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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_533/2009 
 
Urteil vom 18. Februar 2010 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Zünd, 
Gerichtsschreiber Küng. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau, Kantonaler Veterinärdienst, 5001 Aarau, 
Regierungsrat des Kantons Aargau, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Tierschutz (Rindviehhaltung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 4. Kammer, vom 30. Juli 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der Veterinärdienst des Kantons Aargau stellte anlässlich einer Kontrolle der Tierhaltung auf dem Landwirtschaftsbetrieb von X.________ fest, dass die Spaltenweiten der Spaltenböden in drei Buchten 43 mm breit waren. In der Folge verfügte er am 25. April 2007, dass die Spaltenweiten ab dem 31. Dezember 2007 maximal 40 mm (für Rindvieh über 300 kg Lebendgewicht) bzw. 35 mm (für Rindvieh unter 300 kg Lebendgewicht) betragen dürfen. 
 
Eine von X.________ gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde wies der Regierungsrat ab. Er fasste die angefochtene Verfügung dahingehend neu, dass die Spaltenweite in den drei Buchten auf die in den Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen für die Haltung von Rindvieh festgelegten Masse, d.h. auf 35 mm zu reduzieren sei; auf den Spaltenböden mit Spaltenweiten von 43 mm dürfe ab dem 1. April 2009 kein Rindvieh mehr gehalten werden. 
 
Das Verwaltungsgericht wies die von X.________ dagegen gerichtete Beschwerde ab und erkannte, dass die Spaltenweite in den drei Buchten für Rinder über 200 kg bis zum 31. März 2010 auf 35 mm zu reduzieren sei; auf den fraglichen Spaltenböden dürfe ab dem 1. April 2010 kein Rindvieh mehr gehalten werden. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 30. Juli 2009 aufzuheben und festzustellen, dass die erforderliche Anpassung nicht vor dem 1. Januar 2014 respektive auf dieses Datum hin vorzunehmen und keine Kontrollgebühr geschuldet sei. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau und der Kantonale Veterinärdienst haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Bundesamt für Veterinärwesen beantragt die Abweisung der Beschwerde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die erstinstanzliche Verfügung des Kantonalen Veterinärdienstes vom 25. April 2007 und der Beschwerdeentscheid des Regierungsrates vom 27. August 2008 sind noch gestützt auf das Tierschutzgesetz vom 9. März 1978 (aTSchG; AS 1981 562 ff.) und die Tierschutzverordnung vom 27. Mai 1981 (aTSchV; AS 1981 572 ff.) ergangen. Im Laufe des weiteren kantonalen Verfahrens sind am 1. September 2008 das Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (TSchG; SR 455) und die Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV; SR 455.1) in Kraft getreten. Es stellt sich daher die Frage, welche Rechtsnormen auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sind. 
 
1.2 Grundsätzlich sind diejenigen Rechtssätze zeitlich anwendbar, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes (bzw. Sachverhaltes) Geltung haben (vgl. BGE 126 II 522 E. 3b,aa; 112 Ib 39 E. 1c). 
 
Da das Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 keine Übergangsregelung enthält, ist für die bundesgerichtliche Beurteilung grundsätzlich die Rechtslage massgeblich, wie sie bestand, als der angefochtene Verwaltungsakt erging. Da das neue Tierschutzgesetz keine Verschärfung gegenüber dem Tierschutzgesetz von 1978 bringt, liegt kein zwingender Grund für eine sofortige Anwendung des neuen Rechts vor und somit auch kein Anlass für das Abweichen vom intertemporalen Grundsatz (zur Publikation bestimmtes Urteil 2C_422/2008 vom 7. Oktober 2009 E. 2.3). 
 
1.3 Die Frage des anwendbaren Rechts kann indessen offen bleiben, da in Bezug auf die im vorliegenden Fall streitigen stallbaulichen Anforderungen an eine tiergerechte Haltung keine materiellen Änderungen vorgenommen wurden. 
1.3.1 Art. 3 TSchV umschreibt die Anforderungen an die durch das Gesetz (Art. 6 TSchG) vorgeschriebene Tierhaltung nach den Grundsätzen des Tierschutzes ("tiergerechte Haltung": Art 7 TSchG). Die Art. 7, 8 und 34 TSchV legen die nähere Gestaltung der Böden, Standplätze und Boxen fest; namentlich müssen perforierte Böden der Grösse und dem Gewicht der Tiere angepasst sein; sie müssen eben und die Elemente unverschiebbar verlegt sein (Art. 34 Abs. 2 TSchV). 
 
Das dazu ausdrücklich ermächtigte (Art. 209 Abs. 1 TSchV) Bundesamt für Veterinärwesen schreibt in seiner am 1. Oktober 2008 in Kraft getretenen Verordnung über die Haltung von Nutztieren und Haustieren vom 27. August 2008 (VBVET; SR 455.110.1) vor, dass Spaltenböden für Rinder über 200 kg eine maximale Spaltenweite von 35 mm aufweisen dürfen (Art. 3 Abs. 1 VBVET, Anhang 1). 
1.3.2 Diese Regelung ist nicht neu. Bereits die mit dem neuen Recht aufgehobene Tierschutzverordnung legte fest, dass Spaltenböden der Grösse und dem Gewicht der Tiere angepasst sein müssen; Spaltenböden mussten plan und die einzelnen Balken unverschiebbar verlegt sein (Art. 13 aTSchV). Das Bundesamt für Veterinärwesen konnte technische Ausführungsvorschriften erlassen (Art. 71 aTSchV). In Bezug auf die Stallböden wurde für am 1. Juli 1981 bestehende Tierhaltungen eine Übergangsfrist bis Ende 1986 eingeräumt. Ausnahmsweise nicht angepasst werden mussten bestehende Einrichtungen, wenn bestimmte Grenzwerte in Bezug auf die Standplatzgrösse bzw. Bodenfläche je Tier eingehalten waren (Art. 76 Abs. 1 lit. a aTSchV). 
 
Von der ihm eingeräumten Befugnis zum Erlass der technischen Ausführungsvorschriften hat das Bundesamt für Veterinärwesen erstmals mit den Richtlinien für die Haltung von Rindvieh vom 18. April 1986 Gebrauch gemacht. Darin hat es in Bezug auf bestehende Tierhaltungen unter dem Gesichtspunkt der tiergerechten Haltung festgelegt, dass bei Ställen für Rinder über 200 kg die Spaltenböden eine Spaltenweite von maximal 35 mm aufweisen dürfen; für Jungtiere bis 200 kg war eine Spaltenweite von 25 - 30 mm zulässig. Es wurde ausdrücklich auf die Übergangsfrist für die Anpassung vorschriftswidriger Böden bis Ende 1986 verwiesen. In den entsprechenden Richtlinien vom 17. September 1990 (unter Hinweis darauf, dass die Übergangsfrist für die Anpassung vorschriftswidriger Böden abgelaufen sei), 26. Februar 1998 und 1. Dezember 2003 wurden diese Maximalmasse übernommen. 
 
2. 
2.1 Die somit seit April 1986 maximal zulässigen Spaltenbreiten wurden stets unter ausdrücklicher Berücksichtigung neuer Forschungsergebnisse und von Praxiserfahrungen und Erkenntnissen festgelegt, an welche sie nach Bedarf allenfalls anzupassen waren. Da dies bis heute nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, dass die vom Tierschutzgesetz verlangte tiergerechte Haltung von Rindvieh auf Spaltenböden zumindest bereits seit April 1986 nur bei Einhaltung der festgelegten maximalen Spaltenweiten gewährleistet ist. 
 
2.2 Die Festlegung einer maximalen Spaltenweite von 35 mm von Spaltenböden in der tiergerechten Rindermast entspricht auch der deutschen Praxis und ist sogar in der Norm DIN 18908 "Fussböden für Stallanlagen - Spaltenböden aus Stahlbetonfertigkeiten oder aus Holz, Masse, Lastannahmen, Bemessung, Einbau" in der Fassung vom Mai 1992 verankert (vgl. http://ktblalt.avenit.de/ktbl_arbeitsblatt/klima/NR_ 
1104_S01.pdf; http://www.landwirtschaft-mlr.baden-wuerttemberg.de/ 
servlet/PB/menu/1099648_l1/index.html). 
 
2.3 Der Beschwerdeführer räumt insoweit sogar ausdrücklich ein, er habe sich nie an den Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen gestört. 
 
3. 
3.1 Der vom Beschwerdeführer angerufene Art. 8 TSchG (Investitionsschutz) kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da diese Bestimmung nur auf nach dem neuen Tierschutzgesetz bewilligte Bauten und Einrichtungen anwendbar ist. 
 
3.2 Auch soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 39 Abs. 2 TSchV zu stützen scheint, ist die Beschwerde unbegründet. Nach dieser Bestimmung muss der Liegebereich für Rinder mit ausreichend geeigneter Einstreu oder mit weichem, verformbarem Material versehen sein. Festgelegt werden damit nur die Anforderungen an die Oberfläche der Böden im Liegebereich. Die dazu gewährte Übergangsfrist von fünf Jahren für die am 1. September 2008 bestehenden Tierhaltungen (Anhang 5 "Übergangsbestimmungen" zu dieser Bestimmung) kommt daher im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. In Bezug auf die allgemeine Norm von Art. 34 TSchV, welche insbesondere verlangt, dass perforierte Böden der Grösse und dem Gewicht der Tiere angepasst sein müssen (Abs. 2), ist denn auch keine Übergangsfrist vorgesehen. 
 
Für die Anpassung der Spaltenweiten ist deshalb auch bei Anwendung des neuen Rechts keine (weitere) Übergangsfrist zu gewähren. 
 
3.3 Die Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 76 Abs. 1 lit. a aTSchV stösst ebenfalls ins Leere. Die Vorinstanz hat diese Bestimmung richtigerweise dahingehend ausgelegt, dass sie einzig die Grösse der Standplätze sowie die Bodenfläche, nicht aber die Spaltenweiten erfasst. 
 
4. 
Da die beanstandeten Stallböden eine maximale Spaltenweite von 35 mm aufweisen dürfen, spielt es keine Rolle, dass die vom Beschwerdeführer darauf gehaltenen Rinder keine Klauenverletzungen aufweisen und die übrigen Anforderungen an die Tierhaltung erfüllt werden. Auch wenn dies der Fall wäre, müssten die Spaltenweiten reduziert werden. Die Vorinstanz durfte daher in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung sowohl auf einen Augenschein als auch auf die Befragung der vom Beschwerdeführer bezeichneten Tierärzte verzichten. 
 
5. 
5.1 Der Rindviehstall des Beschwerdeführers mit den beanstandeten Spaltenböden - die eine Spaltenweite von 43 mm aufweisen und auf welchen Tiere mit über 200 kg Körpergewicht gehalten werden - wurde 1976 erstellt. Der Beschwerdeführer wäre somit verpflichtet gewesen, die nicht den Richtlinien entsprechenden Spaltenweiten spätestens bis zum Ablauf der Übergangsfrist Ende 1986 zu reduzieren. Er konnte somit nun schon seit mehr als 24 Jahren von einer nicht tiergerechten Tierhaltung profitieren. 
 
Anlässlich der Kontrolle vom 26. Januar 2007 wurde ausdrücklich festgehalten, dass immer noch die bei der früheren Kontrolle im Jahre 1996 festgestellten Mängel hinsichtlich der Spaltenweiten - d.h. Spaltenweite 40 mm anstatt maximal 35 mm für Rinder über 200 kg - bestehen (kant. act. 16 und 20). 
 
5.2 Ein weiterer Verzicht auf eine Anpassung erscheint unter diesen Umständen als untragbar. Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, indem sie erkannt hat, dass der Beschwerdeführer auf den Buchtenböden mit Spaltenweiten von mehr als 35 mm keine Rinder mehr halten dürfe. Da die erforderlichen Anpassungen indessen eine gewisse Zeit beanspruchen, ist der von der Vorinstanz gesetzte Termin neu auf den 30. Juni 2010 festzulegen. Eine weitere Erstreckung der Frist ist angesichts des - trotz entsprechender Beanstandungen - jahrelang aufrechterhaltenen rechtswidrigen Zustandes nicht zu gewähren. 
 
6. 
Der Beschwerdeführer rügt schliesslich zu Unrecht, dass ihm Gebühren für die Kontrolle des Betriebes auferlegt worden seien. Es kann dazu auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (angefochtenes Urteil E. 4). 
 
7. 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Frist für die Reduktion der unzulässigen Spaltenweiten wird bis zum 30. Juni 2010 erstreckt. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Veterinärwesen schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 18. Februar 2010 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Müller Küng