Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_1243/2024
Urteil vom 16. Dezember 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch,
Bundesrichter Hurni, Kölz, Hofmann,
Gerichtsschreiberin Sauthier.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Allgemeine Delikte,
Grenzacherstrasse 8, Postfach, 4132 Muttenz.
Gegenstand
Gesuch um Haftentlassung,
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht,
vom 4. Oktober 2024 (470 24 193).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts des mehrfachen Diebstahls, der mehrfachen Sachbeschädigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt versetzte A.________ auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 2. Mai 2024 bis zum 27. Juni 2024 in Untersuchungshaft. Mit Entscheid vom 27. Juni 2024 verlängerte es die Untersuchungshaft bis zum 19. September 2024.
Mit Verfügung vom 15. Juli 2024 übernahm die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, welche gegen A.________ ebenfalls ein Verfahren wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, der mehrfachen Sachbeschädigung sowie des mehrfachen Hausfriedensbruchs führt, das bis zu diesem Datum vom Kanton Basel-Stadt geführte Verfahren. Mit Transportbefehl vom 15. Juli 2024 wurde A.________ vom Untersuchungsgefängnis Basel-Stadt ins Untersuchungsgefängnis Muttenz verlegt.
B.
Mit Schreiben vom 15. August 2024 stellte A.________ ein Haftentlassungsgesuch bei der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft. Diese überwies das Gesuch am 19. August 2024 an das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft, welches das Haftentlassungsgesuch am 27. August 2024 abwies. Die dagegen von A.________ an das Kantonsgericht Basel-Landschaft erhobene Beschwerde wies dieses mit Beschluss vom 4. Oktober 2024 ab.
C.
Mit Eingabe vom 20. November 2024 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, der Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 4. Oktober 2024 sei aufzuheben und er sei unverzüglich aus dem vorzeitigen Strafvollzug zu entlassen. Es sei ihm seit dem 15. Juli 2024 eine Haftentschädigung von mindestens Fr. 25'800.-- zzgl. Zins zuzusprechen, eventualiter sei die Angelegenheit zur Bestimmung einer angemessenen Haftentschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft sowie die Vorinstanz verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene kantonal letztinstanzliche Entscheid betrifft die Beurteilung eines Gesuchs um Haftentlassung. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich, soweit aus den Akten ersichtlich, nach wie vor in Haft. Er ist deshalb nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist.
2.
Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht nicht gegen die vorinstanzliche Bejahung des dringenden Tatverdachts und des besonderen Haftgrunds der Fluchtgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO. Er ist jedoch der Ansicht, dass mit der Übernahme des Verfahrens durch den Kanton Basel-Landschaft ab dem 15. Juli 2024 kein gültiger Hafttitel mehr bestehe. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, aufgrund der Übernahme des Verfahrens durch den Kanton Basel-Landschaft sei die vom Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt am 27. Juni 2024 angeordnete Haftverlängerung bis zum 19. September 2024 "dahingefallen". Er befinde sich daher seit dem 15. Juli 2024 widerrechtlich in Haft und sei unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
2.1.
2.1.1. Für die Anordnung der Untersuchungshaft ist gemäss Art. 225 f. StPO auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Zwangsmassnahmengericht zuständig. Dabei richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den Art. 31 ff. StPO. Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig (Art. 31 Abs. 1 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO). Bis zur verbindlichen Bestimmung des Gerichtsstands trifft die zuerst mit der Sache befasste Behörde die unaufschiebbaren Massnahmen (Art. 42 Abs. 1 erster Satz StPO). Darunter fallen namentlich die Zwangsmassnahmen gemäss Art. 196 ff. StPO wie z.B. die Anordnung strafprozessualer Haft (vgl. u.a. Echle/Kuhn, in: Basler Kommentar Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 1 zu Art. 42 StPO; Schlegel, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 1 zu Art. 42 StPO; Bouverat, in: Code de procédure pénale suisse, 2e édition 2019, N. 4 zu Art. 42 CPP).
2.1.2. Soweit erkennbar, hat sich das Bundesgericht noch nicht zu der Frage geäussert, welche Auswirkungen ein Zuständigkeitswechsel auf eine bestehende Haftanordnung hat und ob die im ursprünglich zuständigen Kanton angeordnete Untersuchungshaft danach im verfahrensübernehmenden Kanton ohne neue Haftanordnung weiter gilt oder ob dessen Strafbehörden verpflichtet sind, die Haft neu anzuordnen. In der Literatur fehlt eine Auseinandersetzung mit dieser Frage weitgehend. Jositsch/Schmid äussern sich dahingehend, dass die von der vorläufig zuständigen Behörde angeordnete Haft im verfahrensübernehmenden Kanton weiter gilt, ohne dass es eines neuen Haftverfahrens bedarf (Jositsch/Schmid, in: Praxiskommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2023, N. 2 zu Art. 42 StPO;
dieselben, in: Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2023, Fn. 211 zu Rz. 486). Dieser Auffassung hat sich die Anklagekammer des Kantonsgerichts St. Gallen angeschlossen (vgl. Entscheid der Anklagekammer vom 10. September 2024, AK.2014.240 E. 2.3).
2.2. Vorliegend ist unbestritten, dass das ursprünglich zuständige Zwangsmassnahmengericht Basel-Stadt auf Antrag der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt gemäss Art. 225 StPO die Haftvoraussetzungen nach Art. 197 ff. StPO geprüft, die Haft angeordnet und mit Entscheid vom 27. Juni 2024 die Untersuchungshaft bis zum 19. September 2024 verlängert hat. Diesen Entscheid hat der Beschwerdeführer nicht angefochten. Dass mit dem Verlängerungsentscheid vom 27. Juni 2024 ein gültiger Hafttitel vorliegt, bestreitet der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht. Er ist jedoch der Ansicht, dass dieser Hafttitel nur im Kanton Basel-Stadt Gültigkeit beansprucht und im übernehmenden Kanton nicht weiter Bestand hat. Seiner Ansicht nach hätte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft "von sich aus originär" einen neuen Haftantrag beim Zwangsmassnahmengericht Basel-Landschaft einreichen müssen, damit bei dessen Gutheissung ein gültiger Hafttitel vorgelegen hätte.
2.3. Die Vorinstanz hält zutreffend fest, dass die Haft nach den für die zuständigen Gerichte aller Kantone geltenden Bestimmungen der StPO durch ein zuständiges Zwangsmassnahmengericht angeordnet und durch eine kantonale Beschwerdeinstanz überprüft und bestätigt worden ist. Die Haft wurde sodann durch das damals zuständige Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt überprüft und verlängert. Gegen diese Haftverlängerung bis zum 19. September 2024 hat der Beschwerdeführer keine Beschwerde erhoben. Die Gültigkeit dieses Hafttitels ist unabhängig davon, ob ein Wechsel der kantonalen Zuständigkeit oder eine Verlegung in eine allenfalls ausserkantonale Strafanstalt erfolgt. Alleine ein Wechsel der kantonalen Zuständigkeit vermag die Rechtmässigkeit des bis zum 19. September 2024 unbestritten gebliebenen Hafttitels nicht in Frage zu stellen.
Mit dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit geht die Verfahrensleitung sowie die Untersuchungsführung auf den neuen Kanton über. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die bisherigen Untersuchungs- bzw. Ermittlungshandlungen hinfällig werden und das Verfahren von Beginn an neu zu führen wäre. Die bereits vom ursprünglich zuständigen Kanton vorgenommenen Untersuchungshandlungen bzw. Beweismassnahmen bleiben gültig (vgl. Echle/Kuhn, in: Basler Kommentar Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 1 zu Art. 42 StPO). Die neu zuständige Behörde übernimmt die Verantwortung für die Untersuchung und die bestehenden Anordnungen, einschliesslich der rechtmässig angeordneten und nicht angefochtenen Haftanordnung bzw. Haftverlängerung. Die von der Staatsanwaltschaft von Amtes wegen vorzunehmende periodische Haftüberprüfung stellt sodann sicher, dass die Haftgründe laufend - auch im neu zuständigen Kanton - überprüft werden (vgl. Art. 212 Abs. 2 StPO; Forster, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 1 zu Art. 228 StPO). Entscheidend für die beschwerdeführende Person ist, dass sie einen klaren Ansprechpartner hat und im Haftverfahren nicht (unnötigerweise) "hin und her" geschoben wird (vgl. auch Echle/Kuhn, in: Basler Kommentar Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 4 zu Art. 42 StPO). Einen zusätzlichen Schutz macht der kantonale Zuständigkeitswechsel nicht nötig.
2.4. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz die Abweisung des Haftentlassungsgesuchs bestätigt hat. Dies gilt im Übrigen umso mehr, als der Beschwerdeführer keine Gründe vorbringt, weshalb - abgesehen vom Zuständigkeitswechsel - die Haftvoraussetzungen, wie unter anderem der besondere Haftgrund der Fluchtgefahr, nicht mehr erfüllt sein sollen. Dies ist auch nicht ersichtlich.
3.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er stellt jedoch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (vgl. Art. 64 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
2.1. Rechtsanwalt Nicolas Roulet wird für das bundesgerichtliche Verfahren als unentgeltlicher Rechtsbeistand eingesetzt und mit Fr. 1'500.-- aus der Gerichtskasse entschädigt.
2.2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Dezember 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier