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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_394/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. Februar 2014  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
M.________, 
vertreten durch Advokat Nicolai Fullin, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 
28. Februar 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
M.________ hatte sich bei Unfällen am 27. Juli 1972 und am 9. November 1975 je eine Knieverletzung rechts zugezogen, für deren Folgen die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) Versicherungsleistungen erbrachte. Nach mehreren Rückfällen und nach Einsetzen einer Knietotalprothese rechts am 24. Oktober 2002 bezieht M.________ seit 1. Juni 2004 eine Invalidenrente der Unfallversicherung basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 26%. Im Sommer 2009 machte M.________ einen weiteren Rückfall geltend. Nach diversen Untersuchungen, mehreren operativen Eingriffen sowie einer kreisärztlichen Untersuchung vom 24. November 2011 erhöhte die SUVA mit Verfügung vom 4. Mai 2012 die Rente mit Wirkung ab 1. Dezember 2011 auf 31%, was sie mit Einspracheentscheid vom 17. September 2012 bestätigte. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 28. Februar 2013 insoweit teilweise gut, als es den Beginn des Anspruchs auf die erhöhte Rente auf 1. Oktober 2009 festlegte. Soweit M.________ eine höhere Rente beantragte, wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die SUVA, der angefochtene Entscheid sei in Bezug auf den Zeitpunkt der Rentenerhöhung aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 17. September 2012 sei zu bestätigen. 
 
M.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, während die Vorinstanz und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung verzichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 137 II 313 E. 1.4 S. 317 f. und 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Unbestritten ist, dass die Rente des Beschwerdegegners revisionsweise von 26% auf 31% zu erhöhen ist. Streitig und zu prüfen ist einzig der Zeitpunkt, ab welchem die Rentenerhöhung erfolgen soll. Während die Vorinstanz dem Versicherten den höheren Anspruch ab 1. Oktober 2009 zugesteht, stellt sich die SUVA auf den Standpunkt, die Erhöhung könne erst ab 1. Dezember 2011 wirksam werden. 
 
2.1. Das kantonale Gericht begründet seinen Entscheid im Wesentlichen damit, mangels eigener Regelung im Bereich der Unfallversicherung sei Art. 88a Abs. 2 IVV analog anzuwenden, wonach die Rentenerhöhung ab dem Zeitpunkt zu erfolgen habe, ab welchem die Verschlechterung des Gesundheitszustandes ohne Unterbrechung drei Monate bestanden habe. Da die Verschlechterung der Knieproblematik zum ersten Mal am 1. Juli 2009 in den Akten dokumentiert sei, habe die Rentenerhöhung - so die Vorinstanz - per 1. Oktober 2009 zu erfolgen.  
 
2.2. Die SUVA hingegen stellt sich - kurz zusammengefasst - auf den Standpunkt, die revisionsweise Rentenerhöhung sei auf den Zeitpunkt des Abschlusses der ärztlichen Behandlung und damit auf den 1. Dezember 2011 festzusetzen, da vorher das Ausmass der zumutbaren Arbeitsleistung des Versicherten noch gar nicht bekannt gewesen sei. Die Invalidenrente stelle - so die Beschwerdeführerin - eine Dauerleistung dar, über deren Ausrichtung bzw. Anpassung erst nach Abschluss der Heilbehandlung entschieden werde, wohingegen während der Abklärungs- und Heilbehandlungsphase Anspruch auf vorübergehende Leistungen in Form von Pflegeleistungen, Kostenvergütungen sowie Taggeld bestehe. Dies gelte sowohl im Verfahren nach Anmeldung eines Rückfalles wie auch im Rentenrevisionsverfahren. Für eine analoge Anwendung von Art. 88a Abs. 2 IVV bestehe kein Raum.  
 
3.   
Laufende Renten sind gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG für die Zukunft zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben, wenn sich der Invaliditätsgrad erheblich ändert. 
 
3.1. Der Gesetzgeber hat in Art. 17 Abs. 1 ATSG die zeitliche Wirkung der Anpassung von Rentenleistungen offen umschrieben. Aufgrund des Wortlautes "für die Zukunft" ("pour l'avenir", "per il futuro") kommt grundsätzlich eine Anpassung ab Eintritt der massgebenden Sachverhaltsänderung, auf den für die Anpassungsprüfung vorgesehenen Termin, auf den Zeitpunkt des Gesuchs der rentenbeziehenden Person, auf den Zeitpunkt des Entscheids über die Anpassung oder auf einen zeitlich dem Anpassungsentscheid folgenden Zeitpunkt in Frage ( UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 32 zu Art. 17 ATSG).  
 
3.2. Für den Bereich der Invalidenversicherung hat die IVV spezifische Anpassungsregelungen getroffen. So ist u.a. eine Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit oder der Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, gemäss Art. 88a Abs. 2 IVV zu berücksichtigen, sobald sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate gedauert hat. Die Erhöhung der Rente erfolgt dann gemäss Art. 88bis Abs. 1 IVV frühestens von dem Monat an, in dem das Revisionsbegehren gestellt wurde, sofern der Versicherte die Revision verlangt (lit. a), und bei einer Revision von Amtes wegen von dem für diese vorgesehenen Monat an (lit. b).  
 
3.3. Im Bereich der Unfallversicherung bestehen keine besonderen Anpassungsregeln. Diesfalls erscheint es gemäss KIESER (a.a.O., N. 33 zu Art. 17 ATSG) zutreffend, bei einer von Amtes wegen erfolgenden Anpassung auf den Zeitpunkt des Entscheids abzustellen (vgl. auch BGE 98 V 103 E. 4 S. 103; kritisch dazu FRANZ SCHLAURI, Sozialversicherungsrechtliche Dauerleistungen, ihre rechtskräftige Festlegung und ihre Anpassung, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2008, 2009, S. 109 ff.). In Frage komme aber auch eine analoge Anwendung der in Art. 88bis IVV festgelegten Grundsätze, wobei gegebenenfalls den zweigspezifischen Besonderheiten zusätzlich Rechnung zu tragen sei. In diesem Sinne hat das ehemalige Eidg. Versicherungsgericht Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV, welcher die Wirkung von Herabsetzung oder Aufhebung von Renten, Hilflosenentschädigungen und Assistenzbeiträgen regelt, für die Militärversicherung als analog anwendbar bezeichnet (Urteil M 7/86 vom 22. September 1986; JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992, 2000, N. 27 zu Art. 44 MVG). In BGE 133 V 67 (E. 4.3.5 S. 70) hat es im Zusammenhang mit einer den Revisionsentscheid der Invalidenversicherung nachvollziehenden revisionsweisen Änderung der BVG-Rente die Regelung von Art. 88bis Abs. 2 IVV ebenfalls als massgebend betrachtet. Dabei hat es erwogen, die versicherte Person müsse, wenn sie sich pflichtgemäss verhalten habe, darauf vertrauen können, dass eine Aufhebung oder Herabsetzung nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft erfolge (vgl. in diesem Sinne auch SVR 2011 IV Nr. 33 S. 96, 8C_451/2010 E. 4.2.5). Im Bereich der Unfallversicherung hat das Bundesgericht im Urteil 8C_301/2011 vom 30. Juni 2011 im Falle einer Meldepflichtverletzung stillschweigend eine rückwirkende Rentenaufhebung angenommen (E. 3.5) und in den Urteilen 8C_90/2011 vom 8. August 2011 (E. 8.7) sowie 8C_573/2011 vom 3. November 2011 (E. 5.2) hat es offen gelassen, ob bei einer Rentenaufhebung die gegenüber Art. 17 Abs. 1 ATSG strengere Regelung von Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV analog anwendbar sei.  
 
4.   
Die Frage des Zeitpunktes einer revisionsweisen Rentenerhöhung im Bereich der Unfallversicherung wurde - soweit ersichtlich - letztinstanzlich bisher nicht ausdrücklich entschieden. Namentlich hat sich das Bundesgericht noch nie dazu geäussert, ob Art. 88a Abs. 2 und 88bis Abs. 1 IVV in der Unfallversicherung im Verfahren um eine Rentenerhöhung im Rahmen eines Rückfalls analog anwendbar seien, wie dies das kantonale Gericht entschieden hat. 
 
4.1. Im schweizerischen Sozialversicherungssystem gelten Invalidenrenten, welche auf unbestimmte Zeit zugesprochen werden, als Dauerleistungen, wohingegen Taggeldleistungen als vorübergehende, nach Tagen bemessene Leistungen erbracht werden (vgl. Art. 15 Abs. 3 lit. a UVG und Art. 24 Abs. 2 UVV; BGE 138 V 140 E. 5.3.1 S. 144 mit Hinweisen). Der Rentenanspruch entsteht gemäss Art. 19 Abs. 1 UVG, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf ein Taggeld. Mit diesem System soll - wie die Beschwerdeführerin darlegt - eine gewisse Stabilität in der Ausrichtung der Rentenleistung garantiert werden, ohne dass die Invalidenrente bereits nach kurzer Zeit einer Revision unterzogen werden muss. Dies bedingt, dass auch die der Rentenberechnung zugrunde liegenden Bemessungsfaktoren gewisse Stabilitätsanforderungen erfüllen, was bei der erstmaligen Rentenzusprechung dadurch sichergestellt wird, dass der Rentenanspruch nicht mit der Anmeldung der versicherten Person entsteht, sondern erst nach Abschluss der ärztlichen Heilbehandlung, wobei bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich ein Taggeldanspruch besteht.  
 
4.2. Bei Rückfällen und Spätfolgen hat der Rentenbezüger gemäss Art. 21 Abs. 3 UVG Anspruch auf die Pflegeleistungen und Kostenvergütungen, wobei er bei einer allfälligen Verdiensteinbusse ebenfalls ein Taggeld erhält. Damit soll wiederum die Zeit bis zum Abschluss der Heilbehandlung, gestützt auf welchen über die Rentenerhöhung entschieden werden kann, überbrückt werden. Die Erhöhung der Rente hat wie bei der erstmaligen Rentenzusprechung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Heilbehandlung hin zu erfolgen. Dass der Beschwerdegegner vorliegend keinen Anspruch auf Taggeldleistungen gehabt hat, weil er keine Verdiensteinbusse erlitten hat, vermag daran nichts zu ändern. Für eine analoge Anwendung von Art. 88a Abs. 2 und Art. 88bis Abs. 1 IVV besteht kein Raum. Würde nämlich - wie dies die Vorinstanz getan hat - in analoger Anwendung der erwähnten IVV-Bestimmungen der Zeitpunkt der Rentenanpassung auf 1. Oktober 2009 festgesetzt, würde die Rente erhöht, bevor das diesbezügliche Abklärungsverfahren durchgeführt worden ist, was wiederum das Risiko einer baldigen Rentenrevision mit sich bringt.  
 
4.3. Ob die dargelegte Konzeption auch bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Rentenbezügerinnen und Rentenbezügern, welche keinen Rückfall erlitten haben und nicht an Spätfolgen leiden, zum Tragen kommt, braucht vorliegend nicht näher geprüft zu werden.  
 
4.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Rentenerhöhung im Rahmen eines Rückfalls auf den Zeitpunkt des Abschlusses der ärztlichen Heilbehandlung und vorliegend somit auf den 1. Dezember 2011 festzusetzen ist. Der vorinstanzliche Entscheid ist daher aufzuheben.  
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 28. Februar 2013 aufgehoben. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Februar 2014 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch