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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_428/2018  
 
 
Urteil vom 18. September 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 26. April 2018 (VBE.2018.28). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 14. November 2017 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau einen geltend gemachten Anspruch des 1991 geborenen A.________ auf Arbeitslosenentschädigung, weil er die erforderliche Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten nicht erfüllt habe. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 11. Dezember 2017 fest. 
 
B.   
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 26. April 2018 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihm Taggelder der Arbeitslosenversicherung zuzusprechen. 
Die Arbeitslosenkasse schliesst sinngemäss auf Gutheissung der Beschwerde. Die Vorinstanz und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
2.   
Zu beurteilen ist die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung wegen fehlender Beitragszeit verneint hat. 
Nach Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wer die Beitragszeit erfüllt hat (Art. 13 AVIG) oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (Art. 14 AVIG). Die Beitragszeit hat laut Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist für die Beitragszeit während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor dem Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 AVIG). 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht führte in prozessrechtlicher Hinsicht aus, der Versicherte habe vor kantonalem Gericht um Sistierung des Verfahrens bis 8. Februar 2018 ersucht, damit der Ausgang eines arbeitsgerichtlichen Schlichtungsverfahrens abgewartet werden könne. Trotz entsprechender Aufforderung mittels instruktionsrichterlicher Verfügung vom 16. März 2018 habe er darauffolgend weder Auskunft über den Stand des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Zofingen erteilt noch Unterlagen eingereicht, weshalb androhungsgemäss gestützt auf die vorhandenen Akten entschieden worden sei.  
 
3.2. Es stellte nach eingehender Würdigung der Aktenlage sodann fest, der Beschwerdeführer habe mit elf Monaten und 25,2 Tagen die notwendige zwölfmonatige Beitragszeit in der vom 28. August 2015 bis 27. August 2017 dauernden Rahmenfrist nicht erfüllt. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er am 12. sowie zwischen dem 15. und 25. August 2017 für die B.________ GmbH gearbeitet habe. Zu diesem Schluss gelangte die Vorinstanz aufgrund der zunächst gegenüber der Arbeitslosenkasse unterlassenen Angabe dieser behaupteten Arbeitseinsätze und die fehlende Geltendmachung damit einhergehender Lohnansprüche, der insgesamt widersprüchlichen Aussagen des Versicherten sowie der Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin dazu. Danach sei der Versicherte lediglich am 26. August 2017 im Einsatz gewesen. An den übrigen Tagen sei einzig der Einkauf von Kleidung hinsichtlich der im August und September 2017 geplanten Einsätze ausgewiesen.  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer reicht letztinstanzlich einen Entscheid des Bezirksgerichts Zofingen, Arbeitsgericht, vom 8. Februar 2018 über eine Vereinbarung zwischen ihm und der B.________ GmbH ein. Darin bestätigte die B.________ GmbH als seine ehemalige Arbeitgeberin, ihn nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Ende Juni 2017 für weitere sechs Tage im August 2017 beschäftigt zu haben. Zusätzlich legte der Beschwerdeführer Taggeldabrechnungen der Beschwerdegegnerin für die Monate August 2017 bis April 2018 auf.  
 
4.2. In ihrer Stellungnahme vom 3. Juli 2018 führt die Arbeitslosenkasse dazu aus, mit Schreiben vom 9. März 2018 habe sie den Einspracheentscheid vom 11. August 2017 aufgehoben, da gemäss Entscheid des Arbeitsgerichts Zofingen vom 8. Februar 2018 in der Zeit vom 15. bis 26. August 2017 Arbeitstage anerkannt worden seien. Diese Zeit gelte daher nachträglich als Beitragszeit im Sinne von Art. 13 AVIG. Der Beschwerdeführer habe damit die erforderliche Beitragszeit erfüllt. Trotz entsprechender Aufforderung habe er dannzumal aber weder den arbeitsgerichtlichen Entscheid beim kantonalen Gericht eingereicht noch die hängige vorinstanzliche Beschwerde zurückgezogen. Die Beschwerdegegnerin stellt damit sinngemäss Antrag auf Gutheissung der Beschwerde.  
 
5.  
 
5.1. Die Feststellungen und die Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts beruhen nicht auf einer Rechtsverletzung. Zudem ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargelegt (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG), dass sie offensichtlich unrichtig (d.h. unhaltbar, willkürlich: BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; Urteil 9C_607/2012 vom 17. April 2013 E. 5.2) sein sollen, weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich bleiben (E. 1). Indem der Beschwerdeführer lediglich auf den Entscheid des Bezirksgerichts Zofingen, Arbeitsgericht, vom 8. Februar 2018 verweist und auf die Tatsache, dass er diesen Entscheid der Arbeitslosenkasse am 5. März 2018 per E-Mail zugestellt habe, beschränkt er sich auf das Vorbringen von (unechten) Noven. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen jedoch nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können. Der Beschwerdeführer begründet nicht, weshalb er den arbeitsgerichtlichen Entscheid vom 8. Februar 2018, obwohl er hierzu aufgefordert worden war, nicht im Rahmen des beim kantonalen Gericht hängigen Prozesses einreichte. Dementsprechend geht auch sein Einwand fehl, die Vorinstanz hätte in Verletzung des rechtlichen Gehörs beim Arbeitsgericht Zofingen weitere Unterlagen einholen müssen. Der Entscheid vom 8. Februar 2018 bleibt daher ebenso unbeachtet wie die Ausführungen dazu in der Beschwerde sowie die diesbezüglichen weiteren Dokumente (E-Mail an die Arbeitslosenkasse vom 5. März 2018 und Taggeldabrechnungen derselben).  
 
5.2. Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass die Arbeitslosenkasse - mithin ohne das kantonale Gericht zu informieren - während des hängigen kantonalen Beschwerdeverfahrens, nach Erstattung ihrer Beschwerdeantwort auf ihren angefochtenen Entscheid zurückkam und Arbeitslosentaggelder gewährte. Mit diesem Vorgehen verkannte die Arbeitslosenkasse, dass der Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht als ordentliches Rechtsmittel nach Art. 56 ff. ATSG Devolutiveffekt zukommt (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 136 V 5), womit die Zuständigkeit zum Entscheid über eine angefochtene Verfügung grundsätzlich an die Beschwerdeinstanz übergeht. Mit der Rechtshängigkeit verliert die Verwaltung mit andern Worten die Herrschaft über den Streitgegenstand, insbesondere auch in Bezug auf die tatsächlichen Verfügungs- und Entscheidungsgrundlagen (SVR 2017 UV Nr. 25 S. 83 E. 6.2, 8C_81/2017; BGE 130 V 136 E. 4.2 S. 142 f.; vgl. Art. 53 Abs. 3 ATSG, der eine Wiedererwägung lite pendente nur bis zur Beschwerdeantwort zulässt). Der Arbeitslosenkasse war es daher verwehrt, auf ihren leistungsverneinenden Entscheid vom 11. Dezember 2017 revisionsweise zurückzukommen. Sie hätte nach Kenntnis des arbeitsgerichtlichen Entscheids vom 8. Februar 2018 (als neue erhebliche Tatsache) einen Antrag auf Gutheissung der vorinstanzlich eingereichten Beschwerde stellen können, was sie unterliess. Nachdem es der Beschwerdeführer seinerseits (ohne Begründung) unterliess, die neuen Tatsachen vorzubringen, obwohl ihn die Vorinstanz dazu mittels verfahrensleitender Verfügung aufgefordert hatte, verletzte das kantonale Gericht kein Bundesrecht, wenn es anhand der gegebenen Aktenlage einen Anspruch auf Taggeldleistungen der Arbeitslosenversicherung verneinte.  
 
5.3. Daran ändert nichts, dass die Arbeitslosenkasse im hängigen Verfahren vor Bundesgericht die Beschwerde anerkennt. Da die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden kann und das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 Abs. 1 BGG), bedingt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids in (teilweiser) Gutheissung der Beschwerde, dass eine Rechtsverletzung geltend gemacht und bejaht wird (BGE 107 II 189 E. 1 S. 191; Urteile 5A_771/2014 vom 4. Mai 2015 E. 1 und 2P.38/2002 vom 2. April 2002 E. 1). Eine Anerkennung der Beschwerde durch die Gegenpartei führt daher nicht (ohne Prüfung) zu deren Gutheissung (Urteile 8C_92/2018 vom 7. August 2018 E. 1.1 mit weiteren Hinweisen und 8C_400/2016 vom 9. August 2016 E. 1.3). Damit bleibt es bei dem in allen Teilen bundesrechtskonformen vorinstanzlichen Entscheid.  
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. September 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla