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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_935/2019  
 
 
Urteil vom 17. Februar 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gian Moeri, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Bundesanwaltschaft, 
2. Gemeinde Horgen, 
vertreten durch Antonio Stancampiano, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen 
(Art. 239 Ziff. 1 StGB); Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, vom 7. Dezember 2018 (SK. 2018.30). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts sprach A.________ am 7. Dezember 2018 der Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen (Art. 239 Ziff. 1 StGB), der Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB) sowie der mehrfachen Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 100 Ziff. 1 SVG) schuldig. Es bestrafte ihn mit einer unbedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 165.-- und einer Übertretungsbusse von Fr. 500.--. 
 
B.   
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, er sei vom Vorwurf der Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, freizusprechen und für die Sachbeschädigung und die Verkehrsregelverletzung mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 160.--, bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie einer Übertretungsbusse von Fr. 500.-- zu bestrafen. 
 
C.   
Das Bundesstrafgericht und die Bundesanwaltschaft verzichteten auf eine Vernehmlassung. Die Gemeinde Horgen liess sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Art. 38a des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71) sieht seit dem 1. Januar 2019 vor, dass die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts über Berufungen gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts entscheidet. Der angefochtene Entscheid erging bereits am 7. Dezember 2018. Art. 38a StBOG gelangt vorliegend daher nicht zur Anwendung. Gegen das angefochtene Urteil ist damit einzig die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gegeben. Daran ändert nichts, dass das schriftlich begründete Urteil den Parteien erst am 21. Juni 2019 versandt wurde (Urteil 6B_383/2019 vom 8. November 2019 E. 1). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Schuldspruch der Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen. Er rügt, die Vorinstanz stelle willkürlich eine Beeinträchtigung der Löschwasserversorgung fest. Dies finde in den Akten keine Stütze. Bei einer leicht geöffneten Spindel und einem damit einhergehenden geringen Wasseraustritt sei die Löschwasserversorgung nicht beeinträchtigt. Die Feuerwehr hätte den Schlauch angesichts des bloss geringfügigen Wasseraustritts dennoch direkt an die Spindel anschliessen können. Allenfalls hätte sie vor dem Anbringen des Schlauches zunächst mit einer  1 / 4 -Drehung das Wasser ganz abstellen müssen. Darin liege keine hinreichend wesentliche Störung der Wasserversorgung. Da der Täter vor dem Verlassen des Tatortes die Verschlusskappe wieder verschlossen habe, sei überdies klar, dass kein Vorsatz vorgelegen habe, die Spindel zwecks effektiver Beeinträchtigung der Löschwasserversorgung noch weiter zu öffnen.  
 
2.2. Den Tatbestand von Art. 239 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt, wer vorsätzlich den Betrieb einer zur allgemeinen Versorgung mit Wasser, Licht, Kraft oder Wärme dienenden Anstalt oder Anlage hindert, stört oder gefährdet. Die Täterhandlung von Art. 239 Ziff. 1 Abs. 2 StGB kann in der Hinderung, Störung oder Gefährdung des Betriebs der Anstalt oder Anlage bestehen. Hinderung ist eine mindestens vorübergehende Verunmöglichung, Störung eine qualitative Beeinträchtigung und Gefährdung das Herbeiführen der nahen und ernstlichen Wahrscheinlichkeit einer Hinderung oder Störung. Die Beeinträchtigung muss von einer gewissen Intensität sein (Urteil 6B_217/2012 vom 20. Juli 2012 E. 3.2 mit Hinweisen). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, das Ausfallen eines einzelnen Hydranten ohne weitere Folgen für die Versorgung (DONATSCH/THOMMEN/WOHLERS, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 5. Aufl. 2017, S. 104) bzw. die Kollision eines Fahrzeugs mit einem Hydranten (TRECHSEL/CONINX, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 5 f. zu Art. 239 StGB; GERHARD FIOLKA, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl. 2019, N. 27 und 31 zu Art. 239 StGB) falle nicht unter den Tatbestand von Art. 239 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Wie es sich damit verhält, liess das Bundesgericht im Urteil 6B_217/2012 vom 20. Juli 2012 offen (Urteil, a.a.O., E. 3.3.1).  
 
2.3. Die Vorinstanz erwägt, gemäss dem Rapport der Kantonspolizei Zürich vom 11. Januar 2013 sei es am 13. Oktober 2012, um ca. 06:00 Uhr, zu einer Manipulation am Hydranten Nr. 498 am Seewartweg 3 in Horgen gekommen. Dabei sei zuerst die Verschlusskappe geöffnet worden und danach mit  1 / 4 -Umdrehung das Hauptventil (Hauptspindel). Danach sei die Verschlusskappe wieder geschlossen worden. Es sei zu einem Wasserverlust gekommen (Wasseraustritt über die beiden Seitenarme), der nicht bestimmbar sei, da zu wenig Wasser ausgetreten sei, weshalb kein Sachschadensbetrag erhoben werden könne. Der Hydrant sei nicht beschädigt worden (angefochtenes Urteil E. 3.3.1 S. 34). In rechtlicher Hinsicht hält die Vorinstanz fest, bei Hydranten handle es sich um Anlagen im Sinne von Art. 239 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Die vom Beschwerdeführer vorgenommenen Manipulationen am Hydranten Nr. 498 hätten zu einem Wasseraustritt über die Seitenarme desselben geführt. Somit sei der Hydrant in seiner Funktionsbestimmung beeinträchtigt worden. Die Löschwasserversorgung im vom Hydranten Nr. 498 abgedeckten Gebiet sei durch das missbräuchliche Öffnen der Spindeln bis zur Wiederinstandstellung bzw. bis zum Zudrehen der Spindeln nicht umfassend gewährleistet gewesen. Damit sei der objektive Tatbestand von Art. 239 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt (angefochtenes Urteil E. 5.3 S. 57).  
 
2.4. Die vorinstanzlichen Erwägungen sind nicht nachvollziehbar. Unklar ist, weshalb die Vorinstanz davon ausgeht, die Löschwasserversorgung sei während einer gewissen Zeit nicht gewährleistet gewesen. Dies obschon sie feststellt, der Hydrant sei nicht beschädigt worden, sondern es sei lediglich die Spindel leicht mit einer  1 / 4 -Umdrehung geöffnet worden, was zu einem geringen Wasserverlust geführt habe. War der Anschluss eines Schlauchs durch die Feuerwehr wie vom Beschwerdeführer behauptet (allenfalls nach einem vorgängigen vollständigen Zudrehen der Spindel) dennoch problemlos möglich, ist nicht ersichtlich, weshalb die Löschwasserversorgung durch das leichte Öffnen der Spindel und den geringen Wasserverlust hätte behindert, gestört oder gefährdet worden sein sollen. Eine Begründung dafür kann dem angefochtenen Entscheid nicht entnommen werden.  
Anders als im Urteil 6B_217/2012 vom 20. Juli 2012, auf welches die Vorinstanz abstellt (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.1 S. 56 f.), kam es vorliegend zu keiner Beschädigung von Hydranten. Zwar warf die Anklage dem Beschwerdeführer in fünf weiteren Anklagepunkten vor, Hydranten durch das Anbringen von Sprengstoffvorrichtungen, die teils auch detonierten, beschädigt zu haben (Anklageziffern 1.2.1, 1.2.2, 1.2.4, 1.2.5 und 1.2.6). Dies hat bei der Beurteilung der Strafbarkeit des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 239 Ziff. 1 Abs. 2 StGB jedoch unberücksichtigt zu bleiben, da die Vorinstanz das Verfahren bezüglich dieser Vorwürfe infolge Verjährung einstellte (angefochtenes Urteil E. 5.2 S. 57). 
Die Rüge des Beschwerdeführers ist begründet. Damit braucht auf dessen weitere Einwände nicht mehr eingegangen zu werden. 
 
3.   
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Bundesstrafgerichts vom 7. Dezember 2018 ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Schweizerische Eidgenossenschaft (Bundesanwaltschaft) trägt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG). Sie hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren indes angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
Die Beschwerdegegnerin 2 wird nicht kostenpflichtig, da sie vor Bundesgericht keine Anträge stellte. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Bundesstrafgerichts vom 7. Dezember 2018 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Die Schweizerische Eidgenossenschaft (Bundesanwaltschaft) hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Februar 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld