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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_287/2020  
 
 
Urteil vom 17. August 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Uri, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, 
vom 5. Februar 2020 
(OG S 19 1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ bot im November 2016 auf einer Internetplattform vier Geschenkkarten im Gesamtwert von Fr. 400.-- an. Nachdem der Käufer den vereinbarten Preis von Fr. 366.-- auf das Bankkonto von A.________ überwiesen hatte, brach dieser den Kontakt mit ihm ab, ohne die Geschenkkarten zu liefern. 
 
B.   
Das Landgerichtsvizepräsidium Uri verurteilte A.________ am 13. November 2018 wegen Betrugs zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Tagen. Ferner beurteilte es die Zivilklage und regelte die Kostenfolgen. 
Dagegen erhob A.________ Berufung, die Staatsanwaltschaft des Kantons Uri führte Anschlussberufung, beide beschränkt auf die Strafzumessung. 
 
C.   
Das Obergericht des Kantons Uri stellte am 5. Februar 2020 fest, dass das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Schuldspruchs und der Beurteilung der Zivilklage in Rechtskraft erwachsen ist, wies die Berufung sowie die Anschlussberufung ab, verurteilte A.________ zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Tagen und auferlegte ihm die Verfahrenskosten. 
 
D.   
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen sinngemäss, das obergerichtliche Urteil sei teilweise aufzuheben und er sei zu einer bedingten Strafe zu verurteilen, eventualiter sei anstelle einer unbedingten Strafe gemeinnützige Arbeit anzuordnen. Er ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
E.   
Das Obergericht des Kantons Uri verzichtet unter Hinweis auf die Ausführungen in seinem Urteil auf eine Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Uri lässt sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Er kritisiert insbesondere, die Vorinstanz berücksichtige nicht, dass er nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug wieder Arbeit gefunden habe, nicht mehr straffällig geworden sei und die ambulante Therapie erfolgreich abgeschlossen habe. Seine Legalprognose sei daher günstig. Insbesondere gehe die Vorinstanz nicht auf die Verfügung der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Bern (BVD) vom 21. Januar 2019 ein, womit die ambulante Behandlung infolge deren erfolgreichen Abschlusses aufgehoben wurde.  
 
1.2. Die Vorinstanz hält zunächst fest, dass vorliegend das Strafgesetzbuch in der Fassung vom 1. Oktober 2016 zur Anwendung gelangt. Sie erwägt, angesichts der prekären finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass eine Geldstrafe nicht vollzogen werden könnte, weshalb auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen sei. In Würdigung der objektiven und subjektiven Tatschwere sowie der Täterkomponenten erachtet sie eine Freiheitsstrafe von 20 Tagen für angemessen. Sie erwägt, da der Beschwerdeführer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zweifach zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden sei, sei der Aufschub der Strafe nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen würden. Dies sei beim Beschwerdeführer nicht der Fall. Wohl sei aufgrund seiner beruflichen Situation eine positive Veränderung in seinen Lebensumständen feststellbar. Indessen liessen die zahlreichen, teilweise einschlägigen Vorstrafen keine besonders günstige Prognose zu. Der Umstand, dass er im Frühjahr 2018 bedingt aus dem Strafvollzug entlassen worden sei, vermöge daran nichts zu ändern, da die bedingte Entlassung nur ausnahmsweise verweigert werde. Ferner habe der Beschwerdeführer während des Freiheitsentzugs mehrere Disziplinarverfügungen erhalten. Die Strafe sei unbedingt auszusprechen. Die gemeinnützige Arbeit stelle seit dem 1. Januar 2018 keine eigenständige Strafe mehr dar. Nicht das Gericht, sondern die Vollzugsbehörde sei gemäss Art. 79a StGB nun für die Bewilligung der gemeinnützigen Arbeit zuständig. Da diese Bestimmung eine Zuständigkeitsvorschrift darstelle, sei Art. 7 Ziff. 1 EMRK nicht anwendbar, und es gelte das neue Recht (Urteil S. 7 ff.).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Der Beschwerdeführer hat die Tat vor der Änderung des Sanktionenrechts vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Januar 2018 (AS 2016 1249), begangen. Gemäss Art. 2 Abs. 2 StGB ist in einem solchen Fall das in Kraft stehende Gesetz anzuwenden, wenn es für den Täter das mildere ist. Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass dies vorliegend nicht der Fall ist, weshalb die zum Tatzeitpunkt geltende Fassung des Strafgesetzbuches zur Anwendung gelangt.  
 
1.3.2. Die Dauer der Freiheitsstrafe beträgt in der Regel mindestens sechs Monate (aArt. 40 erster Satzteil StGB). Gemäss aArt. 41 Abs. 1 StGB kann das Gericht auf eine vollziehbare Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten erkennen, wenn die Voraussetzungen für eine bedingte Strafe (Art. 42 StGB) nicht gegeben sind und zu erwarten ist, dass eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit nicht vollzogen werden kann. Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen verurteilt, so ist der Aufschub einer Geldstrafe, von gemeinnütziger Arbeit oder einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen (aArt. 42 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB).  
Unter "besonders günstigen Umständen" sind solche Umstände zu verstehen, die ausschliessen, dass die Vortat die Prognose verschlechtert. Die Gewährung des bedingten bzw. teilbedingten Strafvollzuges ist nur möglich, wenn eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren den Schluss zulässt, dass trotz der Vortat eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Dabei ist zu prüfen, ob die indizielle Befürchtung durch die besonders günstigen Umstände zumindest kompensiert wird. Anders als beim nicht rückfälligen Täter (aArt. 42 Abs. 1 StGB) ist das Fehlen einer ungünstigen Prognose nicht zu vermuten. Vielmehr kann eine günstige Prognose nur gestellt werden, wenn Umstände vorliegen, die ausschliessen, dass der Rückfall die Prognose verschlechtert. Das trifft etwa zu, wenn die neuerliche Straftat mit der früheren Verurteilung in keinerlei Zusammenhang steht oder bei einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen des Täters. aArt. 42 Abs. 2 StGB stellt klar, dass der Rückfall für sich den bedingten Strafvollzug nicht ausschliesst (vgl. BGE 145 IV 137 E. 2.2 S. 139; 134 IV 1 E. 4.2.3 S. 6 f. mit Hinweisen; Urteil 6B_377/2017 vom 5. Juli 2018 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 144 IV 277). 
Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren und bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Vorinstanz von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist, wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen hat oder ihr Ermessen über- bzw. unterschreitet oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt (vgl. BGE 145 IV 137 E. 2.2 S. 139; 144 IV 313 E. 1.2 S. 319). 
 
1.4. Der Beschwerdeführer bringt zutreffend vor, die Vorinstanz berücksichtige bei der Beurteilung seiner Legalprognose nicht, dass die mit den Urteilen des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 9. Januar 2013 und des Obergerichts des Kantons Bern vom 20. November 2015 angeordnete ambulante therapeutische Behandlung gemäss Art. 63 StGB mit Verfügung der BVD vom 21. Januar 2019 aufgehoben wurde (Akten Vorinstanz, act. 2.1, Beilage 3). Dem Beschwerdeführer ist ebenfalls darin zuzustimmen, dass die Aufhebung der ambulanten Behandlung bzw. die Einschätzung der BVD für die Beurteilung der Legalprognose und die Frage, ob besonders günstige Umstände vorliegen, relevant sind. Der Beschwerdeführer kritisiert zu Recht, dass die Vorinstanz in erster Linie seine Vergangenheit, insbesondere seine zahlreichen Vorstrafen, in ihre Beurteilung einbezieht, ohne zu berücksichtigen, dass die BVD in ihrer Verfügung unter anderem festhalten, er habe im Rahmen der ambulanten Behandlung mit seiner Kooperation und seiner Entwicklung überzeugend auf eine nachhaltige Verbesserung seiner Legalprognose hingewirkt und es könne von einer ausreichenden Stabilisierung seiner Lebenssituation sowie einer positiven Verhaltenseinstellung ausgegangen werden. Insgesamt gelangen die BVD zum Schluss, dass Ziel und Zweck der ambulanten Behandlung, nämlich die Verbesserung der Lebenssituation des Beschwerdeführers sowie die Verminderung der Rückfallgefahr, erreicht worden seien und die Behandlung daher als erfolgreich abgeschlossen werden könne (Akten Vorinstanz, act. 2.1, Beilage 3 S. 3). Indem die Vorinstanz diesen Umstand und die Ausführungen der BVD nicht in ihre Beurteilung der Legalprognose einbezieht bzw. sich damit auseinandersetzt, lässt sie wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht und verletzt das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers. Da der Vorinstanz bei der Beurteilung der Legalprognose ein Ermessensspielraum zukommt, ist es nicht am Bundesgericht zu beurteilen, ob in Anbetracht aller massgebenden Umstände, die Voraussetzungen von aArt. 42 Abs. 2 StGB erfüllt sind. Die Vorinstanz wird die Legalprognose unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren neu beurteilen müssen.  
 
1.5. Sollte die Vorinstanz zum Schluss gelangen, dass dem Beschwerdeführer der bedingte Strafvollzug gewährt werden kann, wären die Voraussetzungen von aArt. 40 f. StGB nicht gegeben und die Ausfällung einer Freiheitsstrafe von 20 Tagen nicht möglich. Ergibt die neue Würdigung, dass keine besonders günstigen Umstände im Sinne von aArt. 42 Abs. 2 StGB vorliegen, hätte die Vorinstanz zu prüfen, ob anstelle der Freiheitsstrafe gemeinnützige Arbeit gemäss aArt. 37 StGB angeordnet und vollzogen werden kann (vgl. aArt. 41 Abs. 1 StGB). Soweit sie argumentiert, die gemeinnützige Arbeit sei neu eine Vollzugsart bzw. die entsprechende Bestimmung eine Zuständigkeitsvorschrift, verkennt sie, dass in Bezug auf ein und dieselbe Tat nur entweder das alte oder das neue Recht zur Anwendung gelangen kann. Das Gericht hat aufgrund eines konkreten Vergleichs zu prüfen, welches Recht das mildere ist (vgl. BGE 142 IV 401 E. 3.3 S. 403 f.; 134 IV 82 E. 6.2.1 S. 87 f. und E. 6.2.3 S. 88 f. mit Hinweisen). Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass das Strafgesetzbuch in seiner Fassung vom 1. Oktober 2016 zur Anwendung gelangt. Folglich hat sie auch die Voraussetzungen der gemeinnützigen Arbeit, die damals neben der Geld- und Freiheitsstrafe eine Strafart darstellte, zu prüfen. Indem sie dies nicht tut, verletzt sie Bundesrecht.  
 
2.   
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG), damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Eine Parteientschädigung ist dem Beschwerdeführer nicht zuzusprechen, da er sich nicht anwaltlich vertreten liess. Eine Umtriebsentschädigung wird nur bei "besonderen Verhältnissen" ausgerichtet, die hier nicht gegeben sind. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri vom 5. Februar 2020 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben und keine Entschädigungen ausgerichtet. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. August 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres