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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_317/2011 
 
Urteil vom 16. September 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Koch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Fürsprecher Peter Stein, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Körperverletzung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 1. Februar 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 8. Januar 2008 kurz nach 18 Uhr ereignete sich auf der Verzweigung Thurgauerstrasse-Binzmühlestrasse in Zürich ein Verkehrsunfall. X.________ fuhr mit seinem Personenwagen bei Gelb über das Lichtsignal. Er beabsichtigte, ein U-förmiges Wendemanöver zu vollziehen. Dabei kollidierte er mit dem Motorradfahrer A.________, welcher aus der Gegenrichtung herannahte, nachdem er Grün erhalten hatte. A.________ brach sich das rechte Handgelenk und quetschte sich den Unterschenkel. 
 
B. 
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 1. Februar 2011 im Berufungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 120.-- und einer Busse von Fr. 800.--, als Zusatzstrafe zum Strafbefehl des Bezirksstatthalteramtes Arlesheim vom 6. September 2010. 
 
C. 
Gegen dieses Urteil wendet sich X.________ mit Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vollumfänglich freizusprechen. Es sei ihm eine angemessene Entschädigung für die erlittene Strafuntersuchung und das -verfahren zuzusprechen. Die kantonalen Verfahrenskosten seien neu festzusetzen und auf die Staatskasse zu nehmen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er dürfe sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Er habe sich nicht sorgfaltswidrig verhalten. Auf der Kreuzung sei nebst dem Linksabbiegen ein Wendemanöver um 180 Grad, d.h. ein sogenannter "U-Turn", erlaubt. Es mache keinen Unterschied, ob er links abbiege oder wende. Das Lichtsignal regle das Vortrittsrecht für beide Richtungsänderungen. Es gehe den allgemeinen gesetzlichen Vortrittsregeln vor. Die Regelung in Art. 36 Abs. 4 SVG, welche dem wendenden Fahrzeuglenker generell den Vortritt abspreche, sei nicht anwendbar. Aufgrund der Ampel habe er sich darauf verlassen dürfen, vortrittsberechtigt zu sein. Er sei berechtigterweise davon ausgegangen, dass nach dem Wechsel auf Gelb genügend Zeit bleibe, um die Kreuzung ohne Gegenverkehr zu passieren. Schliesslich sei seine pflichtgemässe Aufmerksamkeit herabgesetzt gewesen, weil er auf das Signal vertraut und sich auf sein Wendemanöver konzentriert habe. 
 
1.2 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper verletzt, wird nach Art. 125 Abs. 1 StGB auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsicht nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). 
 
1.3 Gemäss Art. 36 Abs. 4 SVG darf der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt. Er vermeidet es, das Fahrzeug auf der Fahrbahn zu wenden. An unübersichtlichen Stellen und bei dichtem Verkehr ist das Wenden untersagt (Art. 17 Abs. 4 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962, VRV; SR 741.11). 
Nach der Grundregel von Art. 26 Abs. 1 SVG hat sich im Sinne einer allgemeinen Sorgfaltspflicht im Verkehr jedermann so zu verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. Jeder Strassenbenützer, der sich selbst verkehrsgemäss verhält, darf darauf vertrauen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer ebenfalls ordnungsgemäss verhalten, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen (BGE 129 IV 282 E. 2.2.1 S. 285 f. mit Hinweisen). Eine Pflicht zu erhöhter Sorgfalt gilt bei unklaren Verkehrssituationen oder ungewissen Lagen. Wegen der besonderen Gefahrenträchtigkeit solcher Situationen ist risikoarmes Verhalten gefordert (BGE 125 IV 83 E. 2b S. 87 f. mit Hinweisen). 
 
1.4 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden und kann deshalb die Beschwerde auch aus andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104 mit Hinweisen). 
 
1.5 Der Beschwerdeführer fuhr mit seinem Personenwagen auf einer Linksabbiegespur. Er sah nach den unangefochtenen vorinstanzlichen Feststellungen die Ampel auf Gelb springen, konnte aber nicht mehr rechtzeitig vor dem Lichtsignal halten (Art. 105 Abs. 1 BGG). Unter den gegebenen Umständen hätte er noch links abbiegen dürfen (Art. 68 Abs. 4 lit. a der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979, SSV; SR 741.21), war doch seine Fahrspur ausdrücklich für dieses Manöver vorgesehen. Anders verhält es sich hinsichtlich eines Wendemanövers. Dieses ist aufgrund der in der Kurve wirkenden Fliehkräfte sowie des engeren Kurvenradius nur mit reduzierter Geschwindigkeit möglich und dauert länger als ein Linksabbiegen. Im konkreten Fall betrug der Weg vom Haltebalken bis zum Abschluss des Wendemanövers rund 35 Meter. Dafür benötigte der Beschwerdeführer 5.7 bis 7.9 Sekunden bei seiner Geschwindigkeit von 15 bis 20 km/h. Gemäss dem Gutachten, auf welches sich die Vorinstanz stützt, dauerte es von der Gelbphase auf der Fahrspur des Beschwerdeführers bis zur Grünphase des Geschädigten sechs Sekunden. Infolge des wechselnden Lichtsignals musste der Beschwerdeführer mit baldigem Gegenverkehr rechnen. Ungeachtet der Frage des Vortritts war er verpflichtet, andere Strassenbenützer nicht zu behindern (Art. 36 Abs. 4 SVG). Das Wendemanöver, welches auf der Fahrspur nicht explizit signalisiert war, kann als aussergewöhnliche Richtungsänderung bei anderen Verkehrsteilnehmern zu Unklarheiten führen. Die Vorinstanz durfte das Verhalten des Beschwerdeführers bei der gegebenen Situation als sorgfaltswidrig bezeichnen. 
 
1.6 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers konnte er die Kreuzung nicht bloss mit reduzierter Aufmerksamkeit befahren. Denn er führte ein riskantes Manöver durch, welches grundsätzlich zu vermeiden ist (Art. 17 Abs. 4 VRV). Indem er den Geschädigten erst kurz vor der Kollision erblickte, obwohl er ihn schon am Lichtsignal hätte sehen können, war er zudem nicht genügend aufmerksam (Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV). 
 
1.7 Nicht einzutreten ist auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, soweit er den Sachverhalt, den die Vorinstanz festgestellt hat, ergänzt, ohne Willkür darzutun (Art. 106 Abs. 2 BGG). Er behauptet z.B., der Geschädigte sei mehrere Sekunden auf ihn "zugerast", obwohl er das Auto im Blickfeld gehabt habe. Der Beschwerdeführer legt indessen nicht dar, dass und wieweit das angefochtene Urteil auch im Ergebnis schlechterdings unhaltbar sein sollte. Ob den Geschädigten ebenfalls ein Verschulden am Unfall trifft, ist nicht entscheidend, da das Strafrecht keine Verschuldenskompensation kennt (vgl. Urteil 6S.301/2003 vom 4. November 2003 E. 4). Insgesamt erweist sich die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung als bundesrechtskonform. 
 
2. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 16. September 2011 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Koch