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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_480/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 17. Februar 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Karlen, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Misic. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
a.o. Staatsanwalt Baloun, Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Wirtschaftsdelikte, Speichergasse 12, 3011 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 15. November 2016 des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte des Kantons Bern führt gegen A.________ und B.________ ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung, Betrugs und evtl. arglistiger Vermögensschädigung. Am 23. August 2016 verfügte der vorübergehend als Verfahrensleiter eingesetzte ausserordentliche Staatsanwalt Patrick Baloun, A.________ und B.________ hätten bis zum 8. September 2016 einen amtlichen Verteidiger zu bezeichnen, ansonsten er ihnen von Amtes wegen einen Verteidiger beiordnen werde. Am 28. und 30. September 2016 verlangten A.________ und B.________ den Ausstand des ausserordentlichen Staatsanwalts. Mit Beschluss vom 15. November 2016 wies die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern das Ausstandsgesuch ab. 
 
B.   
A.________ und B.________ erheben Beschwerde in Strafsachen und beantragen die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. Zudem verlangen sie den Ausstand von Oberrichter Trenkel. 
Die Beschwerdekammer und die Staatsanwaltschaft haben auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdekammer in Strafsachen hat als einzige und letzte kantonale Instanz endgültig entschieden (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 lit. c StPO). Die Beschwerdeführer sind gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.  
 
1.2. Mit der Beschwerde an das Bundesgericht kann, von hier nicht interessierenden Tatbeständen abgesehen, die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (vgl. Art. 95 lit. a und b BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung ist offensichtlich unrichtig, wenn sie willkürlich ist, was in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden muss (Art. 106 Abs. 2 BGG).  
Die Beschwerdeführer belassen es bei ihren zahlreichen Sachverhaltsrügen dabei, den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt als falsch zu bezeichnen, ohne darzutun, weshalb dieser offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, sein soll und die Behebung des Mangels für den vorliegenden Verfahrensausgang entscheidend sein könnte. Darauf ist nicht einzutreten. 
 
1.3. In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. (Art. 42 Abs. 2 BGG).  
Soweit die Beschwerdeführer vor Bundesgericht ohne weitere Ausführungen nun auch den Ausstand von Oberrichter Trenkel begehren, ist darauf mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht einzutreten. 
 
2.  
Die Beschwerdeführer rügen beiläufig, der Beschwerdegegner habe ihr rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 EMRK) verletzt, weil er ihre Mitwirkungsrechte im Strafverfahren beschnitten und ihnen die Einsicht in die Akten verweigert haben soll. Darauf ist mangels rechtsgenüglicher Begründung - in der Beschwerdeschrift ist präzise darzulegen,  inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt wurden - ebenfalls nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Den Akten lassen sich denn auch keine Anhaltspunkte für eine Gehörsverletzung entnehmen. Des Weiteren rügen die Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe ihren Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt (Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Abgesehen davon, dass Ausstandsverfahren grundsätzlich schriftlich sind (Art. 59 Abs. 2 StPO), sind Gründe, weshalb im vorinstanzlichen Verfahren ausnahmsweise von diesem Grundsatz abzuweichen gewesen wäre, nicht ersichtlich und werden von den Beschwerdeführern auch nicht rechtsgenüglich dargetan. Darauf ist nicht einzutreten.  
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten des Richters begründet sein. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 141 IV 178 E. 3.2.1 S. 179; 140 I 326 E. 5.1 S. 328; BGE 138 IV 142 E. 2.1 S. 144 f.; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Amtet der Staatsanwalt als Strafuntersuchungsbehörde, beurteilt sich die Ausstandspflicht nach Art. 29 Abs. 1 BV. Hinsichtlich der Unparteilichkeit des Staatsanwalts im Sinne von Unabhängigkeit und Unbefangenheit kommt Art. 29 Abs. 1 BV allerdings ein mit Art. 30 Abs. 1 BV weitgehend übereinstimmender Gehalt zu (BGE 141 IV 178 E. 3.2.2 S. 179 f.). Auch ein Staatsanwalt kann abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die objektiv geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198 f. mit Hinweisen). Das gilt allerdings nur für das Vorverfahren (BGE 141 IV 178 E. 3.2.2 S. 180). Dabei begründen fehlerhafte Verfügungen und Verfahrenshandlungen des Staatsanwalts für sich keinen Anschein der Voreingenommenheit. Anders verhält es sich, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen (BGE 141 IV 178 E. 3.2.3 S. 180 mit Hinweisen).  
 
3.3. Die verfassungs- bzw. konventionsrechtlichen Garantien werden unter anderem in der Strafprozessordnung konkretisiert (BGE 138 I 425 E. 4.2.1 S. 428 mit Hinweisen). Gemäss Art. 56 StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person insbesondere dann in den Ausstand, wenn sie in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, in der gleichen Sache tätig war (Vorbefassung; lit. b), oder wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte (lit. f). Die Ausstandsregeln erfassen sämtliche Personen, die an einem Justizverfahren mitwirken, unter anderem auch Gerichtsschreiber (so ausdrücklich Art. 34 BGG).  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, der Beschwerdegegner sei in der gleichen Sache in einem früheren Verfahren (BK 15 330 vom 29. Oktober 2015) bereits als Gerichtsschreiber tätig gewesen. Deshalb sei er vorbefasst und müsse in den Ausstand treten. Auf die übrigen Ausführungen und Rügen der Beschwerdeführer, die am Streitgegenstand vorbeigehen und in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren gegen einen für sie ungünstigen Entscheid in der Sache vorzutragen wären, ist nicht einzutreten.  
 
4.2. Der Beschwerdegegner ist mit der vorliegenden Strafuntersuchung nicht mehr befasst. Die Vorinstanz hat das Ausstandsbegehren gegen ihn trotzdem zu Recht behandelt, da es auch darum ging, ob die von ihm vorgenommenen Amtshandlungen gültig sind oder nicht (Art. 60 Abs. 1 StPO).  
 
4.3. Im Verfahren BK 15 330 wurde von den Beschwerdeführern eine Sistierungsverfügung des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland vom 1. Oktober 2015 betreffend eine Anzeige der Krankenkasse C._______ AG vom 3. Mai 2010 angefochten. Die Beschwerdeführer stellten vor der Beschwerdekammer den Antrag, die Sistierungsverfügung sei in eine Einstellungsverfügung umzuwandeln. Die Beschwerdekammer wies zutreffend darauf hin, dass ein solcher Antrag im Rahmen des Beschwerdeverfahrens unzulässig sei (Art. 300 Abs. 2 und Art. 309 Abs. 3 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer musste sich deshalb die Beschwerdekammer in Bezug auf das gegen die Beschwerdeführer gerichtete Strafverfahren nicht zur Sache äussern. Damit kann eine unzulässige Vorbefassung des Beschwerdegegners bereits aus diesem Grund verneint werden. Konkrete Anhaltspunkte (unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände im Einzelfall), dass sich der Beschwerdegegner in seiner Funktion als Gerichtsschreiber bereits in einem Mass festgelegt haben soll, die ihn nicht mehr als unvoreingenommen und dementsprechend das Verfahren als nicht mehr offen erscheinen lassen (BGE 134 I 238 E. 2.1 S. 240; 131 I 113 E. 3.4 S. 116 f.), sind nicht ersichtlich und werden von den Beschwerdeführern auch nicht vorgebracht. Dass dieser am 23. August 2016 verfügt hat, die Beschwerdeführer hätten in einem Fall von notwendiger Verteidigung einen amtlichen Verteidiger zu bezeichnen, stellt auch keine ausstandsbegründende Handlung i.S.v. Art. 56 lit. f StPO dar (E. 2.2 hiervor).  
 
 
5.   
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Kosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Wirtschaftsdelikte, und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Februar 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Karlen 
 
Der Gerichtsschreiber: Misic