehlende Fahrkompetenz voraussetzt. Art. 14 Abs. 1 SVG spricht aber für Letzteres (vgl. oben E. 1.2.2). Ebenfalls offen bleiben kann, ob der "Zustand" angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer über einen deutschen Ausweis verfügte, offensichtlich oder erwiesenermassen vorlag, wie dies Art. 42 Ziff. 3 des Übereinkommens für die Hinderung des ausländischen Führerscheininhabers an der Fahrt voraussetzt. Schliesslich leuchtet nicht ein, was der Beschwerdeführer aus Art. 41 Ziff. 6 des Übereinkommens für sich ableiten will. Die Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien gerade nicht, einen Führerausweis, welcher nicht im Wohnsitzstaat ausgestellt wurde, anzuerkennen.
1.4. Nach dem Gesagten verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie erwägt, der Beschwerdeführer habe infolge der Aberkennungsverfügung vom 6. Juli 2012 am 11. Februar 2014 über keinen gültigen Führerausweis verfügt. Dass er trotz rechtmässig aberkanntem Führerausweis ein Fahrzeug geführt hat, ist unbestritten. Gleiches gilt für den subjektiven Tatbestand. Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG ist erfüllt. Der angefochtene Entscheid ist rechtens.
2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Mai 2017
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Matt