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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_232/2022  
 
 
Urteil vom 16. Dezember 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Urkundenfälschung usw.); Zustellfiktion, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 4. Januar 2022 (2N 21 206). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ AG (bis 10. November 2020 B.________ AG; nachfolgend: Privatklägerin) hatte bei der britischen C.________ Ltd. einen Container mit 36 Paletten Papier aus Indien bestellt. 
Der Container wurde am 4. Dezember 2019 in die Schweiz geliefert. Die Privatklägerin bemängelte die zu späte Lieferung, Mängel und fehlende Dokumente für von der Schweiz gewährte Zollpräferenzen, sodass das Papier nicht, wie angeblich vorgesehen, zollbegünstigt importiert werden konnte. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen erstattete die Privatklägerin Strafanzeige vom 2. September 2020 wegen Urkundenfälschung, Widerhandlung gegen das Zoll- und Urheberrechtsgesetz, Betrug, Geldwäscherei usw. 
Die Staatsanwaltschaft Luzern verfügte am 8. Oktober 2021 mangels Vorliegens einer Prozessvoraussetzung in Anwendung von Art. 310 Abs. 1 StPO die Nichtanhandnahme der Strafanzeige und stellte fest, die Verfahren betreffend Widerhandlungen gegen das Zollgesetz und Herstellung einer unechten/unwahren Urkunde würden von den zuständigen Behörden geführt. 
 
B.  
Die Privatklägerin erhob gegen die Nichtanhandnahmeverfügung Beschwerde beim Kantonsgericht des Kantons Luzern. 
Das Kantonsgericht forderte die Privatklägerin am 3. Dezember 2021 auf, innert zehn Tagen eine Prozesskaution zu leisten. Es wies sie darauf hin, im Falle der Nichtleistung innert Frist werde auf das Rechtsmittel nicht eingetreten. Die Kaution wurde nicht einbezahlt. Die nach Ablauf der Abholfrist von der Post zurückgesandte Sendung stellte das Kantonsgericht nochmals mit A-Post zu mit dem Hinweis, dass eingeschriebene Postsendungen am letzten Tag der 7-tägigen Abholfrist als zugestellt gelten. 
Das Kantonsgericht trat mit Verfügung vom 4. Januar 2022 auf die Beschwerde nicht ein. 
 
C.  
Die Privatklägerin beantragt beim Bundesgericht mit Beschwerde in Strafsachen, den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid infolge Verletzung von Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 5 BGG sowie wegen Verletzung von verfassungsmässigen Verfahrens- und Grundrechten nach der BV aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, das Strafverfahren zu eröffnen; eventualiter die Vorinstanz anzuweisen, das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren ohne Parteikosten wieder zu eröffnen; subeventualiter die Vorinstanz anzuweisen, "die Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses wieder herzustellen, jedoch einen reduzierten [Vorschuss], welcher ein StartUp nicht ruiniert und keine Hinderung des Rechtsweges bedeutet und die Beschwerde an Hand zu nehmen". 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit (Art. 29 Abs. 1 BGG) und die weiteren Eintretensvoraussetzungen in jedem Fall von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 144 V 97 E. 1; 143 IV 357 E. 1; Urteil 6B_1476/2021 vom 25. August 2022 E. 3.1).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren ab. Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, die das Verfahren abschliessen (Art. 80 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Einzig der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid wegen Nichtleistens der Sicherheit ist - im Rahmen bundesrechtskonformer Anfechtung - bundesgerichtlich zu beurteilender Verfahrensgegenstand, der nicht erweitert oder verändert werden kann (BGE 142 I 155 E. 4.4.2). Auf ausserhalb des Streitgegenstands liegende Anträge, Rügen und weitere Vorbringen kann daher von vornherein nicht eingetreten werden (Urteil 6B_1409/2021 vom 10. Februar 2022 E. 2.4). Das Bundesgericht nimmt grundsätzlich keine Beweise ab und ordnet keine Beweiserhebungen an (BGE 133 IV 293 E. 3.4.2; Urteil 6B_139/2022 vom 24. November 2022 E. 1; 6B_688/2021 vom 18. August 2022 E. 1.1).  
 
1.3. Zur Beschwerde ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG) und (kumulativ) ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG die Privatklägerschaft, d.h. die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 und Art. 119 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer "Zivilansprüche" auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster Linie geht es um üblicherweise vor den Zivilgerichten einklagbare Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR (BGE 148 IV 256 E. 3.1).  
 
1.4. Richtet sich die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme eines Verfahrens, muss die geschädigte Person, soweit sie vor den kantonalen Behörden noch keine Zivilforderung erhoben hat, im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Weil der staatliche Strafanspruch von der Staatsanwaltschaft vertreten wird (BGE 148 IV 275 E. 1.3; Urteile 6B_1039/2020 vom 20. April 2021 E. 1.4; 6B_8/2021 vom 11. März 2021 E. 2.1), stellt das Bundesgericht an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, tritt es auf sie nur ein, wenn aufgrund der Natur der in Frage stehenden Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, welcher Art die Zivilforderung ist (BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 IV 246 E. 1.3.1; Urteil 6B_1476/2021 vom 25. August 2022 E. 3.2). Sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht evident, sind diese in der Beschwerde darzulegen (BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f.; 133 II 353 E. 1 S. 356; Urteil 6B_1432/2021 vom 29. März 2022 E. 3.1).  
 
1.5. Die Beschwerdelegitimation erweist sich nicht als evident und wird von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Weder zeigt sie auf, dass sie sich als Privatklägerin konstituiert hätte, noch welche Zivilforderungen sie inwiefern gestützt auf welchen Sachverhalt und welchen Rechtssatz geltend zu machen gedenkt. Die Staatsanwaltschaft begründet dagegen eingehend, weshalb sie auf die zahlreichen Anschuldigungen nicht eintritt (u.a. sachliche und örtliche Unzuständigkeit, kollektive Rechtsgüter) und nimmt im Übrigen hinsichtlich des angezeigten Betrugs lediglich eine allfällige strafrechtlich nicht relevante vertragsrechtliche Schlechterfüllung an. Die betroffene Person ist sodann nicht Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO, wenn durch Delikte, die (nur) öffentliche Interessen verletzen, private Interessen auch, aber bloss mittelbar beeinträchtigt werden (BGE 145 IV 491 E. 2.3.1; 141 IV 454 E. 2.3.1).  
Weiter ist festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft die Eingabe der Privatklägerin vom 2. September 2020 als "Strafanzeige" qualifiziert. Während die Privatklägerschaft, die sich im Strafverfahren als Strafklägerin konstituiert, die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangen kann (Strafklage; Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO; BGE 148 IV 124 E. 2.6.4), steht dieses Recht Personen, die Anzeige erstatten nicht zu. Anzeigern im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. b StPO ohne Parteistellung stehen im Hauptverfahren gemäss Art. 301 Abs. 3 StPO grundsätzlich keine über Art. 301 Abs. 1 und 2 StPO hinausgehenden Rechte zu (Urteil 1B_202/2019 vom 15. November 2019 E. 4.1 f., 4.3). Da es sich um einen Nichteintretensentscheid handelt, ist überdies in der Sache ohnehin nicht einzutreten. 
 
1.6. Ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache kann vor Bundesgericht gerügt werden, im kantonalen Verfahren seien Parteirechte verletzt worden ("Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1). Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können; unzulässig sind daher auch Rügen, die im Ergebnis (d.h. indirekt) auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (BGE 146 IV 76 E. 2 S. 79). Die in der Sache selbst nicht beschwerdelegitimierte Privatklägerschaft kann eine Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, wenn dies auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Diesbezüglich ergibt sich das nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse aus dem Recht auf Verfahrensteilnahme (BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3; Urteile 6B_1409/2021 vom 10. Februar 2022 E. 1.3; 6B_126/2021 vom 21. September 2021 E. 1.2).  
 
1.7. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, "inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt" (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Begründung muss in der Beschwerde enthalten sein (Art. 42 Abs. 1 BGG). Jede Rüge muss topisch an der als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägung der Vorinstanz ansetzen. Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 205 E. 2.6). Eine qualifizierte Begründungspflicht obliegt, soweit die Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür behauptet wird (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 148 IV 39 E. 2.3.5). Unter Vorbehalt der Regelungsmaterie von Art. 97 Abs. 1 BGG ist das Bundesgericht an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), wozu auch die Feststellungen über den Prozesssachverhalt gehören ("faits de la procédure"; ausführlich BGE 140 III 16 E. 1.3.1).  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe weder ein Schreiben noch eine Abholungseinladung erhalten und sie habe zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem Gerichtsschreiben rechnen müssen.  
 
2.2. Nach dem massgebenden Sachverhalt war die eingeschriebene Postsendung mit der vorinstanzlichen Aufforderung zur Sicherheitsleistung an die in der Beschwerde angegebene und damit an die von der Beschwerdeführerin dem Gericht bekannt gegebene Postadresse versandt worden. Nach Ablauf der 7-tägigen Abholfrist war die Gerichtsurkunde von der Post an die Vorinstanz zurückgesandt worden. Die Sicherheit war von der Beschwerdeführerin innert der angesetzten 10-tägigen Frist nicht geleistet worden. Die Vorinstanz tritt gestützt auf die Zustellfiktion auf die Beschwerde nicht ein.  
 
2.3. Die Verfahrensleitung der Rechtsmittelinstanz kann die Privatklägerschaft verpflichten, innert einer Frist für allfällige Kosten und Entschädigungen Sicherheit zu leisten. Artikel 136 bleibt vorbehalten (Art. 383 Abs. 1 StPO). Wird die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet, so tritt die Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht ein (Art. 383 Abs. 2 StPO). Diese Kosten- und Entschädigungspflicht der Privatklägerschaft im Rechtsmittelverfahren bildet das Gegenstück zu deren sehr weitgehenden Rechtsmittelbefugnissen. Um die Vollstreckung allfälliger Kosten- und Entschädigungsansprüche zu gewährleisten, schuf der Gesetzgeber die Möglichkeit, von der Privatklägerschaft entsprechende Sicherheiten zu verlangen. Die Sicherheitsleistung ist an keine Voraussetzungen gebunden (BGE 144 IV 17 E. 2.2; Urteil 6B_449/2021 vom 19. Oktober 2021 E. 2.3 in fine).  
 
2.4. Wird die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet, so tritt die Rechtsmittelinstanz gemäss Art. 383 Abs. 2 StPO auf das Rechtsmittel nicht ein. Nach Art. 91 Abs. 5 StPO ist die Frist für eine Zahlung an eine Strafbehörde gewahrt, wenn der Betrag spätestens am letzten Tag der Frist zugunsten der Strafbehörde der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in der Schweiz belastet worden ist. Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Sicherheitsleistung trägt die Privatklägerschaft (BGE 143 IV 5 E. 2.4). Auch diesbezüglich ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, denn die Beschwerdeführerin hat die Sicherheit unbestritten nicht geleistet.  
 
2.5. Die eingeschriebene Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, gilt am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als zugestellt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO). Diese Zustellfiktion gilt laut Gesetzestext, soweit der Adressat mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO; Urteil 6B_758/2022 vom 9. November 2022 E. 2.2 mit Hinweisen). Die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses verpflichtet die Parteien, sich nach Treu und Glauben zu verhalten und unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Akten zugestellt werden können, welche das Verfahren betreffen (BGE 146 IV 30 E. 1.1.2; Urteil 6B_554/2020 vom 23. September 2020 E. 1.3.4). Die genannte Obliegenheit dauert nicht unbeschränkt; ob der Adressat nach Treu und Glauben mit einer Zustellung rechnen muss und ihm deshalb aus dem Prozessrechtsverhältnis fliessende Pflichten für eine ordnungsgemässe Zustellung obliegen, beurteilt sich nach den konkreten Verhältnissen (dazu Urteil 6B_674/2019 vom 19. September 2019 E. 1.4.3).  
Am 22. November 2021 erhob die Beschwerdeführerin gegen die Nichtanhandnahmeverfügung Beschwerde bei der Vorinstanz. Am 3. Dezember 2021 wurde die Beschwerdeführerin von der Vorinstanz aufgefordert, innert 10 Tagen die Sicherheit zu leisten, andernfalls auf die Beschwerde nicht eingetreten werde. Die Gerichtsurkunde wurde an die von der Beschwerdeführerin dem Gericht bekannt gegebene Postadresse versandt (oben E. 2.2). Bereits innert zwei Wochen nachdem die Beschwerdeführerin das Verfahren eingeleitet hatte, wurde sie zur Sicherheitsleistung aufgefordert. Sie musste mit einer Zustellung im Sinne von Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO rechnen und hatte die Entgegennahme behördlicher Sendungen sicherzustellen (Urteil 6B_758/2022 vom 9. November 2022 E. 4.2). 
 
2.6. Bei eingeschriebenen Postsendungen gilt eine widerlegbare Vermutung, dass der oder die Postangestellte den Avis ordnungsgemäss in den Briefkasten oder in das Postfach des Empfängers gelegt hat und das Zustellungsdatum korrekt registriert worden ist. Es findet in diesem Fall eine Umkehr der Beweislast in dem Sinne statt, als bei Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten des Empfängers ausfällt, der den Erhalt der Abholungseinladung bestreitet. Diese Vermutung kann durch den Gegenbeweis umgestossen werden. Sie gilt so lange, als der Empfänger nicht den Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit von Fehlern bei der Zustellung erbringt. Da der Nichtzugang einer Abholungseinladung eine negative Tatsache ist, kann dafür naturgemäss kaum je der volle Beweis erbracht werden. Die immer bestehende Möglichkeit von Fehlern bei der Poststelle genügt nicht, um die Vermutung zu widerlegen. Vielmehr müssen konkrete Anzeichen für einen Fehler vorhanden sein. Der aus der Zugangsvermutung gezogene Schluss, der Gegenbeweis sei nicht erbracht, stellt Beweiswürdigung dar (BGE 142 IV 201 E. 2.3).  
 
2.7. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Zustellfiktion des Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO greife in der Konstellation ihres Falles nicht und verletze das Legalitätsprinzip; wären die Zustellkriterien gesetzlich klar definiert, müsste die Zustellfiktion nicht greifen. Die Eröffnung der Entscheide und die Fristen sind in Art. 84 ff. StPO geregelt. Insbesondere geht auch der Vorwurf fehl, die Vorinstanz habe, anders als beim Nichteintretensentscheid vom 4. Januar 2022, das "Schreiben betr. Prozesskaution" nur per Einschreiben und nicht nochmals per A-Post versandt, denn eine nochmalige Zustellung mit A-Post lässt die Frist nicht neu laufen (Urteil 6B_758/2022 vom 9. November 2022 E. 2.3). Die Staatsanwaltschaft hatte auch nicht darüber aufzuklären, dass im Rechtsmittelverfahren eine Sicherheit eingefordert werden konnte. Dass Art. 383 Abs. 1 StPO eine "Kann-Bestimmung" ist, ändert an der Zulässigkeit nichts. Die Sicherheitsleistung ist an keine Voraussetzungen gebunden. Es erscheint keineswegs stossend, von einer Aktiengesellschaft, die einen internationalen Handelsstreit zur Anzeige bringt, eine Sicherheit einzufordern. Damit droht im Übrigen auch keineswegs "der (endgültige) Prozessverlust in Bezug auf die Zivilforderung". Zum einen darf das Strafverfahren nicht als Vehikel zur Durchsetzung allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche auf dem Zivilweg verwendet werden (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; Urteil 6B_1012/2022 vom 23. September 2022 E. 3) und zum andern kann die Beschwerdeführerin ihre Ansprüche zivil- und handelsrechtlich geltend machen. Das Bundesgericht hat auch nicht eine von der Beschwerdeführerin als wichtig erachtete Rechtslage bezüglich eines Entscheids der Zollbehörde zu klären, auf den sich die Staatsanwaltschaft stützte; diesfalls wäre der Entscheid der Zollbehörde anzufechten gewesen.  
 
2.8. Die Zustellfiktion ist eine der zahlreichen, für den geordneten Gang des Verfahrens notwendigen Fristenregelungen in der Form einer gesetzlichen Vermutung, die nicht absolut gilt, sondern tatsächlich widerlegbar ist (Urteil 6B_728/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 2.4). Die Vorbringen und Einwände der Beschwerdeführerin erweisen sich als rein appellatorisch und sind entsprechend untauglich, eine Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 BGG) darzulegen oder zu substanziieren. Insbesondere verkennt sie, wie nachfolgend dargelegt, die prozessuale Rechtslage, denn die Vorinstanz hat diese Fragen mit ihrem Nichteintretensentscheid nicht beurteilt (vgl. Urteil 6B_637/2021 vom 21. Januar 2022 E. 3.2).  
 
2.8.1. Das Bundesgericht ist kein Sachgericht (BGE 145 IV 137 E. 2.8) und keine Appellationsinstanz, vor der die Tatsachen erstmals oder erneut frei diskutiert werden könnten (BGE 146 IV 297 E. 1.2). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist weder an die von den Parteien in der Beschwerde vorgebrachten Argumente noch an die vorinstanzliche Begründung gebunden. Es darf aber nach Art. 107 Abs. 1 BGG nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. Es prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 146 IV 88 E. 1.3.2).  
 
2.8.2. Nicht ersichtlich ist, inwiefern die Vorinstanz die Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 5 BGG verletzt haben sollte (oben Rechtsbegehren). Darauf ist nicht einzutreten.  
 
2.8.3. Ein Nichteintretensentscheid zufolge Nichteinhaltens einer Frist begründet keine formelle Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 29 Abs. 1 BV (Urteil 6B_106/2022 vom 31. Oktober 2022 E. 5; zum Begriff des überspitzten Formalismus BGE 142 IV 299 E. 1.3.2).  
 
2.8.4. In der Beschwerde wird eine Verletzung von Art. 383 StPO nicht im Sinne von Art. 42 Abs. 2 BGG begründet. Eine Verletzung dieser Bestimmung ist jedenfalls nicht offensichtlich.  
 
2.8.5. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass sie vor der Vorinstanz die Wiederherstellung der Frist verlangt hätte (vgl. Art. 94 StPO; BGE 142 IV 201 E. 2.4; Urteil 6B_799/2022 vom 3. Oktober 2022 E. 2.2). Deshalb ist einerseits insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten und andererseits darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin erstmals vor Bundesgericht verfahrensmässig vorträgt, sie habe "weder ein Schreiben noch eine Abholungseinladung erhalten" (Beschwerde Ziff. IV/5). Sie legt nirgends dar, dass und inwiefern sie diese und weitere Rügen im Rahmen der vorangehend in E. 2.3 ff. thematisierten Rechtslage vor der Vorinstanz überhaupt erhoben hätte und inwiefern die Vorinstanz diese Rügen bundesrechtswidrig beurteilt oder nicht beurteilt hätte. Verfahrensrechtliche Einwände, die im kantonalen Verfahren hätten geltend gemacht werden können, können nach dem Grundsatz der formellen und materiellen Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs vor Bundesgericht nicht mehr vorgebracht werden (BGE 135 I 91 E. 2.1; Urteile 6B_1477/2021 vom 2. November 2022 E. 3.5; 6B_1188/2021 vom 14. September 2022 E. 3.2; 6B_149/2022 vom 25. August 2022 E. 5.4.2; 6B_880/2020 vom 1. Februar 2021 E. 1.7; 6B_637/2021 vom 21. Januar 2022 E. 3.2). Darauf ist somit nicht einzutreten.  
 
2.8.6. Ebenso wenig verletzt die Vorinstanz den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 141 IV 249 E. 1.3.1). Sie begründet den Nichteintretensentscheid zutreffend mit Hinweis auf BGE 134 V 49 E. 4 und Urteil 6B_665/2016 vom 17. Januar 2017 E. 1.3.2 und 1.4. Die Zustellfiktion kann in der Tat zu einschneidendem Verlust von Rechtspositionen führen; dem begegnet der Gesetzgeber in zweifacher Hinsicht: zum einen, indem sie nur anwendbar ist, wenn eine Person mit der Zustellung rechnen musste, und zum anderen mit der Möglichkeit der Wiederherstellung der Frist gemäss Art. 94 StPO (Urteil 6B_665/2016 vom 27. Januar 2017 E.1.4). Die Beschwerdeführerin musste mit der Zustellung rechnen und verzichtete auf die Möglichkeit der Fristwiederherstellung.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Dezember 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw