Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_863/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. März 2014  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Herrmann, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Dr. Reto Krummenacher, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Luigi R. Rossi, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Abänderung vorsorglicher Massnahmen im Ehescheidungsprozess, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 25. September 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Zwischen X.________ und Y.________ ist das Ehescheidungsverfahren hängig. Im Rahmen vorsorglicher Massnahmen teilte das Bezirksgericht Frauenfeld mit Entscheid vom 30. Mai 2012 die Obhut über die gemeinsamen Kinder A.________ (2005) und B.________ (2006) der Mutter zu, unter Regelung des Besuchsrechts. 
 
B.   
Mit Abänderungsgesuch vom 24. Januar 2013 verlangte der Vater, die Kinder seien unter seine Obhut zu stellen und der Mutter sei bis zum Abschluss des Scheidungsverfahrens zu verbieten, mit den Kindern ins Ausland zu ziehen. Mit superprovisorischer Verfügung vom 25. Januar 2013 verbot das Bezirksgericht der Mutter, ihren Wohnsitz zusammen mit den beiden Kindern ins Ausland zu verlegen. Mit Entscheid vom 9. August 2013 wies das Bezirksgericht das Gesuch um Abänderung der vorsorglichen Massnahmen vom 30. Mai 2012 schliesslich ab, unter Aufhebung der superprovisorischen Verfügung und unter Errichtung einer Besuchsrechtsbeistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 2 ZGB sowie der Beauftragung der KESB C.________ mit der Ernennung eines Besuchsrechtsbeistandes. 
Die hiergegen vom Vater erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 25. September 2013 ab, wobei die Mutter mit den beiden Kindern zwischenzeitlich (Anfang September) nach Teneriffa gezogen war. 
 
C.   
Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat X.________ am 13. November 2013 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Anweisung der Beschwerdegegnerin, unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss Art. 292 StGB den Wohnsitz der beiden Kinder in die Schweiz zu verlegen, eventualiter um dessen Aufhebung und Behaftung der Beschwerdegegnerin bei ihrer Zusage, den Wohnsitz der Kinder nicht ins Ausland zu verlegen. Ferner verlangt er die Bestimmung eines Prozessbeistandes für die Kinder und subeventualiter die Rückweisung der Sache zur neuen Entscheidung. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid in einer nicht vermögensrechtlichen Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG), weshalb die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich gegeben ist. Allerdings handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG, da auch die Abänderung einer vorsorglichen Massnahme wiederum als vorsorgliche Massnahme anzusehen ist (was sogar für die Abänderung von Eheschutzmassnahmen gelten würde, vgl. Urteil 5A_336/2007 vom 5. Oktober 2007 E. 1.3). Als Folge kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden, wofür das strenge Rügeprinzip im Sinn von Art. 106 Abs. 2 BGG gilt. 
Für das bundesgerichtliche Verfahren stellt sich ferner die Frage der schweizerischen Entscheidzuständigkeit, nachdem die Beschwerdeführerin als Inhaberin der Obhut den Wohnsitz der Kinder zwischenzeitlich ins Ausland verlegt hat und im Rechtsmittelverfahren keine aufschiebende Wirkung verlangt worden ist, so dass das mit dem erstinstanzlichen Massnahmeentscheid vom 9. August 2013 aufgehobene superprovisorisch verfügte Ausreiseverbot aufgehoben blieb (vgl. Art. 315 Abs. 4 lit. b ZPO und Art. 103 Abs. 1 BGG) und der Wegzug damit rechtmässig war (vgl. BGE 136 III 353). Spanien ist Mitgliedstaat des Haager Kindesschutzübereinkommens (HKsÜ, SR 0.211.231.011), auf welches Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 85 Abs. 1 IPRG für Massnahmen zum Schutz von Kindern verweist. Gemäss Art. 5 Abs. 1 und 2 HKsÜ entfällt grundsätzlich die schweizerische Zuständigkeit bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes, unter Begründung einer Zuständigkeit der Behörden am neuen Aufenthaltsort der Kinder. Indes ist in der Schweiz noch das Scheidungsverfahren hängig, was eine Zuständigkeit eröffnet (Art. 10 Abs. 1 HKsÜ), zumal vorliegend die in Art. 10 Abs. 1 lit. a und b HKsÜ genannten Bedingungen als erfüllt anzusehen sind. Über die Beschwerde ist mithin zu entscheiden. 
 
2.   
Das Obergericht hat erwogen, dass der Vater im Berufungsverfahren die Umteilung der Obhut nicht mehr verlange und es deshalb einzig noch um die Frage gehe, ob der Mutter verboten werden soll, den Wohnsitz der beiden Kinder ins Ausland zu verlegen. Dies sei gestützt auf Art. 307 Abs. 3 ZGB an sich möglich, könne aber gemäss BGE 136 III 353 nur in Ausnahmefällen in Frage kommen. Dr. D.________ vom KJPD Thurgau habe in seinem Bericht festgehalten, dass die Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen von B.________ vor allem auf die belastende Scheidungssituation zurückzuführen seien, insbesondere auf den Streit der Eltern und die häufigen Wohnortswechsel. Diese seien allerdings nicht durch die Mutter zu vertreten; gemäss richterlicher Entscheidung sei sie verpflichtet gewesen, mit ihren Kindern die eheliche Wohnung zu verlassen. Bereits damals habe sie beabsichtigt, nach Teneriffa auszuwandern, aber aufgrund der Opposition des Vaters zunächst eine neue Wohnung in C.________ bezogen. Dass sie dem väterlichen Wunsch zunächst entsprochen habe, könne ihr heute nicht zum Vorwurf gemacht werden. Es sei zwar überraschend, dass sie im Anschluss an den erstinstanzlichen Entscheid doch weggezogen sei, obwohl das Bezirksgericht nach Abschluss der Einigungsverhandlung vom 4. März 2013 noch davon ausgegangen sei, dass sie in den nächsten zwei bis drei Jahren in der Schweiz bleibe. Allerdings habe sie in der persönlichen Befragung klar zum Ausdruck gebracht, dass sie gerne wegziehen würde; länger in der Schweiz zu bleiben, sei zwar eine Option, aber nicht unbedingt ihr Ziel. Diese Aussage habe sie wohl in der Annahme gemacht, sie könne nicht ohne Einverständnis des Vaters auswandern. Nachdem ihr aber im erstinstanzlichen Entscheid zugesichert worden sei, dass sie dies ohne Gefährdung des Kindeswohls tun dürfe, sei der Wegzug angesichts der Vorgeschichte nachvollziehbar. Im Übrigen habe der Vater offenbar im Herbst 2012 selbst beabsichtigt, die Kinder in einer Schule in Spanien anzumelden. Überdies hätten sie bereits während eineinhalb Jahren dort gelebt, weshalb sie mit den dortigen Verhältnissen jedenfalls teilweise vertraut seien. Der momentane Aufenthaltsort in Teneriffa schaffe eine gewisse Distanz, welche die Ausübung des Besuchsrechts zwar erschwere, wodurch aber die Kinder nicht mehr im bisherigen Ausmass von den Streitigkeiten der Eltern betroffen seien. Insgesamt könne das Kindeswohl aufgrund des Wegzugs nicht als ernsthaft gefährdet angesehen werden. Ebenso wenig könne das Besuchsrecht für sich genommen dazu führen, dass der obhutsberechtigte Elternteil den Wohnort nicht wechseln dürfte; vielmehr sei den neuen Umständen in einem separaten Verfahren durch eine angepasste Besuchsregelung Rechnung zu tragen. 
 
3.   
Was der Beschwerdeführer in Bezug auf das Kindeswohl vorbringt (Rz. 22 ff.), erschöpft sich in appellatorischen Ausführungen, ohne dass dabei die Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts - namentlich die willkürliche Anwendung von Art. 307 Abs. 3 ZGB und ferner das willkürliche Verkennen einer angeblich rechtsverbindlichen Zusage der Mutter, in der Schweiz zu bleiben - gerügt würde. Mangels tauglicher Rügen kann darauf nicht eingetreten werden (vgl. E. 1). 
Soweit Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK als verletzt angerufen werden (Rz. 18), zeigt der Vater nicht ansatzweise auf, inwiefern sich aus diesen Verfassungsbestimmungen eine auf das Inland beschränkte Residenzpflicht des Obhutsinhabers bzw. ein Ausreiseverbot für die Kinder ergäbe, sobald der andere Elternteil über ein Besuchsrecht verfügt. Die Tragweite der elterlichen Sorge- und Obhutsrechte ist im nationalen Gesetzesrecht konkretisiert (zum Verhältnis von Art. 13 Abs. 1 BV bzw. Art. 8 EMRK und dem Gesetzesrecht vgl. Urteil 5P.103/2004 vom 7. Juli 2004 E. 2.3 betreffend Obhutszuteilung und Urteil 5P.323/2001 vom 13. November 2001 E. 3c betreffend Besuchsrecht und Ausreiseverbot als Auflage). Wie das Obergericht zutreffend festgehalten hat, verfügt die Mutter als alleinige Obhutsinhaberin nach heutiger schweizerischer Rechtslage über das Aufenthaltsbestimmungsrecht betreffend die Kinder (BGE 136 III 353 E. 3.2 S. 356 f.), weshalb es ihr - unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs - grundsätzlich frei steht, mit diesen ins Ausland zu ziehen (E. 3.3 S. 357 f.). Wäre jedoch mit dem Wegzug das Kindeswohl in ernsthafter Weise gefährdet, könnte das Gericht gestützt auf Art. 307 Abs. 3 ZGB ein Ausreiseverbot erlassen (E. 3.3 S. 358 f.), wobei ein bestehendes Besuchsrecht des anderen Elternteils für sich genommen nicht für eine solche Massnahme ausreicht (E. 3.3 S. 359). Ob es sich als willkürlich erweist, wenn die kantonalen Instanzen vorliegend kein Ausreiseverbot erlassen haben, kann nicht geprüft werden, weil der Beschwerdeführer nicht - wie erforderlich (dazu vorstehend) - Verfassungsrügen erhoben, sondern sich auf appellatorische Ausführungen beschränkt hat. 
Nichts anderes ergibt sich - wobei diesbezüglich ebenfalls keine verfassungsmässigen Rechte als verletzt angerufen werden und schon aus diesem Grund keine Überprüfung möglich wäre - aus der hängigen Gesetzesrevision bezüglich der Ausgestaltung des elterlichen Sorgerechts, auf welche in der Beschwerde hingewiesen wird (Rz 20) : Die noch nicht in Kraft stehende Revision vermöchte im vorliegend interessierenden Kontext von vornherein keine Vorwirkung zu erzeugen, weil eine zukünftige Gesetzeslage zur Auslegung des aktuellen Rechts höchstens dann mitberücksichtigt werden könnte, wenn das geltende System nicht grundsätzlich geändert, sondern einzig eine Konkretisierung des bestehenden Rechtszustands angestrebt oder eine Lücke des geltenden Rechts ausgefüllt werden soll (vgl. BGE 124 II 193 E. 5d S. 201; 125 III 401 E. 2a S. 404; sodann spezifisch im Kontext mit der Sorgerechtsrevision: Urteil 5A_793/2011 vom 3. Februar 2012 E. 6.8.3). 
Wenn der Beschwerdeführer schliesslich Art. 8 Abs. 3 BV als verletzt rügt mit der Begründung, die Obhut werde meistens den Frauen zugeteilt (Rz. 19), so scheitert die Rüge bereits daran, dass die Obhutszuteilung vor Obergericht nicht mehr Streitgegenstand war und sie folglich vor Bundesgericht nicht mehr thematisiert werden kann (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG). Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer, dass das Geschlecht kein Zuteilungskriterium ist. Fakt ist zwar, dass die Obhut statistisch überwiegend den Frauen zugeteilt wird; dies rührt indes daher, dass im Trennungsfall von der bisher gelebten Aufgabenteilung ausgegangen wird und die Kinder in der Regel unter die Obhut der bisherigen Hauptbetreuungsperson gestellt werden. Basiert die Zuteilung aber auf der während des Zusammenlebens zwischen den Eltern ausdrücklich vereinbarten oder stillschweigend gehandhabten Regelung und damit auf sachlichen Kriterien und der Berücksichtigung des Kindeswohls, so liegt keine Verletzung von Art. 8 Abs. 3 BV vor. 
 
4.   
Mit Bezug auf den beantragten Prozessbeistand für die Kinder erwog das Obergericht, dass diese im erstinstanzlichen Verfahren angehört und ihre Wünsche beim Entscheid berücksichtigt worden seien. Eine Verbeiständung im vorliegenden Rechtsmittelverfahren, in welchem es einzig noch um den Wegzug gehe, scheine entbehrlich. 
Auch in dieser Hinsicht bringt der Beschwerdeführer einzig appellatorische Kritik vor (Rz. 29), ohne die Verletzung verfassungsmässiger Rechte - namentlich eine willkürliche Anwendung von Art. 299 ZPO - zu rügen. 
Für das bundesgerichtliche Verfahren wird wiederum die Einsetzung eines Vertreters für die Kinder verlangt. Indes wird dieser Antrag gar nicht erst begründet, so dass auf das Begehren von vornherein nicht eingetreten werden kann (Art. 42 Abs. 2 BGG). 
 
5.   
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind somit dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. März 2014 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli