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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_513/2021  
 
 
Urteil vom 18. März 2022  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Kiss, Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Brugger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dominik Infanger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Zehnder, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Forderung aus Konkubinatsvertrag, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 30. März / 26. August 2021 (ZBR.2020.39). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (Kläger, Beschwerdegegner) und A.________ (Beklagte, Beschwerdeführerin) schlossen am 20. September 2001 einen Konkubinatsvertrag ab. Am 30. Oktober 2005 lösten sie ihn per 31. Dezember 2005 wieder auf. Seither streiten die Parteien über die finanziellen Folgen dieser Auflösung. 
 
B.  
 
B.a. Der Kläger erhob am 10. Dezember 2009 beim Bezirksgericht Kreuzlingen Klage und verlangte von der Beklagten die Bezahlung von Fr. 273'724.20 und die Beseitigung des Rechtsvorschlages im entsprechenden Umfang. Die Beklagte erhob Widerklage auf Zahlung von Fr. 55'128.25. Mit Entscheid vom 2./6. Mai 2011 wies das Bezirksgericht sowohl die Klage als auch die Widerklage ab.  
 
Das Obergericht des Kantons Thurgau schützte mit Entscheid vom 22. Dezember 2011 eine vom Kläger erhobene Berufung und wies die Streitsache an das Bezirksgericht zurück. 
 
B.b. Mit Entscheid vom 29. April / 27. Mai 2016 hiess das Bezirksgericht die Klage teilweise gut und wies die Widerklage ab. Es verpflichtete die Beklagte, dem Kläger aufgrund des Miteigentumsverhältnisses an der Liegenschaft in V.________ Fr. 146'438.16 zuzüglich Zins zu bezahlen, und der Kläger wurde verpflichtet, der Beklagten aufgrund der Auflösung des Konkubinats Fr. 73'354.05 samt Zins zu bezahlen.  
 
Gegen diesen Entscheid behoben beide Parteien Berufung an das Obergericht. Mit Entscheid vom 23. März 2017 erkannte das Obergericht, beide Berufungen seien begründet. Es hob den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache erneut an das Bezirksgericht zurück. 
 
B.c. Mit Entscheid vom 22. Mai 2020 schützte das Bezirksgericht die Klage und die Widerklage teilweise. Die Beklagte wurde verpflichtet, dem Kläger aufgrund des Miteigentumsverhältnisses an der Liegenschaft in V.________ Fr. 157'065.05 samt Zins zu bezahlen. Der Kläger wurde demgegenüber verpflichtet, der Beklagten aufgrund der Auflösung des Konkubinatsverhältnisses Fr. 37'514.75 samt Zins zu bezahlen. Dem Kläger wurde in der gegen die Beklagten angehobenen Betreibung im Umfang des Schutzes der Klage definitive Rechtsöffnung erteilt.  
 
Gegen diesen Entscheid erhob die Beklagte Berufung und der Kläger Anschlussberufung an das Obergericht. Mit Entscheid vom 30. März / 26. August 2021 trat das Obergericht auf die Berufung mangels hinreichender Begründung nicht ein. Die Anschlussberufung wies es als gegenstandslos ab. 
 
C.  
Gegen diesen Entscheid des Obergerichts erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Sie beantragte, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei der Entscheid aufzuheben und die Klage sei abzuweisen. 
 
Mit Eingabe vom 27. Oktober 2021 beantragte die Beschwerdeführerin, der Beschwerde sei, vorab superprovisorisch, die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Mit Verfügung vom 28. Oktober 2021 wies das präsidierende Mitglied das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab. 
 
Der Beschwerdegegner beantragte, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Die Vorinstanz verzichtete auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. Erwägung 2) ist daher auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (BGE 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). 
 
3.  
Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin rüge im Berufungsverfahren im Wesentlichen, die Erstinstanz habe ihre Forderungen aus dem Konkubinatsverhältnis zu Unrecht mangels Substanziierung abgewiesen. Sie bestreite sodann eine von der Erstinstanz dem Beschwerdegegner zugesprochene Forderung betreffend Investition in die Liegenschaft und mache geltend, sie schulde keine Zinsen, da sie diesbezüglich die Verjährungseinrede erhoben habe. 
 
Die Vorinstanz ging im Einzelnen auf diese drei von der Beschwerdeführerin beanstandeten Punkte ein und kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass die vorgebrachte Begründ ung der Beschwerdeführerin den Anforderungen von Art. 311 ZPO nicht genüge. Auf die Berufung sei daher mangels genügender Begründung nicht einzutreten. 
 
4.  
 
4.1. Dagegen rügt die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 311 ZPO. Sie präsentiert allerdings bloss appellatorische Kritik, ohne sich hinreichend mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinanderzusetzen und ohne rechtsgenüglich aufzuzeigen (Erwägung 2.1), inwiefern die eingehenden Ausführungen der Vorinstanz, wonach die Berufung der Beschwerdeführerin nicht genügend begründet sei, bundesrechtswidrig sein soll.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe vor der Vorinstanz eine "Rechtsverweigerung im Sinne einer Verletzung des rechtlichen Gehörs" gerügt, da eine Rechtsanwendung bzw. eine Liquidation anhand des Konkubinatsvertrags ohne weiteres möglich gewesen sei. Auf diese Rüge sei die Vorinstanz kommentarlos nicht eingegangen. Damit sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 311 ZPO verletzt worden.  
 
Inwiefern letztere Bestimmung in diesem Zusammenhang verletzt sein soll, legt die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar dar (Erwägung 2.1). Auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist diesbezüglich nicht hinreichend darlegt noch ersichtlich. Die Vorinstanz gab im Gegenteil den Standpunkt der Beschwerdeführerin, dass das Vorgehen der Erstinstanz im vorliegenden Fall einer "Rechtsv erweigerung" gleich komme, im Entscheid wieder (angefochtener Entscheid S. 38). Die Vorinstanz konnte aber keine Rechtsverweigerung erkennen. Sie kam vielmehr zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin vor der Erstinstanz ihre Forderungen hätte substanziieren und im Berufungsverfahren hinreichend aufzeigen sollen, wann und wo sie vor der Erstinstanz rechtzeitig welche Behauptungen aufgestellt habe, die eine genügende Substanziierung der Forderungen aus dem Konkubinationsverhältnis darstellten. Die Vorinstanz nannte damit die Überlegungen von denen sie sich hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (dazu: BGE 143 III 65 E. 5.2). Sie genügte damit den Begründungsanforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV
 
4.3. Die Beschwerdeführerin moniert, dass ihr Recht auf Beweis nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Klage zu wenig substanziiert sein soll, wenn die Erstinstanz eine Beweisverfügung habe erlassen können, was substanziierte Behauptungen voraussetze. Die Beweise hätten daher abgenommen werden müssen.  
 
Mit dem Standpunkt der Beschwerdeführerin, wonach die Erstinstanz "über diese Punkte ei n Beweisverfahren geführt" habe, hat sich die Vorinstanz befasst und dargelegt, weshalb auch in diesem Zusammenhang die Berufungsbegründung der Beschwerdeführerin nicht genügt. Mit diesen vorinstanzlichen Erwägungen setzt sich die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht hinreichend auseinander, noch legt sie rechtsgenüglich dar (Erwägung 2.1), inwiefern die Vorinstanz diesbezüglich Art. 29 Abs. 2 BV verletzt haben soll. 
 
4.4. Damit kann der Beschwerdeführerin im Hauptantrag nicht gefolgt werden.  
 
5.  
Die Beschwerdeführerin macht für den Fall, dass die vorinstanzliche Auffassung der mangelhaften Begründung vor Bundesgericht standhalte, als Eventualantrag geltend, dass die Klage abzuweisen wäre. Sie begründet aber den Eventualstandpunkt nicht hinreichend und legt auch nicht nachvollziehbar dar, aus welchen Gründen die Klage abzuweisen wäre (Erwägung 2.1). 
 
6.  
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. März 2022 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger