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[AZA 0/2] 
4C.109/2001/rnd 
 
I. ZIVILABTEILUNG 
******************************* 
 
18. Juli 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Corboz, 
präsidierendes Mitglied, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler 
und Gerichtsschreiber Mazan. 
 
--------- 
 
In Sachen 
A.________, Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter, Bahnhofstrasse 6, 5610 Wohlen, 
 
gegen 
X.________ AG, Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Fürsprecher Peter Meyer, Kirchenrain 8, Postfach 76, 5610 Wohlen, 
 
betreffend 
fristlose Entlassung, hat sich ergeben: 
 
A.-Seit dem 3. Januar 1994 war der Kläger bei der Beklagten als Metzger angestellt. Nachdem er am 18. November 1998 eine Abklatschprobe verweigert hatte, die der Hygieneverantwortliche der Beklagten verlangt hatte, wurde er von der Geschäftsleitung fristlos entlassen. 
 
B.-In der Folge beantragte der Kläger beim Arbeitsgericht Lenzburg die Feststellung, dass die am 18. November 1998 ausgesprochene fristlose Kündigung ungerechtfertigt sei; die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, ihm gestützt auf Art. 337c Abs. 1 OR Fr. 13'603. 25 zuzüglich Zins sowie gestützt auf Art. 337c Abs. 3 OR eine Entschädigung von Fr. 10'580.-- zu bezahlen. Mit Urteil vom 5. Januar 2000 wies das Arbeitsgericht Lenzburg die Klage mit Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Klägers ab. Dagegen erhob der Kläger Appellation ans Obergericht des Kantons Aargau, worauf folgendes Urteil gefällt wurde: 
 
"1. In teilweiser Gutheissung der Appellation wird 
das Urteil des Arbeitsgerichtes Lenzburg vom 5. Januar 
2000 aufgehoben und durch folgende Bestimmungen 
ersetzt: 
 
1. In teilweiser Gutheissung der Klage wird die 
Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung 
nach Art. 337c Abs. 1 OR im Betrag von 
Fr. 2'176. 70 netto nebst Zins zu 5% seit 1. Januar 
1999 zu bezahlen. 
2. Die Gerichtskosten (...) [von] Fr. 1'560.-- werden dem Kläger zu 9/10, somit mit 
Fr. 1'404.--, und der Beklagten zu 1/10, somit 
 
mit Fr. 156.--, auferlegt. 
3. Der Kläger hat der Beklagten 4/5 der richterlich 
auf Fr. 6'966.-- (...) festgelegten Parteikosten 
zu ersetzen. 
 
2. Die obergerichtlichen Verfahrenskosten (...) 
[von] Fr. 891.-- werden dem Kläger zu 8/9, somit 
mit Fr. 792.--, und dem Beklagten zu 1/9, somit mit 
Fr. 99.-- auferlegt. 
 
3. Der Kläger wird verpflichtet, der Beklagten 7/9 
der richterlich auf Fr. 2'438. 30 (...) festgelegten 
Parteikosten zu ersetzen.. " 
 
C.-Mit Berufung vom 28. März 2001 beantragt der Kläger dem Bundesgericht im Wesentlichen, Ziff. 1 des Urteils des Obergerichtes des Kantons Aargau wie folgt neu zu fassen: 
 
"1. In teilweiser Gutheissung der Appellation wird 
das Urteil des Arbeitsgerichtes Lenzburg vom 5. Januar 
2000 aufgehoben und durch folgende Bestimmungen 
ersetzt: 
 
1. In teilweiser Gutheissung der Klage wird die 
Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung 
nach Art. 337c Abs. 1 OR im Betrag von 
Fr. 2'176. 70 netto nebst Zins zu 5% seit 1. Januar 
1999, wie eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR im Betrage von Fr. 10'580.-- zu 
bezahlen. 
 
2. Die Gerichtskosten (...) [von] Fr. 1'560.-- werden der Beklagten auferlegt. 
3. Die Beklagte hat dem Kläger die richterlich 
 
noch zu genehmigenden Parteikosten (eventualiter 
im Betrage von Fr. 6'966.--) zu ersetzen.. " 
 
Ferner seien die Kosten des Verfahrens vor Obergericht und vor Bundesgericht der Beklagten aufzuerlegen und diese zur Bezahlung einer Entschädigung zu verpflichten. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung. Das Obergericht verzichtete auf Gegenbemerkungen. 
 
In der gleichen Sache gelangt der Kläger auch mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.-Erhebt eine Partei gleichzeitig staatsrechtliche Beschwerde und Berufung, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden, und der Entscheid über die Berufung wird ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 OG). Von dieser Regel wird unter anderem dann abgewichen, wenn die Berufung wie vorliegend unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens gutzuheissen ist (BGE 120 Ia 377 E. 1 S. 379 m.w.H.; vgl. auch BGE 122 I 81 E. 1 S. 82 f.). Es rechtfertigt sich daher, die Berufung vorweg zu behandeln. 
 
2.-Im angefochtenen Urteil hat die Vorinstanz die fristlose Kündigung als ungerechtfertigt bezeichnet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe eine Anordnung des Hygieneverantwortlichen missachtet und in der Folge sein Messer erhoben und den Hygieneverantwortlichen vor der ganzen Belegschaft lächerlich gemacht. Diese Verfehlungen des Klägers rechtfertigten allerdings keine fristlose Kündigung. Der Beklagten sei nämlich anzulasten, dass sie den Entscheid der fristlosen Kündigung nach der Schilderung des Vorfalls durch den Hygieneverantwortlichen getroffen habe, ohne die Situation vorerst objektiv abzuklären. 
Weiter falle in Betracht, dass es sich um ein langjähriges, ohne nennenswerte Schwierigkeiten verlaufenes Arbeitsverhältnis gehandelt habe und dass sogar eine Beförderung zum Vorarbeiter erwogen worden sei. Schliesslich sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in einem gekündigten Arbeitsverhältnis befunden habe und insofern höhere Anforderungen an die wichtigen Gründe für eine fristlose Entlassung zu stellen seien. Ob diese Begründung zutreffend ist und die fristlose Kündigung unzulässig war, ist im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu prüfen. Auf den Einwand der Beklagten, die fristlose Kündigung sei aufgrund der konkreten Umstände gerechtfertigt gewesen, ist nicht einzugehen, weil diese Frage nicht zum Gegenstand einer (bedingten) Anschlussberufung gemacht wurde. 
 
3.-Im vorliegenden Fall ist daher nur zu prüfen, ob das Obergericht eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR ohne Verletzung von Bundesrecht verweigern durfte, obwohl dem Kläger nicht hätte fristlos gekündigt werden dürfen. Der Anspruch auf eine Entschädigung wurde im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dem Kläger sei ein schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen, welches schwerer wiege als das vergleichsweise geringe Verschulden der Beklagten am fehlerhaften Entscheidfindungsprozess. Abgesehen davon habe die Kündigung den Kläger ohnehin nicht besonders schwer getroffen, weil er das Arbeitsverhältnis schon gekündigt und nach wenigen Wochen wieder eine Anstellung mit besserer Entlöhnung gefunden habe. 
 
a)Gemäss Art. 337c Abs. 3 OR kann der Richter den Arbeitgeber verpflichten, dem ungerechtfertigt fristlos entlassenen Arbeitnehmer eine Entschädigung zu bezahlen, die er nach freiem Ermessen unter Würdigung aller Umstände festlegt; diese Entschädigung darf jedoch den Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate nicht übersteigen. Diese Sanktion hat sowohl Strafcharakter als auch Genugtuungsfunktion und soll die durch die fristlose Kündigung erlittene Persönlichkeitsverletzung ausgleichen (BGE 123 V 5 E. 2a S. 7 m.w.H.; BGE vom 19.3.1999, JAR 2000 S. 235). Obwohl Art. 337c Abs. 3 OR nach seinem Wortlaut eine "Kann-Vorschrift" ist, geht die Rechtsprechung davon aus, dass in aller Regel eine Entschädigung geschuldet ist und nur in aussergewöhnlichen Fällen darauf verzichtet werden darf (BGE 121 III 64 E. 3c S. 68, 120 II 243 E. 3e S. 248, 116 II 300 E. 5a S. 301). Solche Ausnahmen ergeben sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles, die sich nicht generell umschreiben lassen (BGE vom 1.2.1991, JAR 1995 S. 221). Grundsätzlich wird vorausgesetzt, dass dem Arbeitgeber ein Fehlverhalten nicht angelastet werden kann (BGE 116 II 300 E. 5a S. 301/302; BGE vom 19.3.1999, JAR 2000 S. 235 f.); allenfalls kann ein leichtes Fehlverhalten des Arbeitgebers durch besondere Umstände, die zur fristlosen Kündigung geführt haben, aufgewogen werden (BGE vom 1.2.1991, JAR 1995 S. 221). 
 
b) Ob im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise die Verweigerung einer Entschädigung rechtfertigen, ist ein Ermessensentscheid. Diesbezüglich verfügt der Sachrichter über einen weiten Ermessensspielraum. 
Das Bundesgericht greift in einen solchen Ermessensentscheid nach konstanter Rechtsprechung nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn Tatsachen berücksichtigt wurden, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn umgekehrt Umstände ausser Acht geblieben sind, die zwingend hätten beachtet werden müssen. Ferner wird in derartige Ermessensentscheide eingegriffen, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 121 III 64 E. 3c S. 68 f. m.w.H.). 
 
c) Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz dem Kläger zu Recht vorgeworfen, dass er eine berechtigte Weisung des Hygieneverantwortlichen missachtet und in der Folge sein Messer erhoben und den Hygieneverantwortlichen vor der ganzen Belegschaft lächerlich gemacht habe. Angesichts der Bedeutung der Hygiene in Metzgereibetrieben kann nicht toleriert werden, dass Anordnungen des Hygieneverantwortlichen missachtet werden und die betreffende Person dabei lächerlich gemacht wird. Der Versuch des Klägers, dieses Verhalten mit dem Hinweis auf die rauheren Umfangsformen in einem Metzgereibetrieb zu bagatellisieren, überzeugt nicht. Im Gegenteil kann dem Obergericht beigepflichtet werden, dass die Beklagte Massnahmen treffen musste, um die Autorität derjenigen Person, die für die wichtige Frage der Hygiene verantwortlich ist, in den Augen der Belegschaft wiederherzustellen. 
Zutreffend ist auch die Auffassung des Obergerichtes, dass der Beklagten insoweit nur ein "vergleichsweise geringes Verschulden" anzulasten sei, als sie die fristlose Kündigung nach der Schilderung des Hygieneverantwortlichen spontan ohne objektive Klärung der Situation ausgesprochen habe. 
 
d) Demgegenüber wurden im angefochtenen Entscheid verschiedene weitere Umstände nicht oder falsch gewürdigt. 
Soweit eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR mit der Begründung verneint wird, die fristlose Kündigung habe den Kläger nicht besonders schwer getroffen, da er das Arbeitsverhältnis schon gekündigt habe, verkennt die Vorinstanz, dass die Entschädigung nicht nur den Ausgleich einer Persönlichkeitsverletzung, die der Arbeitnehmer durch eine ungerechtfertigte fristlose Entlassung erlitten hat, sondern auch die Bestrafung des Arbeitgebers für sein unzulässiges Vorgehen bezweckt (vgl. oben, Erw. 3a). Zu Unrecht relativiert das Obergericht die unzulässige fristlose Entlassung auch mit dem Argument, der Kläger habe nach wenigen Wochen wieder eine Anstellung mit besserer Entlöhnung gefunden; dem angefochtenen Urteil kann keine Feststellung entnommen werden, dass der Kläger bereits am 18. November 1999 im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung die besagte Stelle gefunden hatte, weshalb dieser Umstand, der sich möglicherweise erst nach der Kündigung ergeben hat, nicht hätte berücksichtigt werden dürfen (BGE 124 III 25 E. 3c mit Hinweis). Schliesslich fällt in Betracht, dass das Obergericht wesentliche Umstände, die der Beklagten anzulasten sind, bei der Frage der Entschädigung nicht berücksichtigt hat; so wurde ausser Betracht gelassen, dass mit dem Kläger ein langfristiges, ohne nennenswerte Schwierigkeiten verlaufenes Arbeitsverhältnis bestanden hat und dass sogar eine Beförderung zum Vorarbeiter erwogen worden ist; diese Umstände, welche im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der fristlosen Kündigung erwähnt worden sind (vgl. oben, Erw. 2), hätten auch bei der Festsetzung der Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR berücksichtigt werden müssen. Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass die Vorinstanz den Umstand der fristlosen Kündigung im gekündigten Arbeitsverhältnis falsch und den Umstand der besseren Entlöhnung an der neuen Stelle zu Unrecht berücksichtigt. Schliesslich sind weitere Umstände - langjähriges Arbeitsverhältnis, das klaglos verlaufen ist - unberücksichtigt geblieben. Eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR hätte daher nicht verweigert werden dürfen. 
 
e) Unter Berücksichtigung des Fehlverhaltens des Klägers und des fehlerhaften Vorgehens der Beklagten im Zusammenhang mit der fristlosen Entlassung (lit. c) sowie der übrigen massgebenden Umstände (lit. d) erscheint eine Entschädigung von Fr. 4'000.-- angemessen. Die Beklagte ist daher zu verpflichten, dem Kläger zusätzlich zur Entschädigung nach Art. 337c Abs. 1 OR eine Pönalentschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR in der Höhe von Fr. 4'000.-- zu bezahlen. 
Im Übrigen ist das Verfahren zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen bezüglich des kantonalen Verfahrens ans Obergericht des Kantons Aargau zurückzuwiesen. 
 
4.-Da arbeitsrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.-- kostenlos sind (Art. 343 Abs. 3 OR [(Fassung in Kraft seit 1. Juni 2001, AS 2001, S. 1048]), ist keine Gerichtsgebühr zu erheben. Angesichts des Verfahrensausgangs, rechtfertigt es sich, die Parteientschädigungen wettzuschlagen (Art. 159 Abs. 3 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.-Die Berufung wird gutgeheissen, und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Aargau (1. Zivilkammer) vom 19. Januar 2001 wird aufgehoben. 
 
 
2.-In teilweiser Gutheissung der Klage wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 1 OR im Betrag von Fr. 2'176. 70 netto nebst Zins seit 1. Januar 1999 sowie eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR im Betrag von Fr. 4'000.-- zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird die Klage abgewiesen. 
 
 
3.-Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen für das kantonale Verfahren ans Obergericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
4.-Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
 
5.-Die Parteientschädigungen werden wettgeschlagen. 
 
6.-Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau (1. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 18. Juli 2001 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: