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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_19/2014 {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. Juni 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, 
Bundesrichterin Pfiffner, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Flury, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Luzern,  
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantons- 
gerichts Luzern vom 19. November 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ (geb. 1965) litt in der Folge dreier Unfälle (1989, 1990 und 1998) an belastungs- und bewegungsabhängigen Schmerzen im rechten Sprunggelenk (bei fortgeschrittener posttraumatischer Arthrose des oberen Sprunggelenks), an belastungsabhängigen Schmerzen und leicht eingeschränkter Beweglichkeit des linken Knies (posttraumatische Gonarthrose), einer Instabilität des linken Knies, einer Fehlstellung beider Knie sowie an einem chronischen lumbovertebralen Schmerzsyndrom (Status nach einer Kompressionsfraktur des ersten Lendenwirbelkörpers; Austrittsbericht der Klinik D.________ vom 23. September 2002). Mit Wirkung seit August 2002 bezog sie eine ganze und ab Januar 2003 eine halbe Invalidenrente (Verfügungen der IV-Stelle Luzern vom 11. Dezember 2003 und 7. Januar 2004). Nach einer Überprüfung des Anspruchs hob die IV-Stelle die Rente auf dem Wege der Wiedererwägung mit Wirkung ab Ende Juni 2012 auf (Verfügung vom 24. Mai 2012). 
 
B.   
Das Kantonsgericht Luzern wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 19. November 2013). 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid und die strittige Verfügung seien aufzuheben. Eventuell sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen und dieses zu verpflichten, den medizinischen Sachverhalt mittels neutralem Gutachten abzuklären und in der Folge neu zu entscheiden. Subeventuell sei die Vorinstanz zu verpflichten, sich mit dem Sachverhalt und der aktuellen Rechtsprechung auseinanderzusetzen und anschliessend neu zu entscheiden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger durch Wiedererwägung auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Die erstgenannte Voraussetzung meint, dass kein vernünftiger Zweifel an der (von Beginn weg bestehenden) Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also einzig dieser Schluss denkbar ist. Dieses Erfordernis ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprechung unvertretbar war, weil sie aufgrund falscher Rechtsregeln erfolgte oder weil massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden (BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328). Zweifellos unrichtig ist die Verfügung auch, wenn ihr ein unhaltbarer Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, insbesondere wenn eine klare Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes zu einem unvollständigen Sachverhalt führte (vgl. Art. 43 Abs. 1 ATSG; Urteil 9C_466/2010 vom 23. August 2010 E. 3.2.2 mit Hinweis). Die Frage nach der zweifellosen Unrichtigkeit beurteilt sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Verfügungserlasses, einschliesslich der damaligen Rechtspraxis (vgl. BGE 138 V 147 E. 2.1 S. 149). 
 
3.   
Das kantonale Gericht stellte fest, die Verwaltung habe sich bei der Rentenzusprechung im Wesentlichen auf den Bericht der Klinik D.________ vom 23. September 2002 gestützt. Danach sei die Beschwerdeführerin in der angestammten Tätigkeit einer Serviceangestellten zu 50 Prozent arbeitsunfähig (nur noch halbtags zumutbar), hingegen vollständig arbeitsfähig, was schonende, dem Gesundheitsschaden angepasste Arbeiten (kein Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Lasten, kein längeres Stehen oder Gehen, kein repetitives Treppensteigen, keine Arbeiten in Zwangshaltungen für die Knie oder Sprunggelenke) angehe. Die Verfügung vom 11. Dezember 2003 sei im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG zweifellos unrichtig gewesen, weil darin eine 50%ige medizinisch-theoretische Einschränkung unbesehen ihrer erwerblichen Auswirkungen als Invaliditätsgrad übernommen worden sei. Die im Gesetz vorgezeichnete Verfahrensweise der Invaliditätsbemessung dürfe nicht durch eine auf Ermessen beruhende Invaliditätsschätzung ersetzt werden. Somit seien die Rentenleistungen zu Recht ex nunc et pro futuro aufgehoben worden (E. 4 des angefochtenen Entscheids). 
Eine rentenbegründende Invalidität sei auch bis zur Verfügung vom 24. Mai 2012 nicht eingetreten: Nach dem Untersuchungsbericht des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der IV-Stelle vom 21. September 2011 (durch Dr. B.________, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates) wirkten heute eine fortgeschrittene posttraumatische Arthrose des linken Knies, eine posttraumatische Arthrose des rechten oberen Sprunggelenks und eine posttraumatische Fehlstatik der Wirbelsäule u.a. mit chronischem intermittierendem Schmerzsyndrom leistungseinschränkend. Angesichts des erhobenen Funktionsniveaus (Würdigung von Tagesablauf, subjektiven Beschwerden und klinischen Befunden) sei davon auszugehen, dass sich die Versicherte im Laufe der Zeit an ihre körperlichen Einschränkungen angepasst habe. Spätestens ab dem Untersuchungszeitpunkt sei eine unlimitierte Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit gegeben. Darauf dürfe abgestellt werden, zumal der Sachverständige des RAD die Vorakten einlässlich diskutiere und sich insbesondere mit darin enthaltenen abweichenden Einschätzungen über die Arbeitsfähigkeit auseinandersetze. Der Untersuchungsbericht sei daher uneingeschränkt beweiswertig (E. 5). Gestützt auf die Feststellung vollständiger Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten nahm das kantonale Gericht einen Einkommensvergleich nach Art. 16 ATSG vor. Es schloss, eine Invalidität liege nicht vor, da das anrechenbare Invalideneinkommen das hypothetische Einkommen im Gesundheitsfall (Valideneinkommen) übertreffe (E. 6). 
 
4.   
Die vorstehend zusammengefassten Erwägungen der Vorinstanz verletzen kein Bundesrecht. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Schlussfolgerung, die IV-Stelle sei zutreffend von einer zweifellosen Unrichtigkeit der Rentenzusprechung ausgegangen, als auch bezüglich der aktuellen Invaliditätsbemessung. 
 
4.1.   
 
4.1.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das kantonale Gericht habe die Frage nach der zweifellosen Unrichtigkeit (Art. 53 Abs. 2 ATSG) zu Unrecht nach Rechtssätzen des ATSG beurteilt, obwohl diese in dem vor dem 1. Januar 2003 liegenden Teil des Beurteilungszeitraums noch nicht in Kraft standen. Die damals geltenden Grundsätze der Invaliditätsbemessung (vgl. S. 9 Ziff. 3 der Beschwerdeschrift) haben indes keine Änderung erfahren, die im hiesigen Zusammenhang bedeutsam wäre (BGE 130 V 343). Des Weitern deckt sich die Beschränkung des Gegenstands der Versicherung auf die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung gemäss Art. 7 Abs. 2 ATSG (in Kraft seit 1. Januar 2008; vgl. S. 11 Ziff. 4 der Beschwerdeschrift) mit der gefestigten Rechtsprechung vor Einfügung dieser Bestimmung in das ATSG (vgl. BGE 127 V 294).  
 
4.1.2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Feststellung im Austrittsbericht der Klinik D.________ vom 23. September 2002, wonach während des Aufenthalts "eine nur mässige Verbesserung der Belastbarkeit" erreicht wurde, zwanglos mit der Schlussfolgerung vereinbar,  in angepassten Tätigkeiten bestehe eine vollständige Arbeitsfähigkeit. Denn die attestierten Einschränkungen in der Belastbarkeit beziehen sich auf die physisch anspruchsvolle bisherige Tätigkeit der Serviceangestellten. Aus ebendiesem Grund die Rentenzusprechung ebenfalls nicht gerechtfertigt hätte das zuhanden des Unfallversicherers erstattete Gutachten des Orthopäden Dr. C.________ vom 19. Februar 2003, wäre es der IV-Stelle vor den rentenzusprechenden Verfügungen vorgelegen.  
 
4.1.3. Die Wiedererwägung der Verfügungen vom 11. Dezember 2003 und 7. Januar 2004 verstösst nicht gegen Bundesrecht. Die Rentenzusprechung war auch aus damaliger Sicht zweifellos unrichtig, weil die (teilweise) Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen, ungeeigneten Arbeit zugrundegelegt wurde; hingegen bestand in angepassten Verweisungstätigkeiten eine vollumfängliche Arbeitsfähigkeit (vgl. Art. 16 ATSG).  
 
4.2.   
 
4.2.1. Eine Aufhebung oder Herabsetzung des bisherigen Rentenanspruchs auf dem Weg einer Wiedererwägung setzt voraus, dass bis dahin keine Invalidität eingetreten ist (Urteile 9C_960/2008 vom 6. März 2009 E. 1.2 mit Hinweisen, I 859/05 vom 10. Mai 2006 E. 2.3 und I 222/02 vom 19. Dezember 2002 E. 5.1).  
 
4.2.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vorinstanzliche Entscheidungsgrundlage leide diesbezüglich an einem Rechtsmangel, weil im Verlauf des Verfahrens kein verwaltungsexternes Administrativ- und kein Gerichtsgutachten eingeholt worden sind. Je nach Fragestellung kann auch in Fällen des Rückkommens auf eine laufende Invalidenrente durchaus allein anhand verwaltungsinterner Gutachten und Arztberichte abschliessend entschieden werden (vgl. Art. 59 Abs. 2bis IVG). Im Verfahren um Zusprechung oder Verweigerung von Sozialversicherungsleistungen besteht kein förmlicher Anspruch auf versicherungsexterne Begutachtung, sofern nicht Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen bestehen (BGE 135 V 465). Damit entfällt auch der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin sei verletzt.  
 
4.2.3. Das kantonale Gericht hat den aktuellen Invaliditätsgrad auf der Grundlage eines richtig und vollständig festgestellten Sachverhalts ermittelt und festgehalten, dass auch bis zur Aufhebungsverfügung kein Rentenanspruch entstanden ist (Art. 16 ATSG und Art. 28 f. IVG).  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Juni 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub