Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_637/2023  
 
 
Urteil vom 18. März 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Beusch, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401 Winterthur, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Departement Soziales der Stadt Winterthur, Soziale Dienste/Rechtsdienst, Pionierstrasse 5, 8403 Winterthur, 
Beschwerdegegner, 
 
A.________, 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. September 2023 (KV.2023.00010). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1987 geborene A.________, wohnhaft in Nordmazedonien, reiste am 27. Juli 2016 zwecks Verwandtenbesuchs in die Schweiz ein. Am Tag ihrer geplanten Heimreise, dem 30. August 2016, erkrankte sie schwer und musste sich notfallmässig in stationäre Behandlung im Spital B.________ begeben. Die dortige Behandlung dauerte bis zum 17. Januar 2017. 
Mit Verfügung vom 14. Oktober 2016 und Einspracheentscheid vom 14. Mai 2018 wies das Departement Soziales der Stadt Winterthur A.________ der SWICA Krankenversicherung AG ab 27. Juli 2016 als Versicherte zu. Die von der SWICA hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 22. März 2019 in dem Sinne gut, als es die Sache zu weiteren Abklärungen an die untere Instanz zurückwies. Nach getätigten Abklärungen hielt das Departement mit Verfügung vom 17. April 2020 und Einspracheentscheid vom 17. Januar 2023 an der Zuweisung der A.________ an die SWICA fest. 
 
B.  
Die von der SWICA hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach Beiladung von A.________ mit Urteil vom 7. September 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die SWICA, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsurteils festzustellen, dass A.________ nicht der Versicherungspflicht in der Schweiz unterstand. 
Während die Stadt Winterthur auf Abweisung der Beschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für Gesundheit deren Gutheissung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Ein Mangel in der Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG liegt nicht bereits dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Eine Beweiswürdigung erweist sich erst dann als willkürlich, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen hat oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 144 II 281 E. 3.6.2).  
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es den Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin bestätigte, wonach die Beigeladene der Krankenversicherungspflicht in der Schweiz unterlegen hatte und sie in der Folge der Beschwerdeführerin als Versicherte zuzuweisen war. 
 
3.  
 
3.1. Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz muss sich gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern oder von ihrem gesetzlichen Vertreter beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertreterin versichern lassen. Der Bundesrat kann die Versicherungspflicht auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz ausdehnen (Art. 3 Abs. 3 KVG) und Ausnahmen von der Versicherungspflicht vorsehen (Art. 3 Abs. 2 KVG).  
 
3.2. Nach Art. 1 Abs. 2 lit. a KVV sind versicherungspflichtig Ausländer und Ausländerinnen mit einer Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung nach den Art. 32 und 33 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20), die mindestens drei Monate gültig ist. Nicht der Versicherungspflicht unterstehen gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b KVV Personen, die sich ausschliesslich zur ärztlichen Behandlung oder zur Kur in der Schweiz aufhalten.  
 
3.3. Ausschliesslichkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b KVV ist gegeben, wenn andere Motive als Behandlungsziele für sich allein keinen Anlass zu einer Wohnsitzbegründung oder zur Erwirkung einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz gegeben hätten (Urteil 9C_546/2017 vom 30. April 2018 E. 4.2). Wer sich etwa mit der Absicht in der Schweiz aufhält, nach der Behandlung umgehend wieder in ein ausländisches Domizil zurückzukehren, ist nicht zu versichern (vgl. Urteil 9C_217/2007 vom 8. April 2008 E. 5.2.1).  
 
4.  
 
4.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beigeladene in den vorliegend streitigen Jahren 2016 und 2017 Wohnsitz in der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien (heute: Republik Nordmazedonien) hatte und keinen Wohnsitz in der Schweiz begründete. Weiter wurde der Beigeladenen aufgrund eines Antrages des behandelnden Spital B.________ vom 27. September 2016 eine Kurzaufenthaltsbewilligung erteilt, welche zunächst bis 12. April 2017 gültig war. Gemäss den Angaben ihrer Schwägerin gegenüber der Stadtpolizei Winterthur hat die Beigeladene die Schweiz effektiv Mitte Juni 2017 verlassen. Damit war die Beigeladene unbestrittenermassen grundsätzlich im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. a KVV versicherungspflichtig.  
Streitig ist demgegenüber, ob die Beigeladene aufgrund der Ausnahmebestimmung des Art. 2 Abs. 1 lit. b KVV von der Versicherungspflicht ausgenommen war. Das kantonale Gericht hat hierzu erwogen, die Beigeladene sei ursprünglich nicht zu einer medizinischen Behandlung, sondern zwecks Verwandtenbesuchs in die Schweiz eingereist. Ihr Aufenthalt in der Schweiz habe daher nicht ausschliesslich einer ärztlichen Behandlung oder einer Kur gedient. 
 
4.2. Die Beigeladene reiste am 27. Juli 2016 für einen gut einmonatigen Verwandtenbesuch in die Schweiz ein. Am letzten Tag ihres Besuches, am 30. August 2016, erkrankte sie schwer und musste sich notfallmässig in stationäre Behandlung im Spital B.________ begeben. Wäre ihr Besuch gemäss dem ursprünglichen Plan verlaufen, so wäre sie weder nach Art. 1 Abs. 2 lit. a KVV noch nach einer anderen Bestimmung versicherungspflichtig geworden. Dass sie über den 30. August 2016 in der Schweiz verblieben ist und in der Folge -nach Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung zum Zwecke einer medizinischen Behandlung - den Tatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. a KVV erfüllte, liegt einzig in ihrer Erkrankung begründet. Andere Motive als Behandlungsziele sind für die Erwirkung der Aufenthaltsbewilligung nicht ersichtlich. Erfüllte sie aber einzig aufgrund ihrer Absicht, sich in der Schweiz einer medizinischen Behandlung zu unterziehen, die Voraussetzungen für eine Versicherungsunterstellung nach Art. 1 KVV, so liegt eine Konstellation vor, für welche der Verordnungsgeber durch Erlass des Art. 2 Abs. 1 lit. b KVV eine Ausnahme vorsehen wollte. Ungeachtet des Umstandes, dass die Beigeladene ursprünglich zwecks Verwandtenbesuchs und nicht zwecks medizinischer Behandlung in die Schweiz einreiste, untersteht sie daher in Anwendung dieser Bestimmung nicht der Versicherungspflicht. Entsprechend ist die Beschwerde gutzuheissen und das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben.  
 
5.  
Der unterliegenden Gemeinde sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG); aufgrund der Umstände rechtfertigt es sich, auch von einer Kostenauflage zu Lasten der Beigeladenen abzusehen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die obsiegende Krankenversicherung hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; Urteil 9C_388/2019 vom 21. April 2020 E. 9). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. September 2023 wird aufgehoben. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, A.________, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. März 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold