Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 428/05
Urteil vom 18. April 2006
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Ursprung und nebenamtlicher Richter Bühler; Gerichtsschreiber Krähenbühl
Parteien
H.________, 1949, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Niggli, Eichwaldstrasse 7, 6005 Luzern,
gegen
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin,
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
(Entscheid vom 10. Mai 2005)
Sachverhalt:
A.
Die 1949 geborene H.________ leidet an einem Cervicalsyndrom bei intermittierender cervicoradikulärer Störung C7 links, Osteochondrose und Spondylose C5/6 und C6/7 sowie Diskushernie C6/7. Zudem liegen eine Tendopathie des Zeigefingerflexors rechts mit Verdacht auf schnellenden Finger und ein Hallux rigidus rechts vor. Weiter bestand ein Verdacht auf eine Depression. Am 3. Juli 2000 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Einholung mehrerer Formularberichte ihres Hausarztes Dr. med. A.________ eines rheumatologischen Gutachtens des Dr. med. zur G.________ vom 26. Juni 2002 und einer psychiatrischen Expertise der Frau Dr. med. I.________ vom 31. Oktober 2002 ermittelte die IV-Stelle Luzern einen Invaliditätsgrad von 55 %. Mit Verfügung vom 9. April 2003 sprach sie deshalb eine halbe Invalidenrente rückwirkend ab 1. Juli 1999 zu. Von der gesamten Rentennachzahlung verfügte die IV-Stelle Drittauszahlungen von Fr. 18'481.75 an die SWICA Gesundheitsorganisation (nachstehend: SWICA) und von Fr. 4'237.- an die Gemeinde X.________, jeweils zwecks Verrechnung mit von diesen Institutionen geltend gemachten Rückforderungen bezahlter Taggelder (SWICA) und Sozialhilfeleistungen (Gemeinde X.________). Mit Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2003 hielt die IV-Stelle an ihrer Verfügung fest.
B.
Beschwerdeweise liess H.________ die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1. Juni 1999 und die Reduktion der verfügten Drittauszahlungen auf den 'zulässigen Höchstbetrag' beantragen. Nachdem das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die SWICA und die Gemeinde X.________ zum Verfahren beigeladen hatte, hob es den Einspracheentscheid der IV-Stelle mit Entscheid vom 10. Mai 2005 in teilweiser Gutheissung der Beschwerde insoweit auf, als die IV-Stelle angewiesen wurde, die Drittauszahlung an die Gemeinde X.________ um Fr. 843.50 zu reduzieren und diesen Betrag direkt der Versicherten auszuzahlen. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt H.________ die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zwecks ergänzender Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung beantragen; eventuell seien ihr eine ganze Invalidenrente ab 1. Juli 1999 zuzusprechen und die IV-Stelle anzuweisen, die mit den Forderungen der Gemeinde X.________ und der SWICA verrechneten Beträge ihr direkt auszuzahlen. Zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Die IV-Stelle und die SWICA schliessen je auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während die Gemeinde X.________ die Sache als 'abgeschlossen' erklärt. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
D.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2005 erkundigte sich das Eidgenössische Versicherungsgericht beim Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, ob er die Verrechnung der Rentennachzahlung an seine Mandantin mit Leistungen der SWICA beanstande, welche diese für die Zeit ab 8. November 2000 oder aber nur für die Zeit ab 1. Januar 2002 bis 14. Oktober 2002 erbracht hatte. Dazu liess sich der Vertreter mit Eingabe vom 20. Dezember 2005 vernehmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der Hauptantrag auf Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zwecks Neubeurteilung des Rentenanspruchs und der Eventualantrag auf Zusprechung einer ganzen Rente ab 1. Juli 1999 betreffen die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG. Insoweit ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).
1.2 Mit dem Begehren, die Drittauszahlung von Fr. 843.50 an die Gemeinde X.________ an sie selbst auszuzahlen, verlangt die Beschwerdeführerin das, was ihr die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid bereits zugesprochen hat. Diesbezüglich fehlt es an einer formellen Rechtsmittelbeschwer und damit an einer Sachurteilsvoraussetzung (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 73 und 155). Insoweit ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
1.3 Der Antrag auf direkte Auszahlung eines Teilbetrages in Höhe von Fr. 10'321.75 der der SWICA zugesprochenen Drittauszahlung an sie selbst betrifft demgegenüber rechtsprechungsgemäss nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG. Bei Prozessen um den Auszahlungsmodus prüft das Eidgenössische Versicherungsgericht daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG; BGE 129 V 364 Erw. 2, 121 V 18 f. Erw. 2, 118 V 90 f. Erw. 1a; AHI 2003 S. 165 Erw. 1 und S. 261 Erw. 1, je mit Hinweisen). Das Eidgenössische Versicherungsgericht ist an den Beschwerdeantrag gebunden (Art. 114 Abs. 1 OG). Zudem ist das Verfahren kostenpflichtig (Umkehrschluss aus Art. 134 OG).
2.
2.1 Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und die dazugehörende Verordnung vom 11. September 2002 (ATSV) in Kraft getreten. Mit ihnen sind auch im Invalidenversicherungsbereich verschiedene materiell-rechtliche Bestimmungen geändert worden.
2.2 Das kantonale Gericht ist intertemporalrechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass der Invalidenrentenanspruch für die Zeit bis 31. Dezember 2002 nach den damals gültigen und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen des ATSG und des IVG zu beurteilen ist. Darauf kann verwiesen werden.
2.3 Bezüglich der streitigen Drittauszahlung der Rentennachzahlung in Höhe von Fr. 10'321.75 an die SWICA ist übergangsrechtlich massgebend, dass sich dieser Tatbestand erst mit dem Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2003 verwirklicht hat, weshalb hiefür nach der allgemeinen intertemporalrechtlichen Regel (vgl. BGE 130 V 447 Erw. 1.2.1 mit Hinweisen) nicht bloss die von der Vorinstanz herangezogene Bestimmung von Art. 85bis IVV, sondern auch die allgemeine, auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretene Regelung von Art. 22 ATSG über die Sicherung von sozialversicherungsrechtlichen Leistungen anwendbar ist.
3.
3.1 Was den Invalidenrentenanspruch anbelangt, hat das kantonale Gericht die massgebenden Bestimmungen über die Begriffe der Erwerbsunfähigkeit und der Invalidität ( Art. 7 und 8 ATSG ; Art. 4 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2002 gültigen Fassung), über die Bemessung der Invalidität bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) und über den Umfang des Rentenanspruches ( Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt hinsichtlich der Bedeutung ärztlicher Arbeitsfähigkeitsschätzungen für die Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) sowie die im Rahmen der Würdigung ärztlicher Berichte und Gutachten zu beachtenden Grundsätze (BGE 125 V 352 Erw. 3a, 122 V 160 f. Erw. 1c mit Hinweisen). Richtig wiedergegeben hat das kantonale Gericht ferner die Rechtsprechung zu dem im Zusammenhang mit der Ermittlung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbaren Einkommens (Invalideneinkommen) gegebenenfalls vorzunehmenden behinderungsbedingten Abzug von so genannten Tabellenlöhnen (BGE 126 V 28 ff. Erw. 5; vgl. auch AHI 2002 S. 67 ff. Erw. 4). Darauf kann verwiesen werden.
3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, dass die Vorinstanz in somatischer Hinsicht bei der Beurteilung der ihr trotz ihres Gesundheitsschadens noch zumutbaren Arbeitsfähigkeit auf das Gutachten des Dr. med. zur G.________ vom 26. Juni 2002 abgestellt und die diesbezüglichen Berichte ihres Hausarztes Dr. med. A.________ sowie die darin ausgewiesene Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nicht beachtet habe. Zudem enthalte das zu ihrem psychischen Gesundheitszustand eingeholte Gutachten der Frau Dr. med. I.________ vom 31. Oktober 2002 keine zuverlässigen Angaben zur verbliebenen Arbeitsfähigkeit, sei es doch mehr als ein Jahr vor Erlass des Einspracheentscheides vom 3. Dezember 2003 erstattet worden. Insgesamt sei daher der medizinische Sachverhalt im massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides weder in somatischer noch in psychischer Hinsicht ausreichend abgeklärt gewesen.
3.2.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das kantonale Gericht, auf dessen Erwägungen verwiesen wird, dem Gutachten des Dr. med. zur G.________ vom 26. Juni 2002 für die Bestimmung der noch zumutbaren Arbeitsfähigkeit (60 % in einer vorwiegend sitzend auszuübenden Tätigkeit mit der Möglichkeit von Positionswechseln und ohne allzu lange Inklination des Kopfes) zu Recht volle Beweiskraft zuerkannt. Dieses Gutachten beruht auf allseitigen Untersuchungen, berücksichtigt die geklagten Beschwerden, soweit diese objektivierbar sind, ist in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge widerspruchsfrei und enthält hinsichtlich der zumutbaren Arbeitsfähigkeit gut nachvollziehbare Schlussfolgerungen. Das dem Rechtsvertreter der Beschwerdefürherin von deren Hausarzt Dr. med. A.________ erstattete Schreiben vom 4. Februar 2002 enthält demgegenüber lediglich eine medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeitsschätzung, welche indessen nicht näher begründet wird. Gleich verhält es sich mit dem von diesem Arzt nach Erlass des angefochtenen Einspracheentscheids vom 3. Dezember 2003 ausgestellten Zeugnis vom 3. Februar 2004, in welchem rückwirkend ab 5. November 2000 sogar eine vollständige Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Das kantonale Gericht hat diesen bloss medizinisch-theoretischen und unbegründeten Angaben zur zumutbaren Arbeitsfähigkeit zu Recht keine Beweiskraft beigemessen (vgl. auch BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb).
3.2.2 Im psychiatrischen Gutachten vom 31. Oktober 2002 ist die Spezialärztin Dr. med. I.________ zum Schluss gelangt, die diagnostizierte leichte depressive Verstimmbarkeit mit etwas verminderter Belastbarkeit erreiche nicht Krankheitswert und schränke die Arbeitsfähigkeit nicht ein. Auch auf diese schlüssigen und beweiskräftigen ärztlichen Angaben kann abgestellt werden. Soweit die Gutachterin zusätzlich darauf hingewiesen hat, es dürfte fast unmöglich sein, die Restarbeitsfähigkeit wirtschaftlich zu verwerten, handelt es sich um eine für die Belange der streitigen Invaliditätsbemessung irrelevante Feststellung zu einem invaliditätsfremden Aspekt. Sowohl für den Invaliditätsbegriff als auch für die Invaliditätsbemessung ist massgebend, ob und in welchem Masse sich eine der versicherten Person verbliebene Arbeitsfähigkeit auf dem für sie in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt wirtschaftlich verwerten lässt (Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 und Art. 16 ATSG ; Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung). Aus dem Kriterium des ausgeglichenen Arbeitsmarktes folgt, dass für die Invalidität und deren Bemessung nicht darauf abzustellen ist, ob eine invalide Person unter den konkreten Arbeitsmarktverhältnissen tatsächlich vermittelt werden und ihre Restarbeitsfähigkeit wirtschaftlich verwerten kann. Massgebend ist einzig, ob die verbliebene Arbeitskraft noch wirtschaftlich genutzt werden könnte, wenn die verfügbaren Arbeitsplätze dem Angebot an Arbeitskräften entsprechen würden. Die im psychiatrischen Gutachten geäusserten Bedenken der Frau Dr. med. I.________ hinsichtlich der tatsächlichen wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit bieten daher keinen Anlass zu zusätzlichen Abklärungen des medizinischen Sachverhalts.
3.3 Das kantonale Gericht hat das nach dem Tabellenlohn der vom Bundesamt für Statistik für das Jahr 2000 durchgeführten Lohnstrukturerhebung (LSE 2000, Tabelle A1, Anforderungsniveau 4 [einfache und repetitive Tätigkeiten], Frauen) ermittelte Invalideneinkommen um 15 % gekürzt, weil auch im Rahmen einer körperlich leichten Tätigkeit in vorwiegend sitzender Position durch die Notwendigkeit zu Positionswechseln eine zusätzliche Beeinträchtigung vorliege. Die Beschwerdeführerin erachtet demgegenüber den nach der Rechtsprechung maximal zulässigen Abzug von 25 % auf Grund ihres Alters, ihrer fehlenden Ausbildung und der gesundheitlichen Beeinträchtigung als gerechtfertigt.
3.3.1 Die fehlende Berufsausbildung einer versicherten Person wird im Rahmen der Invaliditätsschätzung bereits bei der Bestimmung der Art der ihr noch zumutbaren Tätigkeit berücksichtigt und wird deshalb schon von dem für die Wahl des massgebenden Tabellenlohnes entscheidenden Anforderungsniveau erfasst. Sie darf deshalb bei der Korrektur des nach statistischen Löhnen ermittelten Invalideneinkommens durch einen behinderungsbedingten Abzug nicht ein zweites Mal rechnerisch in Anschlag gebracht werden.
3.3.2 Das Lebensalter von im Zeitpunkt des angefochtenen Einspracheentscheids 54 Jahren ist zwar vom kantonalen Gericht im Zusammenhang mit der behinderungsbedingten Reduktion des anhand von Tabellenlöhnen ermittelten Invalideneinkommens nicht ausdrücklich erwähnt worden. Dennoch fehlen konkrete Anhaltspunkte, welche die diesbezügliche Ermessensbetätigung von Vorinstanz und Verwaltung als den konkreten Verhältnissen nicht angemessen und damit als rechtsfehlerhaft erscheinen liessen (Art. 132 lit. a OG). Der vom kantonalen Gericht und von der IV-Stelle auf 15 % festgesetzte behinderungsbedingte Abzug ist vielmehr erst naheliegend, wenn zusätzlich zur sachlichen Einschränkung der noch zumutbaren Arbeitsleistung auch das Alter der Beschwerdeführerin lohnmindernd berücksichtigt wird.
3.4 Zusammenfassend ist der rechtserhebliche Sachverhalt weder ungenügend abgeklärt noch haben Vorinstanz und IV-Stelle den Rentenanspruch bundesrechtswidrig bemessen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist diesbezüglich abzuweisen.
4.
4.1 Nach der bis 31. Dezember 2002 geltenden Rechts- und Gesetzeslage war in Art. 50 Abs. 1 IVG durch den Verweis auf Art. 20 Abs. 1 AHVG ein allgemeines Abtretungsverbot für Geldleistungen der Invalidenversicherung statuiert. Davon abweichend erlaubte Art. 50 Abs. 2 IVG die Drittauszahlung von Nachzahlungen an Drittpersonen oder -stellen, welche im Hinblick auf die Leistung der Invalidenversicherung Vorschusszahlungen erbracht haben. Gestützt auf die ihm in Art. 50 Abs. 2 Satz 2 IVG eingeräumte Kompetenz hat der Bundesrat in Art. 85bis IVV die Voraussetzungen und das Verfahren der Drittauszahlung von Nachzahlungen an bevorschussende Dritte geregelt. Eine Drittauszahlung war nach Art. 85bis IVV nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass die Nachzahlungsforderung der versicherten Person vor-gängig an den betreffenden Dritten zwecks Verrechnung mit dessen Vorschuss- oder Vorleistung abgetreten worden war.
4.2 Die am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bestimmung von Art. 22 ATSG statuiert in Abs. 1 ein allgemeines Abtretungs- und Verpfändungsverbot für den 'Anspruch auf Leistungen' von Sozialversicherungsträgern und sieht in Abs. 2 als Ausnahme davon die Abtretung von Nachzahlungen an Arbeitgeber oder die öffentliche oder private Fürsorge, soweit diese Vorschusszahlungen leisten (lit. a), sowie an eine Versicherung, die Vorleistungen erbringt (lit. b), vor. Es stellt sich die Frage, ob entsprechend dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 ATSG die Drittauszahlung von Nachzahlungen nur noch unter der Voraussetzung zulässig ist, dass der Versicherte seine Nachzahlungsforderung einem der in Art. 22 Abs. 2 ATSG genannten berechtigten Dritten abgetreten hat.
4.3 Art. 29 Abs. 2 des von der Ständeratskommission ausgearbeiteten Gesetzesentwurfes (E-ATSG) vom 27. September 1990 sah eine wie folgt formulierte Ausnahme vom allgemeinen Abtretungs- und Verpfändungsverbot des Leistungsanspruches vor (BBl 1991 II 194):
"Der Rückerstattung von Vorschusszahlungen der öffentlichen oder privaten Fürsorge oder von Vorleistungen anderer Versicherungen steht das Abtretungsverbot nicht entgegen".
Mit dieser Durchbrechung des allgemeinen Abtretungsverbotes sollten die Koordination der Leistungen verschiedener Versicherungen verbessert und vorübergehende Leistungslücken namentlich im Verhältnis zur Kranken- und Haftpflichtversicherung vermieden werden (BBl 1991 II 268).
In seiner Stellungnahme zum E-ATSG der Ständeratskommission vom 27. Dezember 1997 schlug der Bundesrat vor, im Gesetz ausdrücklich klarzustellen, dass die Lockerung des Abtretungsverbotes auf Nachzahlungen beschränkt ist. So solle verhindert werden, dass die Regelung unter Einbezug der Haftpflichtigen/Haftpflichtversicherer als umfassendes Koordinationssystem verstanden wird. Er beantragte deshalb folgende Fassung von Art. 29 Abs. 2 E-ATSG (BBl 1994 V 938):
"Der Rückerstattung von Vorschusszahlungen der öffentlichen oder privaten Fürsorge oder von Vorleistungen von Versicherungen steht in Bezug auf Nachzahlungen von Leistungen des Sozialversicherers das Abtretungsverbot nicht entgegen."
Die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit hielt in ihrem Bericht vom 26. März 1999 fest, die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung von Art. 29 Abs. 2 E-ATSG bedeute gegenüber der geltenden Drittauszahlungsregelung in Art. 85bis IVV, welche Vorschusszahlungen von Arbeitgebern mit umfasse, eine Einschränkung. Sie beantragte deshalb, auch die Ausrichtung von Nachzahlungen zwecks Ausgleich der von Arbeitgebern erbrachten Vorschussleistungen ins Gesetz aufzunehmen. Im Übrigen schloss sich die nationalrätliche Kommission der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung von Art. 29 Abs. 2 E-ATSG an (BBl 1999, 4571).
Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bildete die Bestimmung von Art. 29 Abs. 2 E-ATSG nicht mehr Gegenstand der parlamentarischen Beratung. Art. 22 Abs. 2 ATSG stellt vielmehr lediglich eine redaktionelle Bereinigung der von Bundesrat und nationalrätlicher Kommission vorgeschlagenen Fassung von Art. 29 Abs. 2 E-ATSG dar.
Aus dieser Entstehungsgeschichte geht hervor, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Drittauszahlungsregelung des ATSG einerseits darum ging, diese auf die Nachzahlungen von Sozialversicherungsleistungen einzuschränken, und andererseits darum, eine vollständige gesetzliche Grundlage für Drittauszahlungen der Invalidenversicherung nach Massgabe der im Jahre 1999 gültigen (einzig redaktionell bereinigten und seither unverändert gebliebenen) Fassung von Art. 85bis IVV zu schaffen. Hingegen entsprach es entgegen dem Wortsinn von Art. 22 Abs. 2 ATSG nicht dem Willen des Gesetzgebers, die Drittauszahlung von Nachzahlungen der Invalidenversicherung neu und zusätzlich von der Voraussetzung abhängig zu machen, dass die versicherte Person ihre Nachzahlungsforderung vorgängig an den bevorschussenden oder vorleistenden Dritten abgetreten hat. So wird der Rechtssinn von Art. 22 ATSG auch in der Lehre verstanden (Kieser, ATSG-Kommentar, N 32 zu Art. 22; derselbe, ATSG und sozialversicherungsrechtliches Einzelgesetz, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], St. Gallen 2003, S. 67; Gabriela Riemer-Kafka, Auszahlung von Sozialversicherungsleistungen an bevorschussende Dritte, in: Schaffhauser/Schlauri (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen der Sozialversicherungspraxis, St. Gallen 2001, S. 129 ; Franz Schlauri, Die zweigübergreifende Verrechnung und weitere Instrumente der Vollstreckungskoordination des Sozialversicherungsrechts, in: Schaffhauser/Schlauri (Hrsg.), Sozialversicherungsrechtstagung 2004, St. Gallen 2004, S. 190).
4.4 Gemäss Art. 85bis Abs. 1 IVV (in der seit 1. Januar 1999 geltenden Fassung) können Arbeitgeber, Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, Krankenversicherungen, öffentliche und private Fürsorgestellen oder Haftpflichtversicherungen mit Sitz in der Schweiz, welche im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht haben, verlangen, dass die Nachzahlung dieser Rente bis zur Höhe ihrer Vorschussleistungen verrechnet und an sie ausbezahlt wird. Die bevorschussenden Stellen haben ihren Anspruch mit besonderem Formular frühestens bei der Rentenanmeldung und spätestens im Zeitpunkt der Verfügung der IV-Stelle geltend zu machen. Nach Art. 85bis Abs. 2 IVV gelten als Vorschussleistungen einerseits freiwillige Leistungen, sofern die versicherte Person zu deren Rückerstattung verpflichtet ist und sie der Auszahlung der Rentennachzahlung an die bevorschussende Stelle schriftlich zugestimmt hat (lit. a), und andererseits die vertraglich oder auf Grund eines Gesetzes erbrachten Leistungen, soweit aus dem Vertrag oder dem Gesetz ein eindeutiges Rückforderungsrecht infolge der Rentennachzahlung abgeleitet werden kann (lit. b). Die Nachzahlung darf der bevorschussenden Stelle höchstens im Betrag der Vorschussleistung und für den Zeitraum, in welchem diese erbracht worden ist, ausbezahlt werden (Art. 85bis Abs. 3 IVV).
4.4.1 Die streitige Drittauszahlung des Betrages von Fr. 10'321.25 an die SWICA betrifft, wie sich der auf Anfrage des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 7. Dezember 2005 erteilten Auskunft des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin vom 20. Dezember 2005 nunmehr klar entnehmen lässt, die Nachzahlung der Invalidenrente für die Zeit ab 8. November 2000 bis 31. Dezember 2001. Die zusätzliche Drittauszahlung der Rentennachzahlung an die SWICA für die Zeit ab 1. Januar bis 31. Oktober 2002 wird ausdrücklich anerkannt.
Da die SWICA in der erwähnten Zeitspanne keine freiwilligen Leistungen im Sinne von Art. 85bis Abs. 2 lit. a IVV, sondern als Kollektivtaggeldversicherer des letzten Arbeitgebers vertraglich geschuldete Versicherungsleistungen ausgerichtet hat, ist zu prüfen, ob aus dem massgeblichen Versicherungsvertrag ein 'eindeutiges Rückforderungsrecht' im Sinne von Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV abgeleitet werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Auszahlung der Rentennachzahlung in der streitigen Höhe von Fr. 10'321.25 an die SWICA bundesrechtskonform.
4.4.2 Das kantonale Gericht hat ein 'eindeutiges Rückforderungsrecht' der SWICA gestützt auf Ziff. 26 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die kollektive Taggeldversicherung nach VVG, Ausgabe 1998, bejaht, welche für die Dauer des letzten Arbeitsverhältnisses der Beschwerdeführerin massgebend waren. Jene Vertragsklausel lautet:
"Steht der Rentenanspruch einer staatlichen oder betrieblichen Versicherung noch nicht fest, bevorschussen wir das versicherte Taggeld. Ab Beginn des Rentenanspruches können wir die zu viel erbrachten Leistungen vom Versicherten zurückfordern."
Diese Bestimmung der AVB der SWICA für die kollektive Taggeldversicherung nach VVG statuiert zwar ein Rückforderungsrecht. Dieses richtet sich aber nach dem eindeutigen Wortlaut von Ziff. 26 AVB ausdrücklich gegen den Versicherten selbst und nicht gegen den nachträglich ebenfalls Leistungen erbringenden Sozialversicherungsträger. Diesen Umstand hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in seiner Rechtsprechung zu Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV als ausschlaggebend erachtet, obschon in den bisher beurteilten AVB von Taggeldversicherern nicht ausdrücklich festgehalten war, dass das Rückforderungsrecht nur gegenüber dem Versicherten bestand. Vielmehr führte jeweils die Auslegung der fraglichen AVB zu diesem Schluss (vgl. AHI 2003 S. 262 f. Erw. 3b, 2002 S. 162 f. Erw. 5b). Das Eidgenössische Versicherungsgericht liess sich dabei von den Erwägungen leiten, dass der Anspruch auf die in Art. 85bis IVV vorgesehene Drittauszahlung weit über den blossen Rückerstattungsanspruch hinausgeht, welcher einem Versicherungsträger wegen unrechtmässigen Leistungsbezuges - etwa aus Gründen der Überversicherung - gegenüber dem Versicherten zusteht. Die Drittauszahlung setzt nicht nur die materiell-rechtliche Begründetheit der Rückforderung und die Rückkommensvoraussetzungen (BGE 110 V 176) voraus, sondern geht mit einem Schuldner- und Gläubigerwechsel einher, welcher die Verrechnung von Nachzahlung und Rückforderung erst möglich macht. Ein gegenüber der Invalidenversicherung bestehender direkter Rückerstattungsanspruch muss daher normativ festgehalten sein, damit von einem 'eindeutigen Rückforderungsrecht' gesprochen werden kann (AHI 2003 S. 262 Erw. 3a/bb, 2002 S. 163 Erw. 5b/bb; Urteil M. vom 11. Oktober 2004 [I 317/03]). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
4.4.3 Das kantonale Gericht hat somit die von der IV-Stelle verfügte Drittauszahlung einer Nachzahlung von Fr. 10'321.25 an die SWICA im Widerspruch zur hiefür massgebenden Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts und damit bundesrechtswidrig geschützt. Das angefochtene Urteil ist insoweit in teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzuheben.
5.
Da nicht ausschliesslich der Anspruch auf Versicherungsleistungen zu beurteilen war, ist das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht kostenpflichtig (Umkehrschluss aus Art. 134 OG). Dem Prozessausgang im kostenpflichtigen Streitpunkt der Drittauszahlung entsprechend sind die Gerichtskosten von der unterliegenden IV-Stelle zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Sie hat der Beschwerdeführerin ausserdem einen entsprechenden Anteil ihrer Parteikosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit Art. 135 OG).
Im Übrigen kann die beantragte unentgeltliche Verbeiständung gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu imstande ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 10. Mai 2005 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Luzern vom 3. Dezember 2003 bezüglich der Drittauszahlung von Fr. 10'321.25 an die SWICA Gesundheitsorganisation aufgehoben. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden der IV-Stelle Luzern auferlegt.
3.
Die IV-Stelle Luzern hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Verfahrens noch zu befinden haben.
5.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Niggli, Luzern, aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien, der SWICA Gesundheitsorganisation, Winterthur, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Gemeinde X.________ und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 18. April 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: