Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_280/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. Oktober 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Karlen, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Eusebio, Chaix, 
Gerichtsschreiber Misic. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Beschlagnahme, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 30. Mai 2017 
des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Strafbefehl vom 3. Februar 2017 erklärte die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt A.________ der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 1 BetmG) für schuldig. Dieser erhob am 7. Februar 2017 gegen den Strafbefehl Einsprache. Sein Antrag vom 8. Februar 2017 auf Herausgabe der zuvor anlässlich der Hausdurchsuchung vom 2. Februar 2017 beschlagnahmten Bargelder in Höhe von Fr. 1'930.-- und EUR 1'165.-- wurde sowohl von der Staatsanwaltschaft am 9. Februar 2017 als auch vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, am 30. Mai 2017 abgewiesen, da zur Klärung des Sachverhalts weitere Beweiserhebungen erforderlich seien. 
 
B.   
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt in der Hauptsache die Aufhebung des Entscheids des Appellationsgerichts; es sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, die Beschlagnahme unverzüglich aufzuheben und die Barmittel dem Beschwerdeführer herauszugeben. 
Das Appellationsgericht schliesst gestützt auf den angefochtenen Entscheid auf die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft beantragt, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat sich geäussert und hält vollumfänglich an seinen Begehren fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer strafrechtlichen Angelegenheit; dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Er schliesst weder das Strafverfahren ab noch wird damit endgültig über das Schicksal der betroffenen Vermögenswerte entschieden; es handelt sich um einen Zwischenentscheid im Sinn von Art. 93 Abs. 1 BGG. Gegen einen solchen ist die Beschwerde unter anderem zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4 S. 140 f.) bewirken kann (lit. a). Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts erleidet einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, wem, wie hier, die freie Verfügung über Vermögenswerte entzogen wird (BGE 128 I 129 E. 1 S. 130 f.; 126 I 97 E. 1b S. 100 f.). Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 BGG). Die nach Art. 98 BGG für vorsorgliche Massnahmen vorgeschriebene Beschränkung auf Verfassungsrügen ist auf strafprozessuale Zwangsmassnahmen und die Beschlagnahme von Vermögenswerten nicht anwendbar (BGE 140 IV 57 E. 2.2 S. 59 f.). Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.   
Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130). Inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen, ist in der Beschwerde klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 140 II 141 E. 8 S. 156). Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 7 BV), des Rechts auf Hilfe in Notlagen (Art. 12 BV) und der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) rügt, sind die Anforderungen an die Beschwerdebegründung nicht erfüllt. Die Behauptung, sämtliche Gelder des Beschwerdeführers seien beschlagnahmt worden, ohne ihm einen Notgroschen zu belassen, so dass er in eine menschenunwürdige Situation geraten sei, genügt nicht und wird in der Beschwerdeschrift auch nicht weiter konkretisiert. Darauf ist nicht einzutreten. Dass er durch die Zwangsmassnahme in eine Notlage geraten sein soll, ist auch nicht ersichtlich, zumal aktenkundig ist, dass er nach der Bargeldbeschlagnahme im Februar und März 2017 in Frankreich gewohnt hat, und am 12. März 2017 in sein Heimatland Nigeria zurückgeflogen ist. Insoweit hat er offensichtlich über genügend finanzielle Mittel verfügt, die den beschlagnahmten Betrag um ein Mehrfaches überstiegen haben, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies umso mehr als er im Sommer 2017 von Nigeria nach Tschechien geflogen ist, wo er sich nun offenbar aufhält. Von einer Notsituation kann keine Rede sein. Darauf ist nicht weiter einzugehen. 
 
3.   
Gegenstände und Vermögenswerte einer beschuldigten Person können im Rahmen einer Deckungsbeschlagnahmung vorläufig konfisziert werden zur Sicherstellung von allfälligen (der beschuldigten Person aufzuerlegenden) Verfahrenskosten, Geldstrafen, Bussen und Entschädigungen (Art. 263 Abs. 1 lit. b StPO). Gemäss Art. 268 Abs. 1 StPO kann vom Vermögen des Beschuldigten grundsätzlich (vorbehältlich der Schranken von Abs. 2 und 3) so viel beschlagnahmt werden, als voraussichtlich zur Deckung dieser Kosten und Sanktionen nötig ist. Während die Einziehungsbeschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO) insbesondere der allfälligen Abschöpfung deliktischen Profits dient, kann für Deckungsbeschlagnahmen auch das rechtmässig erworbene Vermögen eines Beschuldigten herangezogen werden (Urteile des Bundesgericht 1B_250/2015 vom 21. Januar 2016 E. 5.1; 1B_109/2014 vom 3. November 2014 E. 4.1; 1B_300/2013 vom 14. April 2014 E. 5.4; 1B_612/2012 vom 4. April 2013 E. 3.2). Voraussetzungen der Beschlagnahme sind insbesondere die Eröffnung einer Strafuntersuchung (Art. 309 Abs. 1 Bst. b StPO), eine gesetzliche Grundlage (Art. 197 Abs. 1 Bst. a StPO), ein hinreichender Tatverdacht (Art. 197 Abs. 1 Bst. b StPO) und die Wahrscheinlichkeit, dass die beschlagnahmten Gegenstände im Verlauf des Strafverfahrens zu einem im Art. 263 Abs. 1 StPO genannten Zweck gebraucht werden. Sodann muss die Beschlagnahme verhältnismässig sein (Art. 197 Abs. 1 Bst. c StPO) und aufgehoben werden, sobald ihr Grund wegfällt (Art. 267 Abs. 1 StPO). 
Der Beschwerdeführer bestreitet den hinreichenden Tatverdacht (nachfolgend E. 4) sowie die Verhältnismässigkeit der Zwangsmassnahme (nachfolgend E. 5). 
 
4.   
Die Vorinstanz hat den hinreichenden Tatverdacht wie folgt begründet: Der Beschwerdeführer sei beobachtet worden, wie er verschiedene Liegenschaften in Kleinbasel nur kurzzeitig aufgesucht habe, und dann nach Riehen weitergefahren sei. Dort habe er einem unbekannten Mann einen "Fingerling" Kokain (brutto 11g) für angeblich Fr. 300.-- verkauft. Gemäss den spontanen Aussagen des Käufers gegenüber der Polizei habe sich der Beschwerdeführer regelmässig in Riehen aufgehalten und ihm im letzten halben Jahr schon mehrfach Kokain verkauft. Dass anlässlich der anschliessenden Hausdurchsuchung in der Wohnung des Beschwerdeführers und in der "speziellen Betäubungsmittel-Vorzelle mit Drogen-WC" keine Drogen gefunden worden seien, vermöge, so die Vorinstanz, den hinreichenden Tatverdacht nicht zu entkräften. Aus dem beobachteten Aufsuchen verschiedener Orte in Kleinbasel habe die Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund eines modus operandi gut organisierter Händlergruppen ohne Weiteres schliessen können, dass der Beschwerdeführer dort die nachher in Riehen verkaufte Drogenmenge irgendwo übernommen habe. Im Übrigen bestehe aufgrund des vorgefundenen Euro-Betrags auch der Verdacht auf grenzüberschreitenden Betäubungsmittelhandel. 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich, weshalb die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich festgestellt (Art. 9 BV) und insoweit den Tatverdacht zu Unrecht bejaht haben soll. Dass die Vorinstanz die Spontanaussage des Betäubungsmittelkonsumenten vom 2. Februar 2017 für glaubwürdiger erachtete als seine Aussage bei der Einvernahme vom 10. Mai 2017 (wonach er vom Beschwerdeführer nicht mehrmals Kokain gekauft haben soll), ist nicht willkürlich. Aufgrund der gesamten konkreten Umstände vermag auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe anlässlich der Polizeikontrolle und der anschliessenden Hausdurchsuchung die Fr. 300.-- aus dem Drogenverkauf nicht auf sich getragen, den erheblichen Tatverdacht nicht zu entkräften. Die vom Beschwerdeführer erhobene Willkürrüge erweist sich als offensichtlich unbegründet. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, es seien Vermögenswerte beschlagnahmt worden, die nach den Art. 92-94 SchKG nicht pfändbar, und damit von der Beschlagnahme ausgenommen seien (Art. 268 Abs. 3 StPO). Aus diesem Grund sei die Beschlagnahme der Bargelder unverhältnismässig. 
Nach der Rechtsprechung vermag Art. 268 Abs. 3 StPO die Beschlagnahme von Beweismitteln und/oder Delikts- bzw. Drogenerlös nicht zu verhindern (vgl. Urteile des Bundesgericht 1B_1/2015 vom 19. März 2015 E. 4 und 1B_177/2012 vom 28. August 2012 E. 2.2). Den Akten kann entnommen werden, dass die Beschlagnahme der Barmittel insbesondere unter dem Titel "Beweismittel" und "Verdacht auf Drogenerlös" erfolgt ist (vgl. E. 2.2.2.2 des angefochtenen Entscheids). Die Vorinstanz hat ihre Auffassung, weshalb hinreichende Verdachtsgründe betreffend Drogenhandel vorliegen bzw., dass es sich beim beschlagnahmten Geld um Drogenerlös handle, auch schlüssig begründet. Darauf kann verwiesen werden. Im Ergebnis erweist sich die Beschlagnahme als Beweismittel oder als provisorische Einziehungsmassnahme ohne Weiteres als verhältnismässig. 
 
6.   
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, das wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt daher der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Oktober 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Karlen 
 
Der Gerichtsschreiber: Misic