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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_468/2018  
 
 
Urteil vom 17. September 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Gerichtsschreiberin Mayhall. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons St. Gallen, 
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen.  
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. April 2018 (B 2017/161). 
 
 
1.  
A.________ (Jahrgang 1990) ist serbischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20. Mai 2001 im Rahmen des Familiennachzuges in die Schweiz ein und verfügt über eine Niederlassungsbewilligung. A.________ wurde wie folgt strafrechtlich verurteilt: 
 
- Mit Strafverfügung vom 10. August 2009 des Verhöramtes Appenzell Ausserrhoden wegen einfacher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen, bedingt auf zwei Jahre Probezeit und einer Busse von Fr. 300.--; 
- Mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes St. Gallen vom 18. Januar 2010 wegen Verletzung der Verkehrsregeln, grober Verletzung der Verkehrsregeln, Entwendung zum Gebrauch sowie Fahrens ohne Führerausweis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen, bedingt auf zwei Jahre Probezeit und einer Busse von Fr. 900.--; 
- Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden vom 15. August 2011 wegen Ungehorsams im Betreibungsverfahren zu einer Busse von Fr. 300.--; 
- Mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes St. Gallen vom 7. November 2011 wegen Diebstahls zu einer unbedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen; 
- Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden vom 26. März 2012 wegen mehrfachen Fahrens ohne Führerausweis sowie mehrfachem Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Busse von Fr. 1'000.--; 
- Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden vom 4. Juni 2012 wegen Nichtabgebens des Führerausweises trotz behördlicher Aufforderung zu einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen, bedingt auf zwei Jahre Probezeit und einer Busse von Fr. 150.--; 
- Mit Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 16. Februar 2015 wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 18 Monate bedingt auf drei Jahre Probezeit; 
- Mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Altstätten vom 17. Februar 2015 wegen Förderung der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthaltes zu 40 Tagessätzen, bedingt auf drei Jahre Probezeit und einer Busse von Fr. 400.--; 
- In teilweisem Zusatz zum Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 4. Juni 2012, zum Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 16. Februar 2015 und zum Urteil des Untersuchungsamtes Altstätten vom 17. Februar 2015 verurteilte das Untersuchungsamt Gossau A.________ mit Strafbefehl vom 20. Oktober 2016 wegen Täuschung im Bereich der Scheinehe gemäss Art. 118 Abs. 2 AuG, Raufhandels gemäss Art. 133 StGB, des Ungehorsams des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahrens gemäss Art. 323 StGB sowie des mehrfachen Führens eines Motorfahrzeugs mit abgelaufenem Führerausweis auf Probe gemäss Art. 95 Abs. 2 SVG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten. 
Das Migrationsamt des Kantons St. Gallen widerrief mit Verfügung vom 14. Februar 2017 die Niederlassungsbewilligung von A.________. Mit Entscheid vom 7. Juli 2017 wies das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen den von A.________ gegen die Verfügung vom 14. Februar 2017 erhobenen Rekurs ab. Mit Entscheid vom 21. April 2018 wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen die von A.________ gegen den Entscheid vom 7. Juli 2017 erhobene Beschwerde ebenfalls ab. Mit Beschwerde vom 28. Mai 2018 an das Bundesgericht beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. April 2018 sei aufzuheben, und die Angelegenheit sei an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um die Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege. Das Bundesgericht hat die Vorakten eingeholt, jedoch weder Vernehmlassungen eingeholt noch einen Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
2.  
Die Beschwerde vom 28. Mai 2018 gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers ist zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4), aber offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abgewiesen wird.  
 
2.1. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG in Verbindung mit Art. 63 Abs. 2 AuG kann die Niederlassungsbewilligung auch nach einer Aufenthaltsdauer von fünfzehn Jahren widerrufen werden, wenn der Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Als längerfristig gilt nach der gefestigten Rechtsprechung eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.), wobei mehrere unterjährige Strafen bei der Berechnung nicht kumuliert werden dürfen (BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32). Mit seiner strafrechtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten wegen versuchter räuberischer Erpressung hat der Beschwerdeführer diesen Widerrufsgrund gesetzt, was er in seiner dem Bundesgericht eingereichten Beschwerdeschrift nicht in Frage stellt.  
 
2.2. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss zudem verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AuG). Massgebliche Kriterien sind die Schwere des Delikts, wobei besonders ins Gewicht fällt, ob diese Taten als Jugendlicher oder als Erwachsener begangen wurden und ob es sich dabei um Gewaltdelikte handelte, das Verschulden des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum und das Verhalten des Betroffenen während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Heimatstaat, die Dauer der bisherigen Anwesenheit, die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile, insbesondere unter gesundheitlichen Aspekten, sowie die mit der aufenthaltsbeendenden Massnahme verbundene Dauer der Fernhaltung (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19, E. 2.2.2 S. 20; 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33, E. 2.3.3 S. 34 f.). Generalpräventive Gesichtspunkte dürfen berücksichtigt werden, sofern die ausländische Person vom Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) ausgenommen ist (BGE 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 3.4.1 S. 183; je zum FZA). Die Prüfung der Verhältnismässigkeit der staatlichen Anordnung des Widerrufs (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AuG) entspricht inhaltlich jener, welche bei eröffnetem Schutzbereich für die rechtmässige Einschränkung der konventionsrechtlichen Garantie gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorausgesetzt wird (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19, E. 2.2.2 S. 20; 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33, E. 2.3.3 S. 34 f.). Insbesondere bei Gewaltdelikten vermag das öffentliche Interesse an einer Ausreise des Straftäters, je nach Gewichtung der übrigen, ebenfalls bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Elemente, dessen privates Interesse an einem Verbleib im Aufnahmestaat zu überwiegen. Selbst eine einmalige Straftat kann eine aufenthaltsbeendende Massnahme rechtfertigen, wenn die Rechtsgutsverletzung schwer wiegt (Urteile 2C_445/2014 vom 2. Dezember 2014 E. 2.5; 2C_547/2011 vom 28. November 2011 E. 5; ebenso die Rechtsprechung des EGMR, vgl. dazu die Urteile  Üner gegen Niederlande vom 18. Oktober 2006 [Nr. 46410/99], §§ 63-65;  Bouchelkia gegen Frankreich vom 29. Januar 1997 [Nr. 23078/93] § 51 f.).  
 
2.3. Der Beschwerdeführer rügt, die aufenthaltsbeendende Massnahme sei nicht verhältnismässig. Zu Unrecht: Gemäss dem angefochtenen Urteil wurde im Strafverfahren, welches zu seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten führte, festgehalten, der Beschwerdeführer sei anlässlich der Tat am 19. Oktober 2012 rabiat und hemmungslos vorgegangen. Bevor er das Opfer überhaupt zur Zahlung einer Geldsumme aufgefordert habe, habe der maskierte Beschwerdeführer das Opfer ohne Vorwarnung mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen, bis die Knochen gesplittert hätten. Das Opfer habe denn auch einen dreifachen Augenhöhlenbruch, eine gebrochene Nase sowie diverse Prellungen und Hämatome erlitten, wobei die Tat ausschliesslich finanziell motiviert gewesen sei. Erschwerend komme hinzu, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben noch weitere Delikte zwecks Geldeintreibung geplant hatte. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist die Vorinstanz somit zutreffend davon ausgegangen, dass sein ausländerrechtliches Verschulden ungeachtet dessen, dass er zum Tatzeitpunkt noch als junger Erwachsener galt, sehr schwer wiegt, und es sich beim begangenen Delikt um ein Gewaltdelikt handelt. Das Gewaltdelikt der versuchten räuberischen Erpressung begründet zusammen mit den weiteren Delikten, für welche der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt wurde, ein hohes öffentliches Interesse an seiner Ausreise aus der Schweiz. Dieses öffentliche Interesse an seiner Ausreise wird dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer während des hängigen Strafverfahrens am 22. März 2015 sich als Unbeteiligter mehrmals in einen Streit einmischte und mit seinem Verhalten eine grössere Ausschreitung provozierte, anlässlich welcher mehrere Personen verletzt wurden, Vorladungen vom 29. September 2015 sowie vom 23. Oktober 2015 des Betreibungsamtes Appenzell Ausserrhoden nicht nachkam und am 8. Juni 2016 trotz abgelaufenen Führerausweises auf Probe ein Fahrzeug führte, weshalb er im Sinne einer Gesamtstrafe auch für eine im Jahr 2012 eingegangene Scheinehe mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Gossau vom 20. Oktober 2016 wegen Raufhandels, Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen, Ungehorsams des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren sowie mehrfachen Führens eines Motorfahrzeugs mit abgelaufenem Führerausweis auf Probe nochmals zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde. Zwischen dem 29. August 2016 und dem 3. August 2017 befand sich der Beschwerdeführer im Strafvollzug, wobei er während eines Hafturlaubs am 16. April 2017 in angetrunkenem Zustand einen Personenwagen lenkte, wofür er durch das Untersuchungsamt Altstätten rechtskräftig verurteilt wurde.  
Ungeachtet der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach Entlassung aus dem Strafvollzug am 4. August 2017 eine Arbeitsstelle gefunden hat und seine Lehre zu beenden gedenkt, ist ein deliktsfreier Zeitraum seit Begehung der versuchten räuberischen Erpressung am 19. Oktober 2012 nicht auszumachen und ein Wohlverhalten unter dem Druck der bis ins Jahr 2019 verlängerten Probezeit zu erwarten, weshalb ein solches praxisgemäss nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden kann (Urteil 2C_953/2013 vom 16. September 2014 E. 3.2.1). Gemäss dem angefochtenen Urteil, das auch in diesem Punkt unbestritten geblieben ist, liegen gegen den Beschwerdeführer offene Verlustscheine im Gesamtbetrag von Fr. 35'927.55 und offene Betreibungen im Gesamtbetrag von Fr. 106'916.60 vor. Von einer bestens verlaufenden Integration in der Schweiz, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, kann auch angesichts der langen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers, der mit elf Jahren in die Schweiz eingereist ist, keine Rede sein. 
Eine Rückkehr nach und eine Integration in Serbien sind dem erwachsenen, kinderlosen und unverheirateten Beschwerdeführer, der nicht bestreitet, Serbisch als Muttersprache zu sprechen und mit der serbischen Kultur vertraut zu sein, zumutbar. Die Vorinstanz, auf deren Urteil verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG), hat die gewichtigen öffentlichen Interessen an einer Ausreise des Beschwerdeführers aus der Schweiz zutreffend gegenüber seinen privaten an einem weiteren Verbleib in der Schweiz abgewogen. Die aufenthaltsbeendende Massnahme beruht auf einer gesetzlichen Grundlage (oben, E. 2.1) und ist in einer demokratischen Gesellschaft zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen erforderlich, weshalb sie sich als verhältnismässig und rechtmässig erweist. 
 
2.4. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht gutgeheissen werden (Art. 64 Abs. 1 e contrario BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. September 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Zünd 
 
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall