Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_5/2022
Urteil vom 17. August 2022
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichterin Hänni,
Bundesrichter Beusch, Hartmann,
Bundesrichterin Ryter,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Guido Ehrler,
gegen
Amt für Migration und Integration des
Kantons Aargau, Rechtsdienst,
Bahnhofplatz 3C, 5001 Aarau.
Gegenstand
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom
22. November 2021 (WBE.2021.54).
Sachverhalt:
A.
A.a. B.________ (geb. 1975) stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. Sie hält sich nach einem erfolglos durchlaufenen Asylverfahren - als Mutter eines Schweizer Kindes - seit dem 10. November 2010 mit einer Aufenthaltsbewilligung im Land auf. Zwei Familiennachzugsgesuche für ihren kongolesischen Sohn A.________ (geb. 2000) vom 2. Juli 2012 und vom 9. Oktober 2014 blieben am 25. Februar 2013 bzw. 22. September 2016 ohne Erfolg. Dieser war zwischen den beiden Gesuchen im Jahr 2014 mit seinem Bruder illegal in die Schweiz eingereist und hat das Land in der Folge nicht mehr verlassen.
A.b. Das Bundesgericht hiess am 14. November 2019 eine erste Beschwerde im Zusammenhang mit dem Familiennachzugsgesuch vom 9. Oktober 2014 gut und wies die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts (DNA-Test für Abstammungsnachweis) und neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurück (Urteil 2C_504/2018). Auf die gegen dessen Urteil vom 1. Februar 2021 eingereichte Beschwerde trat es - wegen der Volljährigkeit von A.________ und eines fehlenden Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Mutter und Sohn - am 26. Juli 2021 nicht ein (Urteil 2C_223/2021). In diesem Zusammenhang ist ein Verfahren beim EGMR hängig (Nr. 44249/21).
B.
B.a. A.________ (bzw. die C.________ AG) bemühte sich ab dem 28. Mai 2019 (während des noch hängigen Nachzugsverfahrens) um die Ausstellung einer eigenständigen (Härtefall-) Bewilligung für seine berufliche Grundbildung (vgl. Art. 30a der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]). Das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau wies das Gesuch am 14. November 2019 und die Einsprache hiergegen am 20. Januar 2021 ab (kein Besuch der obligatorischen Schule während 5 Jahren; keine hinreichende Offenlegung der Identität; mangelnde Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung [illegaler Aufenthalt nach Volljährigkeit; Besuch von Praktika ohne Bewilligung]).
B.b. Der Instruktionsrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Aargau gestattete A.________ am 30. Juni 2021 provisorisch, eine Lehrstelle als Logistiker EBA bei der Firma D.________ AG per 1. August 2021 anzutreten. Am 22. November 2021 bestätigte das Verwaltungsgericht den negativen Einspracheentscheid des Amtes für Migration und Integration vom 20. Januar 2021. Es befand, dass A.________ weder die Voraussetzungen für die Bewilligung für die berufliche Grundbildung (Art. 30a VZAE) noch jene für einen allgemeinen schwerwiegenden persönlichen Härtefall erfülle (Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG i.V.m. Art. 31 VZAE). Auf Art. 8 EMRK (Schutz des Privatlebens) könne er sich nicht berufen, da er sich noch keine zehn Jahre in der Schweiz aufhalte und sein Aufenthalt nicht als rechtmässig im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten könne.
C.
A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. eventuell mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau aufzuheben und das Amt für Migration und Integration anzuweisen, sein Härtefallgesuch vom 28. Mai 2019 zu bewilligen bzw. dem Staatssekretariat für Migration (SEM) zur Zustimmung zu unterbreiten; eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Amt für Migration und Integration sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) beantragt, weder auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten noch auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde einzutreten bzw. sie allenfalls abzuweisen. A.________ hat im weiteren Verfahren an seinen Anträgen und Ausführungen festgehalten und auf seine guten Leistungen im Lehrbetrieb und an der Berufsschule hingewiesen.
Die Abteilungspräsidentin hat der Beschwerde am 5. Januar 2022 aufschiebende Wirkung beigelegt.
Erwägungen:
1.
Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Bewilligungen ausgeschlossen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Ein solcher muss im Rahmen des Eintretens in vertretbarer Weise geltend gemacht werden können (BGE 139 I 330 E. 1.1; 136 II 177 E. 1.1).
2.
Zur Ermöglichung einer beruflichen Grundbildung
ka
nn Personen mit rechtswidrigem Aufenthalt für die Dauer der Ausbildung in Abweichung von den allgemeinen Zulassungsvorschriften unter gewissen Voraussetzungen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden (Art. 30a VZAE). Hierbei handelt es sich nach dem (1) Wortlaut ("Kann"-Bestimmung), den (2) Materialien (EJPD, Erläuternder Bericht, Anpassung der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE] aufgrund der Umsetzung der Motion Barthassat [08.3616] "Jugendlichen ohne gesetzlichen Status eine Berufslehre ermöglichen" vom 6. Juli 2012 Ziff. 2.4 [S. 4], 4.1 [S. 7] und 4.2 [S. 8]; AB 2010 S 792 f. [Votum von Bundesrätin Widmer-Schlumpf]; SEM, Weisungen AIG, Stand 1. März 2022, Ziff. 5.6.11 [in fine]), (3) der Rechtsprechung (vgl. die Urteile 2D_33/2021 vom 30. September 2021 E. 5.2 und 2C_948/2014 vom 9. Februar 2015 E. 4.2; BGE 147 I 89 E. 1.1.2 [zu Art. 27 AIG]; 138 II 393 E. 3.1 [zu Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG]) und der (4) Doktrin (BOLZLI/RUDIN/GRETLER, Migrationsrecht, 2022, 8.39 ff.; UEBERSAX/PETRY/HRUSCHKA/FREI/ERRASS, Migrationsrecht [in a nutshell], 2021, S. 102 ff.; ALEXANDRA BÜCHLER, in: SFH [Hrsg.], Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren, 3. Aufl. 2021, S. 597 f.; SPESCHA/BOLZLI/DE WECK/PRIULI, Handbuch zum Migrationsrecht, 4. Aufl. 2020, S. 311 f.; CARONI/SCHEIBER/PREISIG/ZOETEWEIJ, Migrationsrecht, 4. Aufl. 2018, S. 528 f. [S. 529 in fine]; PETER UEBERSAX, in: Amarelle/Nguyen, Code annoté de droit des migrations, Volume IV: Loi sur l'asile [LAsi], 2015, N. 40 ff., 42 ad art. 14 LAsi; ROSWITHA PETRY, La situation juridique des migrants sans statut légal, 2013, S. 287 1. Abschnitt) um eine
Ermessens bewilligung im Rahmen von Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG (vgl. auch MARC SPESCHA, in: Spescha/Zünd/Bolzli/Hruschka/de Weck [Hrsg.], 5. Aufl. 2019, N. 5 ff. [insbesondere N. 7] zu Art. 30 AIG; Urteil 2C_564/2021 vom 3. Mai 2022 E. 1.1). Es besteht auch bei Erfüllen sämtlicher Voraussetzungen von Art. 30a VZAE (berufliche Grundbildung) - obwohl diese enger umschrieben sind als jene von Art. 31 VZAE (allgemeiner Härtefall) - kein Anspruch darauf, dass die zuständige kantonale Behörde die entsprechende Bewilligung in Aussicht stellt und das Staatssekretariat für Migration um Zustimmung zu dieser ersucht (vgl. auch BUNDESRAT, Gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers, Dezember 2020, S. 24 ff. u. S. 100 [Stellungnahme Plattform "Sans-Papiers"]).
3.
Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Beschwerdeführer angerufenen
Recht auf Bildung:
3.1. Unabhängig vom Aufenthaltsstatus sieht die Bundesverfassung für alle Kinder einen Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht vor ( Art. 19 und 62 BV ). Dieser ist für sie diskriminierungsfrei gewährleistet und obligatorisch, auch wenn sie in der Schweiz über kein Anwesenheitsrecht verfügen (vgl. BUNDESRAT, a.a.O., S. 8; FANNY MATTHEY, in: Martenet/Dubey [Editeurs], Constitution fédérale, 2021, N. 9 ad art. 19 Cst.; GIOVANNI BIAGGINI, BV Kommentar, 2. Aufl. 2017, N. 6 zu Art. 19 BV; JUDITH WYTTENBACH, in: Waldmann/Belser/Epiney [Hrsg.], BSK Bundesverfassung, 2015, N. 4 und 6 zu Art. 19 BV; REGULA KÄGI-DIENER, in: Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender [Hrsg.], SG-Kommentar BV, 3. Aufl. 2014, N. 28 zu Art. 19 BV; PETRY, a.a.O., S. 276 f.; PETER NIDERÖST, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 9.111). Nach Lehre und Rechtsprechung fällt die postobligatorische Ausbildung hingegen nicht in den Geltungsbereich von Art. 19 BV (vgl. PETRY, a.a.O., S. 276; MATTHEY, A.A.O., N. 14 AD ART. 19 CST.; BIAGGINI, a.a.O., N. 8 zu Art. 19 BV; WYTTENBACH, a.a.O., N. 3 und 10 zu Art. 19 BV; STEFANIE SCHMAHL, Kinderrechtskonvention, 2. Aufl. 2017, N. 4 zu Art. 28/29 KRK [in fine]; abweichend: NIDERÖST, a.a.O., N. 9.113; vgl. auch BGE 129 I 35 E. 7.4).
3.2. Auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen (UNO-Pakt I; SR 0.103.1) anerkennt das Recht eines jeden auf Bildung (Art. 13). Dabei geht es zwar nicht nur darum, den Grundschulunterricht für alle obligatorisch und unentgeltlich zugänglich zu machen (Art. 13 Abs. 2 lit. a), sondern auch einen diskriminierungsfreien Zugang zu weiterführenden Schulen, einschliesslich des höheren Fach- und Berufsschulwesens (Art. 13 Abs. 2 lit. b) sowie zum Hochschulunterricht (Art. 13 Abs. 2 lit. c), zu gewährleisten. Nach der bundesgerichtlichen Praxis sind Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c des UNO-Pakt I jedoch nicht direkt anwendbar: Es lässt sich daraus kein subjektives Recht auf eine Ausbildung auf der Sekundärstufe oder auf eine Hochschulbildung und - jeweils damit verbunden - auf eine Anwesenheitsberechtigung ableiten (vgl. BGE 136 I 290 E. 2.3.1; 135 I 161 E. 2.2; 126 I 240 E. 2 u. 3; 120 Ia 1 E. 5c; Urteil 2D_13/2017 vom 27. März 2017 E. 3.2; PETRY, a.a.O., S. 276 und 283). Dasselbe gilt für den inhaltlich mit Art. 13 UNO-Pakt I weitgehend identischen Art. 28 KRK (Abs. 1 lit. b und c; vgl. PETRY, a.a.O., S. 276; AB 2010 S 792 [Votum von Bundesrätin Widmer-Schlumpf]).
3.3. Der Schulbesuch von unbewilligt anwesenden Kindern führt weder für diese noch für deren Eltern zu einer Regularisierung ihrer ausländerrechtlichen Situation. Es besteht grundsätzlich auch kein Recht darauf, eine Ausbildung in der Schweiz abschliessen zu können (PETRY, a.a.O., S. 279). Der Besuch postobligatorischer Ausbildungen (Gymnasium, Universität usw.) knüpft in der Regel nicht an das Vorliegen einer Aufenthaltsbewilligung an; anders die berufliche Grundbildung: Dazu ist eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung erforderlich, weil damit der
Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden ist (vgl. Art. 11 AIG und Art. 1a Abs. 2 VZAE; vgl. PETRY, a.a.O., S. 282). Hierin liegt ein sachlicher, nicht diskriminierender Unterschied zwischen der postobligatorischen Weiterbildung ohne Erwerbstätigkeit einerseits und der beruflichen Grundausbildung als Erwerbstätigkeit andererseits (vgl. PETRY, a.a.O., S. 283 ff.; vgl. zur Diskriminierungsproblematik: Urteile 2C_185/2019 vom 4. März 2021 E. 5.2 u. 2C_52/2022 vom 15. Februar 2022 E. 2.1.3; BGE 147 I 89 E. 1.1.4, 2.1 und 2.2 [Studienbewilligung]).
3.4. Ausschlaggebend ist der Zeitpunkt des Zugangs zum Arbeitsmarkt; dieser zieht die Bewilligungspflicht unabhängig davon nach sich, welcher Bildungsweg eingeschlagen wurde, weshalb - entgegen der Kritik des Beschwerdeführers - keine Diskriminierung bzw. rechtsungleiche Behandlung zwischen dem akademischen Bildungsweg und der beruflichen Grundbildung besteht. Spätestens im Zeitpunkt des Zugangs zum Arbeitsmarkt, der je nach Ausbildung früher oder später erfolgt, ist in beiden Fällen hierfür eine ausländerrechtliche Bewilligung erforderlich (vgl. hierzu: AB 2010 S 791 [Votum Egerszegi-Obrist] und 792 [Votum von Bundesrätin Widmer-Schlumpf]). Die Regelung von Art. 30a VZAE trägt diesem Umstand Rechnung und sieht deshalb die Möglichkeit vor, im Rahmen eines
Härtefalls in den Besitz der für die berufliche Grundbildung erforderlichen Aufenthaltsbewilligung zu kommen; sie behandelt damit die Ausbildungswege im dualen Bildungssystem diesbezüglich gleich, ohne dass für illegal anwesende minderjährige ausländische Personen jedoch ein Anspruch auf die Bewilligung nach Art. 30a VZAE besteht, auch wenn ihr illegaler Aufenthalt, der im Wesentlichen von ihren Eltern zu verantworten ist, ihnen meist nicht direkt vorgeworfen werden kann (EJPD, Erläuternder Bericht, a.a.O., Ziff. 2.2 S. 2 [letzter Abschnitt]). Ob diese gesetzliche Regelung befriedigt, hat nicht das Bundesgericht, sondern der Gesetzgeber zu entscheiden (vgl. diesbezüglich die Motion 22.3392 vom 29. April 2022 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats "Erweiterte Härtefallregelung zum Zugang zu beruflichen Ausbildungen" https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20223392., letztmals besucht am 8. August 2022).
4.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verschafft ihm schliesslich auch
Art. 8 EMRK im Rahmen des
Schutzes seines Privatlebens keinen Bewilligungsanspruch:
4.1. Art. 8 EMRK gibt praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt oder auf einen Aufenthaltstitel. Er hindert die Konventionsstaaten nicht daran, die Zuwanderung und Anwesenheit in ihrem Staatsgebiet zu regeln und den Aufenthalt ausländischer Personen unter Beachtung überwiegender Interessen des Familien- und Privatlebens gegebenenfalls auch wieder zu beenden (BGE 144 I 266 E. 3.2; 144 II 1 E. 6.1, je mit Hinweisen; vgl. auch GRABENWARTER/PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 7. Aufl. 2021, § 22 Rz. 76 u. 79 mit Hinweisen; MEYER-LADEWIG/NETTESHEIM, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer [Hrsg.], Handkommentar EMRK, 4. Aufl. 2017, Rz. 76 ff. zu Art. 8 EMRK). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann im Hinblick auf das Privatleben nach einer
rechtmässigen Aufenthaltsdauer von rund zehn Jahren regelmässig davon ausgegangen werden, dass die sozialen Beziehungen in der Schweiz so eng geworden sind, dass es für eine Aufenthaltsbeendigung besonderer Gründe bedarf; im Einzelfall kann es sich freilich anders verhalten und die Integration zu wünschen übrig lassen. Es kann aber auch sein, dass schon zu einem früheren Zeitpunkt der Anspruch auf Achtung des Privatlebens betroffen ist. Liegt nach einer längeren
bewilligten Aufenthaltsdauer, die zehn Jahre noch nicht erreicht hat, eine besonders ausgeprägte Integration vor, kann es den Anspruch auf Achtung des Privatlebens verletzen, wenn eine Bewilligung nicht erneuert wird (BGE 144 I 266 E. 3.9).
4.2. Der Beschwerdeführer hielt sich zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids erst seit etwas mehr als 6 Jahren in der Schweiz auf, womit er die Voraussetzung einer Anwesenheit von 10 Jahren nicht erfüllt. Sein Aufenthalt war durch die Behörden nie bewilligt, sondern jeweils nur geduldet. Seine Anwesenheit kann nicht als rechtmässig im Sinne der Rechtsprechung von BGE 144 I 266 ff. gelten, selbst wenn ihm der illegale Aufenthalt allenfalls erst ab seiner Volljährigkeit vorgeworfen werden könnte. Es ist nicht ersichtlich und nicht hinreichend dargetan, dass der Beschwerdeführer sich hier während eines hinreichend langen, bewilligten Aufenthalts überdurchschnittlich und besonders gut integriert hätte - er im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Bindungen gesellschaftlicher oder beruflicher Natur bzw. vertiefte soziale Beziehungen zum ausserfamiliären oder ausserhäuslichen Bereich unterhalten würde (vgl. MARTINA CARONI, in: Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], SHK Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG], 2010, Rz. 56 Vorb. Art. 42-52; Urteil 2C_528/2021 vom 23. Juni 2022 E. 4, zur Publikation vorgesehen). Sein Einsatz an der Lehrstelle und in der Schule genügen für sich allein hierzu nicht. Die Rechtsprechung von BGE 144 I 266 ff. bezieht sich im Übrigen auf Fallkonstellationen, in denen es um die Beendigung bzw. Nichtverlängerung eines Aufenthaltsrechts geht, nicht aber - wie hier - um dessen erstmalige Begründung (Urteil 2C_141/2021 vom 13. April 2021 E. 2.4 mit zahlreichen Hinweisen).
4.3.
4.3.1. Nichts anderes ergibt sich - entgegen den Einwänden des Beschwerdeführers - im vorliegenden Zusammenhang aus der Rechtsprechung des EGMR, wonach gestützt auf Art. 8 EMRK eine
positive staatliche Leistungspflicht in dem Sinn bestehen kann, dass der ausländerrechtliche Status einer illegal oder in einem prekären Rechtsverhältnis anwesenden ausländischen Person ausnahmsweise regularisiert werden muss bzw. die Anrufung des Schutzes des Privatlebens unabhängig von der Natur des Aufenthaltsrechts und auch bei illegalem Aufenthalt möglich ist (vgl. EGMR-Urteile
Rodriquez da Silva/Hoogkammer
gegen Niederlande vom 31. Januar 2006 [Nr. 50435/99] § 38; NUNEZ GEGEN NORWEGEN vom 28. Juni 2011 [Nr. 55597/09] § 67 und
Polidario gegen Schweiz vom 30. Juli 2013 [Nr. 33169/10] § 77; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 3. Aufl. 2020, Rz. 655; MEYER-LADEWIG/NETTESHEIM, a.a.O., Rz. 85 f. zu Art. 8 EMRK; BESSON/KLEBER, in: Nguyen/Amarelle [Editeurs], Code annoté de droit des migrations, Vol. I: Droits humains, 2014, N. 22 ad art. 8 CEDH; CARONI, a.a.O., Rz. 52 Vorb. Art. 42-52; STEPHANIE MOTZ, Das Recht auf Familienleben von vorläufig aufgenommenen Personen, in: Asyl 4/2014 S. 18 ff., dort S. 21 ff.).
4.3.2. Auch das Bundesgericht schliesst eine solche Pflicht im Rahmen von Art. 8 EMRK nicht grundsätzlich aus: Es hat gestützt auf die konventionsrechtlichen Vorgaben jüngst einen Regularisierungsanspruch gestützt auf Art. 8 EMRK (Privatleben) im Fall einer über Jahre hinweg vorläufig aufgenommenen Person bezüglich der Erteilung einer (ordentlichen) Aufenthaltsbewilligung bejaht, weil nicht absehbar war, dass die vorläufige Aufnahme künftig dahinfallen könnte (BGE 147 I 268 E.1.2.4 - 1.2.7). Es verneinte den Regularisierungsanspruch indessen in der Sache selber, da ein "allfälliger Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens gerechtfertigt" erschien (BGE 147 I 268 E. 5; vgl. zum "faktisch" gefestigten Anwesenheitsrecht: BGE 130 II 281 E. 3.2.2; 126 II 335 E. 2b/cc).
4.3.3. Der Beschwerdeführer verfügt - auch wenn eine illegale Anwesenheit einem Anspruch aus Art. 8 EMRK nach dem Gesagten nicht zwingenderweise entgegenstehen muss - über keinen Anspruch darauf, dass seine Situation regularisiert wird (vgl. GRABENWARTER/PABEL, a.a.O., § 22 Rz. 79). Diese kann nicht mit jenen Fällen verglichen werden, in denen ein entsprechender Anspruch in der neueren Rechtsprechung teilweise bejaht wurde: Der Beschwerdeführer ist im Gegensatz zur Ausgangslage in BGE 147 I 268 ff. hier nicht vorläufig aufgenommen worden, sondern hält sich bewilligungslos im Land auf. Er befindet sich noch nicht lange genug in der Schweiz, um von einer gefestigten faktischen Anwesenheit sprechen zu können (vgl. hierzu BGE 130 II 281 E. 3.2.2). Das EGMR-Urteil
Keita betraf einen staatenlosen Gesuchsteller, der, nachdem der Wegweisungsvollzug ausgesetzt worden war, in Ungarn über 15 Jahre keine Möglichkeit hatte, seinen Aufenthaltsstatus regularisieren zu lassen (Urteil
Keita gegen Ungarn vom 12. Mai 2020 [Nr. 42321/15] § 36).
4.3.4. Ausländer müssen sich den ausländerrechtlichen Kontrollen und Verfahren unterziehen und haben grundsätzlich das Land zu verlassen, wenn sie durch einen rechtskräftigen Entscheid dazu verpflichtet worden sind (BGE 144 II 16 E. 4.7.2; Nichtzulassungsentscheid des EGMR i.S.
Danelyan gegen Schweiz [Nr. 76424/14 und 76435/14] vom 29. Mai 2018 § 27; Urteil 2C_663/2020 vom 2. März 2021 E. 3.6 mit Hinweisen). Anders zu entscheiden, hiesse jene Personen, die sich über rechtskräftige Entscheide hinwegsetzen gegenüber denjenigen zu bevorzugen, die sich an die behördlichen Vorgaben halten, was rechtsstaatlich bedenklich wäre (so die Urteile 2C_1062/2020 vom 25. März 2021 E. 1.2.3; 2C_663/2020 vom 2. März 2021 E. 3.6; 2C_862/2018 vom 15. Januar 2019 E. 3.3 und 2C_969/2017 vom 2. Juli 2018 E. 3.5, je mit Hinweisen).
5.
Der Beschwerdeführer kann sich nach dem Gesagten für seine berufliche Grundbildung nicht in vertretbarer Weise auf einen Rechtsanspruch auf die von ihm beantragte (Härtefall-) Bewilligung berufen; auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist deshalb nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer erhebt für diesen Fall eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Diese erweist sich indessen ebenfalls als unzulässig:
5.1. Bei der Zulassung in Anwendung von Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG (Härtefall) bzw. Art. 30a VZAE geht es - wie bereits dargelegt - um eine
Ermessens bewilligung, auf deren Erteilung kein Anspruch besteht (Urteil 2C_564/2021 vom 3. Mai 2022 E. 1.1 mit Hinweisen). Ein solcher - und damit ein rechtlich geschütztes Interesse - kann grundsätzlich weder aus dem Willkürverbot, dem Rechtsgleichheitsgebot noch dem Verhältnismässigkeitsprinzip oder dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet werden (vgl. Art. 115 BGG; BGE 137 II 305 E. 2; 134 I 153 E. 4; 133 I 185 E. 6.2; Urteile 2C_682/2021 vom 3. November 2021 E. 1.2.3 und 2C_661/2016 vom 9. November 2016 E. 1.2 mit Hinweisen). Diesbezüglich sind (im Rahmen einer subsidiären Verfassungsbeschwerde) ausschliesslich Rügen betreffend verfahrensrechtliche Punkte zulässig, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen kann ("Star"-Praxis; BGE 137 II 305 E. 2 u. 4).
5.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Regelung in Art. 30a VZAE sei diskriminierend und willkürlich. Die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er die obligatorische Schule nicht während mindestens fünf Jahren ununterbrochen in der Schweiz besucht habe; sie habe die von ihm ohne Erwerbstätigkeit erfolgten Brückenangebote in willkürlicher Weise nicht berücksichtigt und seiner überdurchschnittlichen Integration bzw. seinem grossen privaten Interesse, die berufliche Grundbildung in der Schweiz geniessen zu können, keine Rechnung getragen und die verschiedenen Interessen nicht richtig gegeneinander abgewogen. Sie habe Art. 30a VZAE qualifiziert falsch ausgelegt. Der Beschwerdeführer sieht hierin (teilweise) eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 BV).
5.3. Die entsprechenden Rügen sind nicht geeignet, eine formelle Rechtsverweigerung darzutun; im Übrigen lassen sie sich nicht von der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen: Im Rahmen der "Star"-Praxis sind Vorbringen unzulässig, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen, wie die Behauptung, die Begründung sei unvollständig oder zu wenig differenziert bzw. die Vorinstanz habe sich nicht oder in willkürlicher Weise mit den Argumenten der Partei auseinandergesetzt und Beweisanträge in offensichtlich unhaltbarer antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt oder eine Bestimmung fehlerhaft ausgelegt oder falsch verstanden (vgl. BGE 137 II 305 E. 2; 133 I 185 E. 6.2; 114 Ia 307 E. 3c; Urteil 2C_223/2021 vom 26. Juli 2021 E. 2.2). Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist mangels des für diese erforderlichen rechtlich geschützten Interesses (Art. 115 lit. b BGG) nicht einzutreten.
6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend würde der unterliegende Beschwerdeführer damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist jedoch seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu entsprechen: Er ist bedürftig; seine Beschwerde hat zudem Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen und konnte nicht als von vornherein aussichtslos gelten (Art. 64 Abs. 1 BGG). Es sind deshalb keine Kosten zu erheben und der Beschwerdeführer ist wegen der Komplexität der aufgeworfenen Fragen antragsgemäss zu verbeiständen (Art. 64 Abs. 2 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
1.1. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten.
1.2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2.
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
2.2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
2.3. Dem Beschwerdeführer wird Advokat Guido Ehrler, Basel, als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben und diesem aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- zugesprochen.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration (SEM) mitgeteilt.
Lausanne, 17. August 2022
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar