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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_847/2022  
 
 
Urteil vom 18. Januar 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Obergericht des Kantons Aargau, 
Zivilgericht, 3. Kammer, 
Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau, 
2. B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Alina Enkegaard, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege; Kosten (Sistierung; Ehescheidung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 3. Kammer, vom 26. September 2022 (ZOR.2022.30). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.A.________ (geb. 1982) reichte am 26. Oktober 2021 beim Bezirksgericht Lenzburg die Scheidungsklage gegen B.A.________ (geb. 1982) ein. Beide Parteien beantragten in der Folge die Zusprechung eines Prozesskostenvorschusses jeweils zu Lasten der Gegenpartei sowie eventualiter die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.  
 
A.b.  
 
A.b.a. Während das Bezirksgericht B.A.________ die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gewährte, wies es die Anträge von A.A.________ ab (Entscheid vom 3. März 2022).  
 
A.b.b. Gegen diesen Entscheid gelangte A.A.________ erfolgreich mit Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau, welches ihr mit Entscheid vom 8. August 2022 die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das Scheidungsverfahren gewährte.  
 
A.c. Bereits während des noch hängigen Rechtsmittelverfahrens betreffend die unentgeltliche Rechtspflege beantragte A.A.________ dem Bezirksgericht, das Scheidungsverfahren bis zum Vorliegen des Beschwerdeentscheids betreffend Prozesskostenvorschuss bzw. unentgeltliche Rechtspflege zu sistieren. Das Bezirksgericht wies das Begehren um Sistierung mit Entscheid vom 24. Mai 2022 ab.  
 
B.  
Auf die Beschwerde von A.A.________ gegen den Entscheid vom 24. Mai 2022 trat das Obergericht nicht ein. Es wies zudem ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren (zufolge Aussichtslosigkeit) ab, auferlegte ihr die Entscheidgebühr von Fr. 500.-- und verpflichtete sie, der unentgeltlichen Vertreterin von B.A.________ eine Parteientschädigung von Fr. 1'023.15 zu bezahlen (Entscheid vom 26. September 2022). 
 
C.  
 
C.a. A.A.________ (Beschwerdeführerin) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen sowie subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 2. November 2022 an das Bundesgericht. Diesem beantragt sie (unter Aufhebung des Entscheids vom 26. September 2022), ihr sei für das Verfahren vor Obergericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren; die Entscheidgebühr sei auf die Staatskasse zu nehmen, eventualiter B.A.________ aufzuerlegen, subeventualiter zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vorerst auf die Staatskasse zu nehmen und die Gerichtskasse Lenzburg sei anzuweisen, ihr eine Parteientschädigung von Fr. 1'750.-- auszurichten, eventualiter sei B.A.________ zu verpflichten, ihr eine Parteientschädigung von Fr. 1'023.15 auszurichten, subeventualiter sei die Parteientschädigung von Fr. 1'023.15 einstweilen durch die Gerichtskasse auszurichten. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht die Beschwerdeführerin überdies um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.  
 
C.b. Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit dem angefochtenen kantonal letztinstanzlichen Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) tritt die Vorinstanz auf eine Beschwerde gegen die Verweigerung der Sistierung eines Scheidungsverfahrens nicht ein und weist das für das Beschwerdeverfahren gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab. In der Hauptsache geht es um eine Scheidung auf Klage und damit eine insgesamt nicht vermögensrechtliche Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Vor Bundesgericht wendet sich die Beschwerdeführerin nur gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und die Kostenregelung. Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Beschwerdeverfahren wurde durch die Vorinstanz abschliessend beurteilt. Der Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege partizipiert daher nicht am Charakter des Sistierungsentscheids als Zwischenentscheid, sondern qualifiziert in dieser Konstellation als Endentscheid gemäss Art. 90 BGG (Urteil 5D_37/2021 vom 2. Februar 2022 E. 1.1; entgegen Urteil 5A_1039/2021 vom 19. Oktober 2022 E. 1.1).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin ist überdies zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG) und hat diese rechtzeitig erhoben (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig.  
 
1.3. Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Es befasst sich aber grundsätzlich nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden. In der Beschwerde ist deshalb in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 140 III 86 E. 2). Erhöhte Anforderungen gelten, wenn kantonale oder verfassungsmässige Rechte als verletzt gerügt werden. Das Bundesgericht prüft deren Verletzung nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4). Sodann ist das Bundesgericht an den festgestellten Sachverhalt grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann einzig vorgebracht werden, sie seien offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweis), oder sie würden auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen. Ausserdem muss in der Beschwerde aufgezeigt werden, inwiefern die Behebung der vorerwähnten Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweis).  
 
2.  
Die Vorinstanz wies das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit ab. In ihrer Beschwerde an das Bundesgericht verkennt die Beschwerdeführerin diesen Umstand. Sie scheint anzunehmen, die Vorinstanz hätte ihre Mittellosigkeit verneint und äussert sich ausschliesslich hierzu, eine Auseinandersetzung mit der Aussichtslosigkeit ihrer Beschwerde fehlt. Damit hat es sein Bewenden, Weiterungen erübrigen sich. 
 
3.  
Strittig ist weiter die vorinstanzliche Kostenregelung (Auferlegung der Gerichtskosten sowie Verpflichtung zur Leistung einer Parteientschädigung). 
 
3.1. Die Vorinstanz trat auf die Beschwerde nicht ein. Gegen die verweigerte Sistierung sei die Beschwerde nur möglich, wenn der Beschwerdeführerin daraus im Sinne von Art. 319 lit. b Ziff. 1 [recte: Ziff. 2] ZPO ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil drohe. Dieser Nachweis sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen. Obschon die Vorinstanz daher auf die Beschwerde nicht eintrat, prüfte sie im Anschluss den Vorwurf, die Erstinstanz habe das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt. Die Aufhebung der angefochtenen Verfügung wegen einer Gehörsverletzung falle aber ausser Betracht.  
 
3.2. Zusammengefasst macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe vorinstanzlich nur Beschwerde erhoben, weil ihr rechtliches Gehör verletzt worden sei. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs bejahe selbst die Vorinstanz. Dennoch setze sie sich mit ihrem Antrag, die "Prozessentschädigung" auf die Gerichtskasse zu nehmen, nicht ansatzweise auseinander. Eine sachgerechte Beschwerde vor Bundesgericht sei damit nicht möglich (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Vorinstanz begründe ausserdem mit keinem Wort, weshalb die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner eine Prozessentschädigung ausrichten müsse und weshalb der Beschwerdegegner obsiegt hätte. Die Beschwerde sei nur darum "bedeutungslos" geworden, weil der Beschwerdeführerin durch die Vorinstanz in der Zwischenzeit die unentgeltliche Rechtspflege gewährt worden sei, was die Vorinstanz verkenne. Sie sei "durch den Schriftenwechsel sowie durch den Zwischenentscheid auf die Beschwerde bereits eingetreten". Das Vorgehen der Vorinstanz sei daher widersprüchlich. Werde das rechtliche Gehör verletzt, habe die betroffene Partei "immer" ein Interesse an der Beschwerde. Ein nicht wiedergutzumachender Nachteil sei gegeben gewesen. Die Annahme einer angeblich von Anfang an fehlenden Legitimation zur Beschwerde verletze auch Bundesrecht (Art. 319 lit. b Ziff. 1 [recte: Ziff. 2] ZPO).  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin zielt mit ihrer Argumentation allesamt am Kern der Sache vorbei. Die Vorinstanz ist nicht auf die Beschwerde eingetreten, da die Beschwerdeführerin keinen nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil habe darlegen können. Entgegen der Beschwerdeführerin war dieser Nachteil von Anfang an nicht gegeben, denn die Vorinstanz führte unter anderem aus, die dem Rechtsvertreter kraft Auftragsverhältnis auferlegte Sorgfaltspflicht hätte gegen eine Mandatsniederlegung während laufender Frist zur Einreichung der begründeten Scheidungsklage gesprochen. Mit dieser Argumentation setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander, weshalb es dabei zu bleiben hat. Eine Prüfung mit der Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Erstinstanz hätte sich für die Vorinstanz damit eigentlich erübrigt, weswegen auch keine Bundesverletzung dargetan ist, wenn die Vorinstanz die Prozesskosten (Art. 95 Abs. 1 lit. a und b ZPO) entsprechend dem Ausgang des Verfahrens (Art. 106 Abs. 1 ZPO) der Beschwerdeführerin auferlegt, worauf die Vorinstanz explizit hinweist und insofern ihre Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) erfüllt. Der Beschwerdegegner hatte im Übrigen vorinstanzlich beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen. Weiterungen erübrigen sich.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- (Art. 66 Abs. 1 BGG), nicht aber entschädigungspflichtig, da keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Es rechtfertigt sich ausnahmsweise, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Insoweit wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Soweit das Gesuch die unentgeltliche Verbeiständung betrifft, ist es abzuweisen. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war die Beschwerde von vornherein aussichtslos (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Januar 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang