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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_570/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. November 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ronald E. Pedergnana, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 27. Juni 2017 (IV 2014/526). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 22. Oktober 2014 lehnte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen das Gesuch der 1960 geborenen, als selbstständige Kosmetikerin arbeitenden A.________ um Zusprechung einer Invalidenrente ab, weil sie mit einer zumutbaren unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Ausmass von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung ein Einkommen in der Höhe von Fr. 26'841.- erzielen könnte, das einen Rentenanspruch ausschliesse. 
 
B.   
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Verfügung der IV-Stelle vom 22. Oktober 2014 auf und sprach A.________ mit Entscheid vom 27. Juni 2017 rückwirkend ab 1. November 2013 eine halbe Invalidenrente zu. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und ihre Verfügung vom 22. Oktober 2014 zu bestätigen. Ferner ersucht sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt und sich das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen in ablehnendem Sinne äussert, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Begriffe der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG) und der Invalidität      (Art. 8 Abs. 1 IVG) sowie den Anspruch auf eine Invalidenrente    (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28a Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 16 ATSG) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. 
 
 
2.   
Die Vorinstanz stellte gestützt auf die medizinischen Unterlagen fest, dass die Beschwerdegegnerin aus psychischen Gründen als Kosmetikerin und auch in jeder anderen in Betracht fallenden Tätigkeit nur noch hälftig arbeitsfähig sei. Sie habe in den letzten Jahren als selbstständige Kosmetikerin einen Reingewinn von durchschnittlich          Fr. 33'805.- im Jahr erzielt. Dieser Verdienst könne jedoch für den Einkommensvergleich gemäss Art. 28a Abs. 1 IVG nicht als hypothetisches Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) herangezogen werden, da sich die Erwerbsfähigkeit darin nicht ohne weiteres widerspiegle. Vielmehr seien die erwirtschafteten Einkünfte auch von zahlreichen anderen Faktoren abhängig. Um ihre Arbeitsleistung zu bestimmen, müsste eine aufwändige betriebswirtschaftliche Expertise durchgeführt werden. Daher erscheine es angebracht, zur Bemessung ihrer hypothetischen Erwerbsfähigkeit ohne Gesundheitsschaden auf eine durchschnittliche Leistung einer Kosmetikerin abzustellen. Für die Belange des Einkommensvergleichs sei für beide hypothetischen Einkommen von der zuletzt verrichteten Tätigkeit als selbstständige Kosmetikerin auszugehen, da sie bei dieser wie auch jeder anderen Arbeit aus psychischen Gründen zu 50 % eingeschränkt ist. 
In Anlehnung an einen Prozentvergleich sei von einem von der Versicherten erzielbaren Invalideneinkommen von 50 % des Lohnes einer vollzeitlich arbeitenden Kosmetikerin auszugehen. Indessen sei zu berücksichtigen, dass sie im Vergleich zu voll leistungsfähigen Kosmetikerinnen aufgrund ihres psychischen Leidens erheblich behindert sei. So sei sie ausserstande, Überstunden zu leisten und sie sei nicht flexibel. Ferner sei mit vermehrten Krankheitsabsenzen zu rechnen. Unter Berücksichtigung einer verwertbaren Arbeitsfähigkeit von 50 % und eines invaliditätsbedingten Abzugs von 10 % vom Invalideneinkommen resultiere ein Invaliditätsgrad von 55 %. 
 
3.   
3.1 Der vorinstanzlichen Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Wie die IV-Stelle richtig bemerkt, besteht hinsichtlich der Höhe des Valideneinkommens kein Grund, vom durchschnittlichen Reingewinn der Vorjahre abzuweichen. Anhand dieser Vergleichsgrösse kann eine allfällige gesundheitsbedingte Erwerbseinbusse der Versicherten ermittelt werden. Ist der entsprechende Wert - wie hier mit Fr. 33'805.- im Jahr - ungewöhnlich tief, bedeutet dies nicht, dass nicht darauf abgestellt werden kann. Nützt eine versicherte Person, deren Einsatzfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht eingeschränkt ist, ihr wirtschaftliches Potenzial nicht voll aus, ist der nicht verwertete Teil der Erwerbsfähigkeit nicht versichert. Denn wenn jemand vor Eintritt des Gesundheitsschadens aus gesundheitsfremden Gründen nur ein sehr geringes, nicht existenzsicherndes Einkommen verdient hat und nach Eintritt des Gesundheitsschadens immer noch Erwerbseinkünfte in unveränderter Höhe erzielen könnte, ist nicht der Gesundheitsschaden ursächlich für eine allfällige tatsächliche Einkommenseinbusse (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 335/04 vom 23. Dezember 2004). Als kausal zu betrachten sind vielmehr die wirtschaftlichen und persönlichen Umstände, die bereits vor Eintreten des Gesundheitsschadens der Erwirtschaftung höherer Einkommen entgegen gestanden haben (BGE 135 V 58 E. 3.4.1 S. 60 f. mit Hinweisen). Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdegegnerin im Lichte der gesamten objektiven und subjektiven Gegebenheiten ein Berufswechsel unter Aufnahme einer unselbstständigen Tätigkeit zumutbar ist (vgl. Urteil 8C_460/2011 vom 22. September 2011 E. 4.4), wie dies beschwerdeweise geltend gemacht wird. Eine entsprechende leidensangepasste Teilzeittätigkeit im Umfang von      50 % als Unselbstständigerwerbende würde ihr die Möglichkeit eröffnen, Einkünfte in der Höhe von knapp 80 % des früheren Einkommens zu erzielen, das sie als selbstständige Kosmetikerin erreicht hat, wie sich aus der Berechnung der IV-Stelle in der Verfügung vom 22. Oktober 2014 auf der Grundlage der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik ergibt. 
3.2 Die Vorbringen in der Vernehmlassung sind nicht geeignet, die Argumente der IV-Stelle zu widerlegen und zu einer Abweisung der Beschwerde zu führen. Die Versicherte verweist zur Hauptsache auf ihren psychischen Gesundheitsschaden, der sie daran hindere, das von der IV-Stelle angenommene Invalideneinkommen zu erzielen. Dieser Einwand ist unbegründet, da der Gesundheitszustand in der Arbeitsunfähigkeit von 50 % hinreichend berücksichtigt wird. Auch der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin schon seit 1982 selbstständig erwerbend als Kosmetikerin tätig ist, schliesst einen Berufswechsel nicht aus. Zweck der Invalidenversicherung ist es nicht, versicherten Personen bei Auftreten einer Krankheit mit Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit die Fortsetzung einer wenig lukrativen, zur Deckung des Lebensunterhalts nicht ausreichenden Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, sondern sie versichert den auf gesundheitliche Gründe zurückzuführenden Erwerbsausfall. Dabei kann es aus Sicht der Versicherung aufgrund der den Versicherten obliegenden Schadenminderungspflicht (BGE 141 V 642 E. 4.3.2 S. 648; 129 V 460      E. 4.2 S. 463) unter Umständen geboten sein, einen Berufswechsel, verbunden mit einem Statuswechsel von selbstständiger zu unselbstständiger Erwerbstätigkeit, vorzunehmen um damit ein höheres Einkommen zu erreichen, welches einen Invalidenrentenanspruch ausschliesst. 
Schliesslich spricht auch das Alter der Beschwerdegegnerin (geboren 1960), die zum praxisgemäss massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der Verwaltungsverfügung vom 22. Oktober 2014 (vgl. Urteil 9C_644/2015 vom 3. Mai 2016 E. 4.4.1) 54 Jahre alt war und noch eine längere Aktivitätsperiode vor sich hat, nicht gegen die Zumutbarkeit eines Berufswechsels. 
 
4.   
Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
6.   
Da die Beschwerde offensichtlich begründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG erledigt. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. Juni 2017 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 22. Oktober 2014 bestätigt. 
 
2.   
Die Bundesgerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. November 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer