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«AZA 1/2» 
4C.154/1999/rnd 
 
 
I. Z I V I L A B T E I L U N G 
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17. Oktober 2000 
 
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident, Klett, Nyffeler und Gerichtsschreiberin Zähner. 
 
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In Sachen 
 
 
M.C. International AG, Postfach, FL-9490 Vaduz, Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Stäubli, Münstergasse 2, Postfach 4081, 8022 Zürich, 
 
 
gegen 
 
 
UBS AG, mit Sitz in Zürich und Basel, Postfach, 8098 Zürich, Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Gerster, Dreikönigstrasse 7, Postfach, 8022 Zürich, 
 
 
 
betreffend 
Bankgarantie; Vertragsschluss, 
 
 
hat sich ergeben: 
 
 
A.- Die M.C. International AG (Klägerin) ist eine liechtensteinische Aktiengesellschaft mit Sitz in Vaduz, die sich international als Ingenieur- und Baufirma betätigt, namentlich auf dem Gebiet der Rohrverlegung. Ihr Verwaltungsratspräsident und einziger Aktionär ist Mahmoud el Moghazi. Seit 1983 unterhielt die Klägerin mit der zürcherischen Niederlassung der heutigen UBS (Beklagte) eine Bankbeziehung. Die Beklagte hatte der Klägerin sowohl einen Kredit- als auch einen Kautionsrahmen zur Verfügung gestellt für Garantien, welche die Klägerin für die Offerteinreichung in Verfahren betreffend Vergabe von Bauprojekten benötigte. Die Verhandlungen wurden für die Klägerin durch Mahmoud el Moghazi und für die Beklagte von deren Vizedirektor Schweizer geführt. 
 
Im Zusammenhang mit der Vergabe eines Bauprojektes in Ägypten kam es zwischen den Parteien zu verschiedenen Kontakten. Am 22. November 1990 wandte sich die Klägerin schriftlich an die Beklagte mit dem Begehren um eine Bietungsgarantie. Die Beklagte teilte ihr umgehend telefonisch mit, dass die beantragte Garantie nicht erteilt werden könne. Auf erneutes Ersuchen der Klägerin wurde die Garantie schliesslich am 18. Januar 1991 erteilt. Die Klägerin hatte im Zusammenhang mit dem in Ägypten ausgeschriebenen Projekt für die Kanalisation der Stadt Alexandria eine Bankgarantie benötigt. Sie hatte sich im Frühjahr 1990 als alleinige Subkontraktorin der Firma "Tidewater Construction Corporation" angeschlossen, die ihrerseits von der Bauherrin in der Vorqualifikation in die engere Auswahl als Hauptkontraktorin gezogen worden war. Nach Darstellung der Klägerin wurden die Arbeiten wegen Verweigerung der am 22. November 1990 geforderten Garantie anderweitig vergeben. 
 
 
B.- Mit Eingabe vom 1. Oktober 1993 verlangte die Klägerin beim Bezirksgericht Zürich, die Beklagte sei unter Vorbehalt der Nachklage zur Bezahlung von CHF 7'900'000.-- nebst Aufwendungen zu verurteilen. Sie begründete ihre Forderung im Wesentlichen damit, die am 22. November 1990 schliesslich verweigerte Garantie sei ihr von der Beklagten bereits im Sommer 1990 zugesichert worden. Durch dieses Verhalten der Beklagten seien ihr nutzlos gewordene Projektierungskosten erwachsen und Gewinn entgangen, deren teilweisen Ersatz sie mit der vorliegenden Klage fordere. 
 
Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage mit Urteil vom 21. August 1996 ab. Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin Berufung an das Obergericht. 
 
Das Obergericht trat auf die Berufung mit Entscheid vom 9. September 1997 nicht ein. Dieser Nichteintretensentscheid wurde in der Folge vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 2. Januar 1999 aufgehoben. Mit Beschluss und Urteil vom 9. März 1999 trat das Obergericht auf das vor zweiter Instanz erhobene Feststellungsbegehren nicht ein und wies im Übrigen die Klage ab. 
 
Das Kassationsgericht wies mit Entscheid vom 23. Juni 2000 eine gegen dieses Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin ab, soweit es darauf eintrat. 
 
 
C.- Mit eidgenössischer Berufung vom 19. April 1999 beantragt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Urteils vom 9. März 1999 und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. 
 
Die Beklagte schliesst in ihrer Antwort auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
 
1.- a) Der Antrag auf Rückweisung der Sache genügt im vorliegenden Fall, da dem angefochtenen Urteil keine hinreichenden Feststellungen entnommen werden können, die es dem Bundesgericht im Falle der Gutheissung der Berufung ermöglichen würden, ein Sachurteil zu fällen (BGE 125 III 412 E. 1 S. 413/4; 106 II 201 E. 1 S. 203). 
 
b) Das Bundesgericht hat seiner Entscheidung im Berufungsverfahren die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zugrunde zu legen, es sei denn, sie beruhten auf einem offensichtlichen Versehen oder seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustandegekommen (Art. 63 OG; BGE 123 III 110 E. 2 S. 111; 115 II 484 E. 2a S. 485/6). Eine blosse Kritik an der Beweiswürdigung des Sachgerichts ist, soweit nicht Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, in der Berufung ausgeschlossen (BGE 120 II 97 E. 2b S. 99; 119 II 380 E. 3b S. 382; 115 II 484 E. 2a S. 486). Die Ausführungen der Klägerin, die sich gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz oder das Beweisergebnis im angefochtenen Entscheid richten, sind unzulässig und zwar auch insoweit, als unter Berufung auf Art. 63 Abs. 2 OG wiederholt sogenannte Aktenwidrigkeit gerügt wird. Die Klägerin verkennt damit die Tragweite der Versehensrüge (BGE 122 III 61 E. 2b S. 63; 104 II 68 E. 3b S. 74). 
 
c) Die Klägerin macht im Weiteren eine Verletzung von Art. 8 ZGB geltend. Diese Bestimmung regelt zunächst die Verteilung der Beweislast. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gewährt Art. 8 ZGB einer Partei als Korrelat zu den Folgen der Beweislosigkeit einen Anspruch auf Beweis. Dieser bundesrechtliche Anspruch besteht allerdings einzig für prozesskonform behauptete und rechtlich erhebliche Beweisvorbringen. Die Beweislastregel des Art. 8 ZGB wird überdies insoweit gegenstandslos, als das kantonale Gericht tatsächliche Schlüsse aus Beweisen oder konkreten Umständen - sei es auch in vorweggenommener Würdigung - zieht (BGE 122 III 219 E. 3c S. 223 mit Verweisen). Da im vorliegenden Fall die kantonale Instanz positive Feststellungen aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens getroffen hat, liegt keine Verletzung des Beweisanspruches vor. Die Rüge der Klägerin ist somit unbegründet. 
 
 
2.- Die Klägerin leitet ihren Schadenersatzanspruch aus der Nichterfüllung bzw. der nicht rechtzeitigen Erfüllung eines vor dem 22. November 1990 abgeschlossenen Vertrages ab, mit dem sich die Beklagte zur Ausstellung einer Bietungsgarantie verpflichtet habe. Die kantonalen Instanzen haben den Abschluss eines entsprechenden Vertrages, den die Vorinstanz zutreffend und unbestritten als Auftrag qualifizierte, nicht als bewiesen erachtet. 
 
a) Ob ein Vertrag zustande gekommen ist, bestimmt sich in erster Linie aufgrund des tatsächlichen Parteiwillens. Das Sachgericht hat somit vorab zu prüfen, ob sich die Parteien tatsächlich übereinstimmend geäussert, verstanden und in diesem Verständnis geeinigt haben. Ob die subjektiven Willensäusserungen der Parteien übereinstimmen und ein tatsächlicher Konsens vorliegt, bildet Ergebnis der Beweiswürdigung und ist der Überprüfung im Berufungsverfahren entzogen (BGE 118 II 365 E. 1 S. 365/6). Haben sich die Parteien dagegen zwar übereinstimmend geäussert, aber abweichend verstanden, liegt ein versteckter Dissens vor. Trotz dessen Vorliegen kommt es nach dem Vertrauensgrundsatz zum Vertragsschluss, wenn eine der Parteien in ihrem Verständnis der Willensäusserung der Gegenpartei zu schützen ist (BGE 123 III 35 E. 2b S. 39/40). Ob ein Vertrag auf diese Weise durch normativen Konsens zustandegekommen ist, prüft das Bundesgericht im Berufungsverfahren als Rechtsfrage frei. Dabei ist es allerdings an die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz zu Art und Umständen der Äusserungen der Parteien gebunden (BGE 125 III 305 E. 2b S. 308; 123 III 165 E. 3a S. 168). 
 
b) Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil zunächst verneint, dass der von der Klägerin behauptete Vertrag ausdrücklich durch übereinstimmende Willenserklärung der Parteien, namentlich durch eine Annahmeerklärung des Vizedirektors Schweizer, zustande gekommen ist. Die Vorinstanz hat in dieser Hinsicht erkannt, dass Schweizer als Kollektivzeichnungsberechtigter nicht befugt war, für die Beklagte eine allfällige Vertragsofferte der Klägerin selber anzunehmen. Zudem gab selbst das Organ der Klägerin als Zeuge zu Protokoll, Schweizer habe nie allein Garantien ausgestellt. Die Vorbringen der Klägerin in der Berufung vermögen an diesen zutreffenden Rechtserörterungen, auf die ohne weiteres verwiesen werden kann, nichts zu ändern. Es kann sich allein fragen, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, wenn sie auch verneinte, dass der geltend gemachte Vertragsschluss mangels sofortiger Ablehnung einer entsprechenden Offerte der Klägerin durch die Beklagte zustande gekommen sei. 
 
c) Nach Art. 395 OR gilt ein nicht sofort abgelehnter Auftrag als angenommen, wenn er sich auf die Besorgung solcher Geschäfte bezieht, die der Beauftragte kraft obrigkeitlicher Bestellung oder gewerbsmässig betreibt oder zu deren Besorgung er sich öffentlich empfohlen hat. Die Vorinstanz hat als unbestritten festgestellt, dass die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 22. November 1990 - formuliert durch deren Schwestergesellschaft Motco AG - sofort abgelehnt hat. Soweit die Klägerin diese Feststellung unter Erweiterung des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts in Frage stellt, sind ihre Vorbringen neu und daher unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Es ist allein zu beurteilen, ob die Vorinstanz bundesrechtskonform erkannt hat, dass die Klägerin für die Zeit vor dem 22. November 1990 keine hinreichende Offerte nachgewiesen hat, welche die Beklagte mangels sofortiger Ablehnung zu binden vermöchte. 
 
d) Als Antrag für einen Vertragsschluss kommt nur eine Erklärung in Betracht, die als Willensäusserung im Sinne von Art. 1 OR zum Abschluss eines Vertrages führen kann. Die Klägerin rügt denn auch den von der Vorinstanz dargestellten und in der Lehre unabhängig von der dogmatischen Konstruktion des Vertragsschlusses unbestrittenen Grundsatz nicht, dass die Offerte dem Annehmenden jedenfalls ermöglichen muss, durch einfache einseitige Erklärung den Vertrag mit einem bestimmten Inhalt zustande zu bringen. 
 
Die Klägerin stellt auch nicht grundsätzlich in 
Frage, dass der Antrag daher alle objektiv und subjektiv wesentlichen Punkte umfassen muss. Wenn sie die Feststellung der Vorinstanz kritisiert, dass Höhe und Dauer der Bietungsgarantie für die Parteien einen subjektiv wesentlichen Vertragspunkt bildeten, so wendet sie sich in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz und ist damit nicht zu hören. 
 
Ist nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz zum subjektiven Parteiwillen jedoch davon auszugehen, dass Höhe und Dauer der Bietungsgarantie zu den wesentlichen Vertragspunkten gehörten, so hatte die Klägerin diese Punkte zum Inhalt ihres Antrags an die Beklagte zu machen. 
 
e) Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil dargelegt, dass die Klägerin bereits im kantonalen Verfahren unterlassen hatte, einen genauen Zeitpunkt für ihre angebliche Offertstellung zu nennen. Das kantonale Gericht hat sodann in Würdigung der Beweise, namentlich der Zeugenaussagen Schweizers und der Zugeständnisse el Moghazis als erstellt angesehen, dass Ende Mai/Anfang Juni 1990 von der Klägerin kein Antrag auf Abschluss eines Garantievertrags gestellt worden ist und es hat insbesondere die Zustellung des sogenannten "Summary of our Quotation" am 15. November 1990 durch die Klägerin in Folge einer Besprechung vom 13. November 1990 nicht als Antrag anerkannt. Die Vorbringen der Klägerin in der Berufung beschränken sich in dieser Hinsicht auf eine blosse Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die sie durch ihre eigene Sachdarstellung ersetzt und ergänzt, ohne dass erkennbar wäre, inwiefern im angefochtenen Urteil auf der Grundlage der tatsächlich getroffenen Feststellungen Bundesrechtsnormen verletzt sein könnten. Namentlich ist der Rechtsschrift nicht zu entnehmen, inwiefern die Vorinstanz die Anforderungen an den Antrag verkannt haben könnte, wenn sie die von der Klägerin am 15. November 1990 nachgelieferten Unterlagen schon deshalb nicht als Antrag ansah, weil die Klägerin selbst die Zustellung dieser Unterlagen nach der verbindlichen Feststellung im angefochtenen Urteil nicht als Offerte verstand. Aufgrund der Feststellungen im angefochtenen Urteil hält der Schluss der Vorinstanz vor Bundesrecht stand, dass die Klägerin der Beklagten vor dem 22. November 1990 keinen Antrag unterbreitet hat, der alle objektiv und subjektiv wesentlichen Punkte enthielt. 
 
f) Die Klägerin vertritt wie schon vor der Vorinstanz die Auffassung, der Vertragsschluss sei "gewachsen" bzw. es habe aufgrund der Geschäftsbeziehungen unter den Parteien keines konkreten Antrags zur Entstehung des Vertrages bedurft. Vielmehr habe sie aufgrund der bisherigen Geschäftsbeziehungen und ihrer Information, die sie der Beklagten über das zu garantierende Projekt im Laufe des Sommers 1990 gegeben habe, auf die Gewährung der Garantie vertrauen dürfen. Entgegen der Auffassung der Klägerin vermag ein allfälliges Vertrauen in das Zustandekommen eines Vertrages den eigentlichen Vertragsschluss im Sinne einer Einigung über alle vertragswesentlichen Punkte nicht zu ersetzen. Dass eine solche Einigung nicht nachgewiesen ist, hat die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrechtsnormen festgestellt. 
 
 
3.- Die ausserordentlich umfangreichen Ausführungen der Klägerin in der Berufungsschrift bestehen nahezu ausschliesslich aus unzulässigen Rügen. Eine Bundesrechtsverletzung (Art. 43 OG) ist nicht dargetan und aufgrund der Feststellungen im angefochtenen Urteil offensichtlich nicht gegeben. Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist, und das angefochtene Urteil ist zu bestätigen. Die Klägerin hat die Gerichtsgebühr zu tragen und der Beklagten eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 156 und 159 OG). Die Gebühr und die Entschädigung bemessen sich nach dem Streitwert. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 9. März 1999 wird bestätigt. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 20'000.-- wird der Klägerin auferlegt. 
 
3.- Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 20'000.-- zu entschädigen. 
 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 17. Oktober 2000 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: