Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1P.269/2006 /scd
Urteil vom 17. Juli 2006
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürgen Korth,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
vom 18. April 2006.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Zweigstelle Flughafen, führte gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen Unterlassung der Buchführung (Art. 166 StGB) usw. Mit Verfügung vom 6. Januar 2005 delegierte der zuständige Staatsanwalt Y.________ die Durchführung von Einvernahmen mit dem Angeschuldigten an die Kantonspolizei Zürich und ersuchte diese gleichzeitig um polizeiliche Ermittlungen. Am 7. Dezember 2005 beschwerte sich der Rechtsvertreter des Beschuldigten bei der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich schriftlich über die Prozessführung und verlangte sinngemäss den Ausstand der Untersuchungsbeamten. Im Rahmen des Verfahrens bei der Oberstaatsanwaltschaft präzisierte er seine Begehren mit Eingabe vom 23. Februar 2006; dabei forderte er ausdrücklich den Ausstand von Staatsanwalt Y.________ und des zuständigen Polizeibeamten, Wachtmeister Z.________.
Mit Verfügung vom 18. April 2006 hiess die Oberstaatsanwaltschaft das Ablehnungsbegehren gegen Staatsanwalt Y.________ gut (Dispositiv Ziffer 1); daraufhin ist die Untersuchung am 9. Mai 2006 an die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich abgetreten worden. In der gleichen Verfügung vom 18. April 2006 trat die Oberstaatsanwaltschaft jedoch auf das Ablehnungsbegehren gegen Wachtmeister Z.________ und auf die gegen ihn gerichtete Aufsichtsbeschwerde nicht ein (Dispositiv Ziffer 2); sie auferlegte X.________ die Hälfte der Verfahrenskosten (Dispositiv Ziffer 3).
B.
Gegen den Entscheid der Oberstaatsanwaltschaft erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde. Er verlangt die Aufhebung von Dispositiv Ziffern 2 und 3 der genannten Verfügung und macht eine formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend. In der Beschwerde werden ausserdem Art. 9 und Art. 32 Abs. 2 BV angerufen. Die Oberstaatsanwaltschaft hat ausdrücklich auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Oberstaatsanwaltschaft hat die Beschwerde gegen die Amtsführung des Polizeibeamten als Aufsichtsbeschwerde behandelt. Sie hat über diese Beschwerde und das Ausstandsbegehren gegen den Polizisten in Dispositiv Ziffer 2 ihrer angefochtenen Verfügung entschieden; dabei ist sie auf beide Rechtsbegehren nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer beantragt in der staatsrechtlichen Beschwerde zwar die Aufhebung der ganzen Ziffer 2 wie auch der Kostenregelung gemäss Ziffer 3 des Dispositivs. In der Begründung wendet er sich aber einzig gegen das Nichteintreten auf sein Ausstandsbegehren gegen den Polizeibeamten. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er das Nichteintreten auf die Aufsichtsbeschwerde nicht anfechten will. Abgesehen davon würde es insofern an einer hinreichenden Begründung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG (vgl. dazu BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 113 E. 2.1 S. 120, je mit Hinweisen) fehlen. Darauf ist nicht weiter einzugehen.
1.2 Im Hinblick auf den Ausstandsentscheid schliesst die angefochtene Verfügung das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab, sondern lässt im Gegenteil dessen Fortführung zu. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 Abs. 1 OG, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde an sich zulässig ist. Der Beschwerdeführer ist durch das teilweise Nichteintreten auf seine Ablehnungsbegehren in verfassungsmässigen Rechten beschwert (Art. 88 OG). Hingegen bleibt zu prüfen, ob insofern ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid vorliegt (Art. 86 Abs. 1 OG).
1.3 Nach der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Verfügung steht gegen den Ablehnungsentscheid der Rekurs an die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich offen. Dagegen sei gegen den Entscheid über die Aufsichtsbeschwerde kein ordentliches Rechtsmittel gegeben, jedoch könne gegen den damit verbundenen Kostenentscheid ebenfalls an die Direktion der Justiz und des Innern rekurriert werden. Aus diesen Ausführungen leitet der Beschwerdeführer ab, die angefochtene Verfügung sei auch insoweit kantonal letztinstanzlich, als die Oberstaatsanwaltschaft auf das Ausstandsgesuch gegen den fraglichen Polizisten nicht eingetreten ist.
Bei diesen Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass es sich bei der Behandlung seines Ablehnungsbegehrens gegen den Polizisten um einen erstinstanzlichen Entscheid der Oberstaatsanwaltschaft handelt. Nichts anderes ergibt sich aus den differenzierten Ausführungen in E. II/2.1 der angefochtenen Verfügung. Dort wird die Abgrenzung zwischen dem Ausstandsbegehren und der Rekursmöglichkeit gegen Prozesshandlungen im Rahmen delegierter polizeilicher Einvernahmen erläutert.
1.4 Gemäss § 101 Abs. 1 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 (GVG/ZH; LS 211.1) entscheidet die Aufsichtsbehörde über ein streitiges Ausstandsbegehren. Die Oberstaatsanwaltschaft ist nach § 89 GVG/ZH als Aufsichtsbehörde der Staatsanwaltschaften einzustufen (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, Rz. 321); sie ist somit zum Entscheid über Ausstandsbegehren bezüglich der Staatsanwälte und ihrer Mitarbeitenden grundsätzlich zuständig (vgl. § 6 lit. f der Verordnung vom 27. Oktober 2004 über die Organisation der Oberstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaften [LS 213.21]). Gestützt auf diese Bestimmungen hat die Oberstaatsanwaltschaft die angefochtene Verfügung getroffen. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass sie über das Ausstandsbegehren gegen einen Polizisten auch inhaltlich hätte befinden müssen.
Unter diesen Umständen geht der Beschwerdeführer fehl, wenn er die umstrittene Nichteintretensverfügung über das Ausstandsbegehren gegen den Polizisten bereits als Rekursentscheid erachtet. Vielmehr besteht gegen diesen Punkt der angefochtenen Verfügung die Rekursmöglichkeit gemäss § 402 Ziff. 4 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich in der Fassung vom 27. Januar 2003 (StPO/ZH; LS 321) an die Direktion der Justiz und des Innern (vgl. Schmid, a.a.O., Rz. 348).
2.
Nach dem Gesagten ist auf die staatsrechtliche Beschwerde mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Juli 2006
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: