Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_1108/2016
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Urteil vom 17. November 2017
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber Held.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Stadtrichteramt Zürich, Postfach, 8022 Zürich,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Ungehorsam im Betreibungsverfahren,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 17. August 2016 (SU160042-O/U/gs-hb).
Erwägungen:
1.
Das Stadtrichteramt Zürich erliess gegen den Beschwerdeführer am 21. Juli 2015 einen Strafbefehl über Fr. 150.-- wegen Ungehorsams im Betreibungsverfahren und auferlegte ihm die Verfahrenskosten. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Einsprache. Nach dessen Einvernahme als Beschuldigter hielt das Stadtrichteramt am Strafbefehl fest und überwies die Akten dem Bezirksgericht Zürich.
Die Einzelrichterin brach die mündliche Hauptverhandlung vom 29. März 2016 "zwecks Deeskalation" ab. Der Beschwerdeführer meldete mit Eingabe vom 30. März 2016 Berufung gegen das Urteil an. Das begründete Urteil vom 29. März 2016, mit dem das Bezirksgericht ihn wegen Ungehorsams im Betreibungsverfahren zu einer Busse von Fr. 150.-- respektive einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen für den Fall schuldhafter Nichtbezahlung und den Verfahrenskosten von Fr. 300.-- verurteilte, wurde dem Beschwerdeführer am 26. Mai 2016 schriftlich eröffnet.
Der Beschwerdeführer reichte am 16. Juli 2016 im Rahmen einer noch diverse andere Verfahren betreffenden Eingabe seine Berufungserklärung beim Obergericht des Kantons Zürich ein. Dieses trat am 17. August 2016 wegen Nichtwahrung der 20-tägigen Frist zur Berufungserklärung auf das Rechtsmittel nicht ein.
Der Beschwerdeführer gelangt ans Bundesgericht und beantragt sinngemäss, es sei die Nichtigkeit des Beschlusses des Obergerichts vom 17. August 2016 und des erstinstanzlichen Urteils des Bezirksgerichts vom 29. März 2016 sowie weiterer der Verurteilung zugrunde liegender kantonaler und bundesgerichtlicher Entscheide festzustellen und das Strafverfahren gegen ihn sei einzustellen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
2.
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Die beschwerdeführende Partei kann in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern hat mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz anzusetzen (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116).
3.
3.1. Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. BGG genügt. Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens ist einzig die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht auf die Berufung des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist. Der überwiegende Teil der Rechtsschrift betrifft nicht den vorinstanzlichen Entscheid, sondern bezieht sich auf andere Verfahren und das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts. Auf die diesbezüglichen Vorbringen ist nicht einzutreten.
3.2. Die gegen den Nichteintretensentscheid erhobenen Rügen erweisen sich als unbegründet. Der Beschwerdeführer setzt sich in seiner an verschiedene Bundes- und kantonale Gerichte sowie deren Abteilungen adressierten Eingabe allenfalls oberflächlich mit dem angefochtenen Entscheid auseinander. Er wiederholt über weite Strecken seinen bereits im kantonalen Verfahren vor allen Instanzen vertretenen Standpunkt, sämtliche ihn betreffenden staatlichen Entscheide seien nichtig, und verliert den vorliegend zu beurteilenden Verfahrensgegenstand aus den Augen.
Die StPO sieht für die Einlegung der Berufung ein zweistufiges Verfahren vor. Die am Prozess beteiligten Parteien, welche mit dem erstinstan zlichen Urteil nicht einverstanden sind, müssen in der Regel zweimal ihren Willen kundtun, das Urteil nicht zu akzeptieren, nämlich einmal im Rahmen der Anmeldung der Berufung bei der ersten Instanz innert 10 Tagen nach Eröffnung des Dispositivs (Art. 399 Abs. 1 StPO; siehe zur Eröffnung Art. 84 StPO sowie zum Inhalt des Dispositivs Art. 81 Abs. 4 StPO) und ein zweites Mal innert 20 Tagen nach Eingang des begründeten Urteils durch eine Berufungserklärung beim Berufungsgericht (Art. 399 Abs. 3 StPO; BGE 138 IV 157 E. 2.1 S. 158). Eine zweimalige Kundgabe des Willens, ein Urteil anzufechten, ist nur dann nicht nötig, wenn das erstinstanzliche Urteil den Parteien direkt in begründeter Form zugestellt wird. In diesen Fällen kann auf eine Berufungsanmeldung verzichtet werden; die Einreichung einer Berufungserklärung genügt. (BGE 138 IV 157 E. 2.1 und 2.2).
3.3. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die 20-tägige Frist für die Berufungserklärung um einen Tag überschritten zu haben. Inwieweit die Vorinstanz zu Unrecht auf die Berufung nicht eingetreten sein soll, vermag er mithin nicht aufzuzeigen und ist auch nicht ersichtlich (vgl. Art. 403 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 399 Abs. 3 StPO). Dass das Bezirksgericht die erstinstanzliche Hauptverhandlung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form durchgeführt und beendet, namentlich das Urteil nicht mündlich eröffnet hat (vgl. Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 69 Abs. 1 und 84 StPO ), stellt zwar eine offensichtliche Verletzung des Prinzips der Justizöffentlichkeit dar und ist mit dem Grundsatz einer transparenten Justiztätigkeit und Rechtsfindung nicht zu vereinbaren (vgl. auch Art. 30 Abs. 3 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II; BGE 143 IV 151 E. 2.4 mit Hinweisen); dies führt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht dazu, dass der angefochtene Entscheid nichtig wäre.
Dem Beschwerdeführer, der grundsätzlich alle ihn betreffenden staatlichen Entscheide als nichtig erachtet, wurde bereits mehrfach ausführlich dargelegt, dass nicht jeder Fehler in der Rechtsanwendung zur Nichtigkeit des Entscheides führt, sondern die Annahme absoluter Nichtigkeit nur in krassen Ausnahmefällen in Betracht kommt (zuletzt: Urteil 6B_334/2017 vom 23. Juni 2017 E. 3.2.3). Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass eine mündliche Eröffnung bei einem Verzicht der Parteien nicht erfolgt (Art. 84 Abs. 3 Satz 2 StPO). Zwar lag ein solcher Verzicht seitens des Beschwerdeführers nicht vor, jedoch wäre es ihm trotz der prozessual fehlerhaften Eröffnung ohne Weiteres möglich gewesen, das ihm schriftliche eröffnete und begründete erstinstanzliche Urteil sach- und fristgerecht anzufechten. Hierauf konnte er auch nicht verzichten, denn eine prozesskonforme Berufungserklärung ist Voraussetzung für das Eintreten auf die Berufung. Fehlt sie oder geht sie nicht fristgerecht ein, ist die Berufung unwirksam. Dass das Bezirksgericht nicht prozesskonform vorgegangen ist, führt nicht dazu, dass der Beschwerdeführer seinerseits die prozessualen Rechtsmittelfristen nicht zu beachten hätte. Inwieweit die "antizipierte" Berufungsanmeldung des Beschwerdeführers vor der Urteilseröffnung ohne Kenntnis des Verfahrensausgangs zulässig ist und ob diese allenfalls entbehrlich gewesen wäre, kann offenbleiben.
4.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen. Dem Beschwerdeführer sind reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m.Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. November 2017
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Held