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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_657/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 17. Oktober 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Bachmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
2. X.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung des Strafverfahrens; Drohung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 20. April 2017 (2N 17 11/2U 17 8). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 20. März 2012 kam es im Rahmen eines Nachbarschaftsstreits zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen A.________ und X.________. 
A.________ erstattete gegen X.________ Strafanzeige wegen Drohung, Nötigung und übler Nachrede. A.________ konstituierte sich als Privatkläger und machte eine Genugtuung von Fr. 7'000.-- geltend. 
Am 6. August 2012 stellte die Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern die Strafuntersuchung gegen X.________ ein. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern am 28. Oktober 2015 ab, soweit es darauf eintrat. 
Hiergegen reichte A.________ Beschwerde in Strafsachen ein. Am 17. Januar 2017 hiess das Bundesgericht diese gut. Es hob den Beschluss des Kantonsgerichts auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an dieses zurück. Das Bundesgericht befand, das Kantonsgericht habe seine Kognition in unzulässiger Weise beschränkt und damit das rechtliche Gehör von A.________ verletzt (Urteil 6B_8/2016 vom 17. Januar 2017 E. 2.3). 
Am 20. April 2017 wies das Kantonsgericht die Beschwerde erneut ab, soweit es darauf eintrat (Dispositiv-Ziffer 1). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung wies es ab (Dispositiv-Ziffer 2). 
 
B.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Dispositiv-Ziffern 1 und 2 des Beschlusses des Kantonsgerichts vom 20. April 2017 aufzuheben, sowie weiteren Anträgen. 
 
C.  
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den angefochtenen Beschluss ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. 
Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. 
Der angefochtene Beschluss stellt einen gemäss Art. 90 BGG anfechtbaren Endentscheid dar. 
Ob der Beschwerdeführer gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG zur Beschwerde befugt ist, kann offenbleiben, da diese aus folgenden Erwägungen jedenfalls unbegründet ist. 
 
2.  
 
2.1. Die staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügung wurde dem Beschwerdeführer am 14. August 2012 zugestellt. Am 20. August 2012 erhob er dagegen mit von ihm selbst verfasster Eingabe Beschwerde. Am 12. September 2012, also nach Ablauf der Beschwerdefrist von 10 Tagen (Art. 396 Abs. 1 StPO), beantragte der vom Beschwerdeführer inzwischen beigezogene Verteidiger die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels, da der Beschwerdeführer als Laie bei der Abfassung der Beschwerde vom 20. August 2012 offensichtlich überfordert gewesen sei.  
Die Vorinstanz erwägt, als gesetzliche könne die Frist von 10 Tagen zur Einreichung der Beschwerde weder unterbrochen noch erstreckt werden. Somit sei die vollständig begründete Beschwerde innert dieser Frist der Beschwerdeinstanz einzureichen (Art. 91 StPO). Aus diesem Grund könne einer Partei nach Ablauf der Beschwerdefrist auch kein Recht zugestanden werden, eine ergänzte oder verbesserte Beschwerdeschrift einzureichen. Innert der Beschwerdefrist Versäumtes könne nicht in einem zweiten Schriftenwechsel nachgeholt werden. Da keine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zur Beschwerde eingeholt worden sei, habe auch kein zweiter Schriftenwechsel angeordnet werden können. Die Anträge auf Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels und auf eine ergänzende Begründung der Beschwerde seien daher abzuweisen. 
Die Vorinstanz bemerkt sodann, daran vermöge auch der Einwand nichts zu ändern, sämtliche Instanzen hätten den Wunsch des Beschwerdeführers auf eine anwaltliche Vertretung missachtet. Es stehe im Belieben jeder Person, sich in einer Rechtsangelegenheit an einen Anwalt zu wenden. Dafür brauche es kein Einverständnis einer Amtsstelle. Dass ihm eine Amtsstelle die unentgeltliche Rechtspflege verweigert habe und er deshalb keine (den Anforderungen genügende) Beschwerdeschrift habe einreichen können, mache der Beschwerdeführer aber nicht geltend. Konsequenterweise stelle er denn auch kein Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist (angefochtener Entscheid E. 4.3 S. 4). 
 
2.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz missachte insoweit ihre Fürsorgepflicht. Zudem verfalle sie in überspitzten Formalismus und Willkür. Die vorinstanzlichen Erwägungen verletzten Art. 3 StPO, Art. 393 Abs. 2 StPO und Art. 389 StPO i.V.m. Art. 9 BV (Beschwerde Ziff. 11 S. 10 ff.).  
 
2.3. Der Beschwerdeführer nahm die staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügung, wie gesagt, am 14. August 2012 in Empfang. Diese enthielt eine Rechtsmittelbelehrung (S. 1 Dispositiv-Ziffer 5). Darin wies die Staatsanwaltschaft darauf hin, gegen die Einstellungsverfügung könne Beschwerde erhoben werden. Eine allfällige Beschwerde sei schriftlich und begründet innert 10 Tagen seit Zustellung dieser Verfügung bei der Beschwerdeinstanz am Obergericht des Kantons Luzern (heute: Kantonsgericht) einzureichen. Der Beschwerdeführer wusste somit, was er gegen die Einstellungsverfügung tun konnte. Dabei stand es ihm frei, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, bedurfte es insoweit keiner Zustimmung einer Amtsstelle. Der Beschwerdeführer verfasste die Beschwerde vom 20. August 2012 selbst. Erst nach Ablauf der Beschwerdefrist von 10 Tagen wandte er sich an seinen jetzigen Verteidiger. Wenn er das für die Einreichung der Beschwerde an die Vorinstanz zu spät getan hat, hat er sich das selber zuzuschreiben, wusste er doch aufgrund der erwähnten Rechtsmittelbelehrung, dass er die Beschwerde innert 10 Tagen schriftlich und begründet einreichen musste. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz kann die Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht ergänzt werden. Wenn die Vorinstanz eine solche Ergänzung abgelehnt hat, stellt das keinen überspitzten Formalismus und somit keinen Verstoss gegen Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. a und b StPO dar (vgl. BGE 142 IV 299 E. 1.3.2 S. 305). Erst recht ist keine Willkür (Art. 9 BV) auszumachen. Die Fürsorgepflicht (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO; BGE 131 I 350 E. 4.1 S. 360) erlaubte es der Vorinstanz sodann nicht, dem Beschwerdeführer ein Recht einzuräumen, das ihm nicht zustand. Inwiefern die Vorinstanz mit der Ablehnung der Gewährung einer Nachfrist zur Ergänzung der Beschwerde ihre Prüfungsbefugnis gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO unterschritten haben soll, ist nicht erkennbar.  
Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt demnach unbegründet. 
 
3.  
 
3.1. Nach Ansicht der Vorinstanz scheidet der Tatbestand der üblen Nachrede gemäss Art. 173 StGB aus. In Bezug auf den Tatbestand der Beschimpfung erachtet die Vorinstanz den Strafbefreiungsgrund nach Art. 177 Abs. 2 StGB als gegeben. Sowohl in Bezug auf die üble Nachrede als auch die Beschimpfung wäre nach den Erwägungen der Vorinstanz zudem die Strafverfolgung gemäss Art. 178 Abs. 1 StGB verjährt. Den Tatbestand der Nötigung nach Art. 181 StGB erachtet die Vorinstanz ebenso wenig als erfüllt. Gegen all dies bringt der Beschwerdeführer nichts vor.  
Die Vorinstanz kommt zum Schluss, auch der Tatbestand der Drohung gemäss Art. 180 Abs. 1 StGB scheide aus. Es fehle an einer schweren Drohung, welche den Beschwerdeführer in Schrecken oder Angst versetzt habe. 
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz würdige insoweit einzig die Drohung des Beschwerdegegners, ihn ins Gebüsch zu werfen. Dieser habe jedoch zusätzlich eine Schnittgeste am Hals gemacht, was die Vorinstanz ausser Acht lasse. Damit würdige die Vorinstanz die Akten willkürlich (Art. 389 Abs. 3 StPO i.V.m. Art. 9 BV) und stelle sie den Sachverhalt unvollständig fest (Art. 393 Abs. 2 lit. b StPO). Überdies verletze sie Art. 180 StGB, wenn sie die Schnittgeste am Hals nicht in die Beurteilung der Drohung miteinbeziehe. Darin liege auch ein Begründungsmangel (Beschwerde Ziff. 12 S. 14 ff.). 
 
3.2. Der Beschwerdeführer zitiert lediglich einen Absatz aus den drei Seiten umfassenden Erwägungen der Vorinstanz zum Tatbestand der Drohung (Beschwerde S. 14 Ziff. 12). Es trifft zu, dass die Vorinstanz im vom Beschwerdeführer wiedergegebenen Absatz (angefochtener Entscheid S. 10) die Schnittgeste am Hals nicht ausdrücklich erwähnt. Im folgenden Absatz tut sie dies jedoch. Zudem hält sie am Anfang ihrer Erwägungen zu Art. 180 StGB fest, nach der Einstellungsverfügung sei unbestritten, dass der Beschwerdegegner dem Beschwerdeführer gedroht habe, ihn ins Gebüsch zu werfen, und der Beschwerdegegner eine Schnittgeste am Hals gemacht habe (angefochtener Entscheid S. 8 E. 6.1). Die Vorinstanz hat demnach die Schnittgeste berücksichtigt. Damit ist der Argumentation des Beschwerdeführers die Grundlage entzogen. Die Vorinstanz begründet hinreichend, weshalb sie in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft eine  schwere Drohung, die den Beschwerdeführer in Schrecken oder Angst versetzt hätte, verneint. Ein Begründungsmangel und damit eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV kann ihr nicht vorgeworfen werden.  
Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet. 
 
4.  
Am 27. September 2012 beantragte der Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das kantonale Beschwerdeverfahren. Mit Entscheid vom 5. November 2012 bewilligte der Präsident der 2. Abteilung des damaligen Obergerichts die unentgeltliche Rechtspflege in dem Sinne, dass er den Beschwerdeführer von der Vorschuss- und Sicherheitsleistungspflicht und den Verfahrenskosten befreite. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wies der Präsident ab. Die vom Beschwerdeführer hiergegen erhobene Beschwerde in Strafsachen wies das Bundesgericht am 28. Mai 2013 ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 1B_26/2013). Es befand, die Vorinstanz habe die Notwendigkeit der Verbeiständung ohne Bundesrechtsverletzung verneint (E. 2.3 f.). 
Am 18. August 2015 beantragte der Beschwerdeführer der Vorinstanz erneut die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Die Vorinstanz bemerkt dazu im angefochtenen Beschluss (E. 10.2.2 f. S. 12), der Beschwerdeführer sei mit Entscheid vom 5. November 2012 von der Vorschuss- und Sicherheitsleistungspflicht und von allfälligen Verfahrenskosten befreit worden. In diesem Entscheid sei klar ausgeführt worden, weshalb kein unentgeltlicher Rechtsbeistand notwendig sei. Dies habe das Bundesgericht mit Urteil vom 28. Mai 2013 bestätigt. Wenn der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 18. August 2015 erneut ein Gesuch um Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistands stelle, so habe er nachzuweisen, dass sich die Verhältnisse seit dem letzten abweisenden Entscheid geändert hätten. Dazu genüge die blosse Behauptung, die finanziellen Verhältnisse hätten sich seit dem ersten Gesuch nicht verändert, jedoch seine Erfolgschancen, keineswegs. Der Beschwerdeführer mache keine weitern Ausführungen, welche veränderten Verhältnisse eingetreten seien, damit nun die Verbeiständung gerechtfertigt sein soll. Aus diesem Grunde müsse das Gesuch um unentgeltlichen Rechtsbeistand abgewiesen werden. 
Diese Erwägungen verletzen kein Bundesrecht. Der Beschwerdeführer legt in seiner Eingabe vom 18. August 2015 nicht dar, weshalb veränderte Verhältnisse eingetreten seien, die seine Verbeiständung entgegen dem bundesgerichtlichen Urteil vom 28. Mai 2013 nunmehr notwendig machten. Dies ist auch nicht erkennbar. Wenn die Vorinstanz die unentgeltliche Verbeiständung erneut abgelehnt hat, ist das daher nicht zu beanstanden. 
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
Da sie aussichtslos war, kann die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG nicht bewilligt werden. Der Beschwerdeführer trägt damit die Gerichtsgebühr (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BGG). Bei deren Bemessung wird seinen bescheidenen finanziellen Verhältnissen Rechnung getragen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'200.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Oktober 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri