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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
C 258/05 
 
Urteil vom 18. Oktober 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiberin Berger Götz 
 
Parteien 
H.________, 1970, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Roth, Gartenhofstrasse 17, 8036 Zürich, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Brunngasse 6, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 11. August 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1970 geborene H.________ war von November 1992 bis Februar 2001 und hernach seit 1. Januar 2002 für die J.________ AG im Bereich Kalkulation und Verkauf tätig. Mit Schreiben vom 25. Januar 2004 löste er das Arbeitsverhältnis durch Kündigung per 30. April 2004 auf. Am 25. Oktober 2004 wurde über die J.________ AG der Konkurs eröffnet, in welchem H.________ am 29. November 2004 eine Lohnrestforderung für den Monat April 2004 von Fr. 1800.- (und einen Bonus auf Grund der Erfolgsbeteiligung im Jahr 2000 von Fr. 30'000.-) eingab. 
Am 13. November 2004 stellte H.________ bei der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich Antrag auf Insolvenzentschädigung für einen Lohnausstand im Betrag von Fr. 2070.-. Die Kasse lehnte das Begehren mit der Begründung ab, der Versicherte sei seiner Schadenminderungspflicht nicht in genügendem Mass nachgekommen (Verfügung vom 9. Februar 2005). Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 22. April 2005). 
B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 11. August 2005 ab. 
C. 
H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei ihm eine Insolvenzentschädigung auszurichten. 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
In formeller Hinsicht rügt der Beschwerdeführer, der Verwaltung sei eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorzuwerfen, weil sie sowohl die Verfügung als auch den Einspracheentscheid nicht genügend begründet habe. 
1.1 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung einer Person eingreift. Dazu gehört insbesondere deren Recht, sich vor Erlass des in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 129 II 504 Erw. 2.2, 127 I 56 Erw. 2b, 127 III 578 Erw. 2c, 126 V 131 Erw. 2b; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 126 I 16 Erw. 2a/aa, 124 V 181 Erw. 1a, 375 Erw. 3b, je mit Hinweisen). 
1.2 Wesentlicher Bestandteil des verfassungsrechtlichen Gehörsanspruchs ist sodann die Begründungspflicht. Diese soll verhindern, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt, und dem Betroffenen ermöglichen, die Verfügung gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihre Verfügung stützt. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 124 V 181 Erw. 1a mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für die Gerichte. Im ATSG sind nunmehr diverse Teilaspekte des Gehörsanspruchs ausdrücklich geregelt (noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil A. vom 30. Juni 2006, I 158/04, Erw. 4.1). So wird in Art. 49 Abs. 3 Satz 2 ATSG normiert, dass Verfügungen zu begründen sind, wenn sie den Begehren der Parteien nicht voll entsprechen. Gemäss Art. 52 Abs. 2 Satz 2 ATSG werden Einspracheentscheide begründet und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. 
1.3 Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge mangelnder Begründung liegt in casu nicht vor, auch wenn Verfügung und Einspracheentscheid knapp motiviert sind: Die Verwaltung hat ihre wesentlichen Überlegungen dargelegt und auch begründet, weshalb aus ihrer Sicht die Schadenminderungspflicht verletzt ist. Der Beschwerdeführer übersieht bei seiner Argumentation namentlich die zweite Seite der Verfügung vom 9. Februar 2005. Dort wird angegeben, dass der Beschwerdeführer seit dem letzten geleisteten Arbeitstag für die J.________ AG (29. April 2004) bis zur Konkurseröffnung (25. Oktober 2004) keine rechtlichen Schritte zur Durchsetzung des Lohnanspruches (Zahlungsbefehl, Lohnklage) unternommen habe: für die Zeit ab 14. Juni 2004 liege lediglich nicht eingeschrieben versandte Korrespondenz vor. Demgemäss gelangte die Arbeitslosenkasse zum Schluss, dass der Versicherte seiner Schadenminderungspflicht nicht in genügendem Mass nachgekommen sei. Im Einspracheentscheid vom 22. April 2005 wird detailliert angegeben, aus welchen Gründen die Verwaltung das Vorgehen des Versicherten zum Zweck der Lohneintreibung als zu wenig rigoros einschätzt. 
2. 
2.1 Im vorinstanzlichen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 1 AVIG) und zu dessen Umfang (Art. 52 Abs. 1 AVIG in der seit 1. Juli 2003 geltenden Fassung) sowie zu den Pflichten des Arbeitnehmers im Konkurs- oder Pfändungsverfahren (Art. 55 Abs. 1 AVIG; BGE 114 V 59 Erw. 3d; ARV 2002 Nr. 8 S. 62 ff. und Nr. 30 S. 190 ff., 1999 Nr. 24 S. 140 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
2.2 Die Bestimmung von Art. 55 Abs. 1 AVIG, wonach der Arbeitnehmer im Konkurs- oder Pfändungsverfahren alles unternehmen muss, um seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren, bezieht sich dem Wortlaut nach auf das Konkurs- und Pfändungsverfahren. Sie bildet jedoch Ausdruck der allgemeinen Schadenminderungspflicht, welche auch dann Platz greift, wenn das Arbeitsverhältnis vor der Konkurseröffnung aufgelöst wird (BGE 114 V 60 Erw. 4; ARV 1999 Nr. 24 S. 140 ff.). Die Schadenminderungspflicht obliegt der versicherten Person in reduziertem Umfang schon vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber der Lohnzahlungspflicht nicht oder nur teilweise nachkommt und mit einem Lohnverlust zu rechnen ist (ARV 2002 Nr. 30 S. 190). 
3. 
3.1 Aus den Akten geht hervor, dass die ehemalige Arbeitgeberin ihren Lohnzahlungspflichten im Grundsatz nachgekommen ist. Nur für den letzten Monat vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (April 2004) besteht ein Ausstand von Fr. 1800.-. Der darüber hinaus vom Versicherten geforderte Bonus von Fr. 30'000.- (für eine Erfolgsbeteiligung im Jahr 2000) bildet (zu Recht) nicht Teil der geltend gemachten Insolvenzentschädigung, weshalb dazu im vorliegenden Prozess keine Ausführungen erforderlich sind. 
Zunächst behielt die ehemalige Arbeitgeberin allerdings den ganzen Lohn für den Monat April 2004 (Fr. 7696.60) zurück. Auf das Mahnschreiben des Beschwerdeführers vom 23. Mai 2004 hin überwies sie am 28. Mai 2004 (nach Abzug des Rückbehaltes von Fr. 1800.-) Fr. 5896.60. Mit Schreiben vom 1. Juni 2004 liess die inzwischen durch M.________ anwaltlich vertretene J.________ AG den Rückbehalt des Restlohnes mit dem Hinweis auf eine Schadenersatzforderung gegen den Versicherten begründen und eine Schlussrechnung in Aussicht stellen. Am 14. Juni 2004 entgegnete der Beschwerdeführer schriftlich, er fordere weiterhin die Begleichung des Ausstandes, und setzte dazu Frist bis 30. Juni 2004. In der Folge betraute er ebenfalls einen Rechtsanwalt, Daniel Roth, Zürich, mit der Wahrung seiner Interessen, liess mit Brief vom 22. Juli 2004 seine Forderungen bekräftigen und eine letzte Zahlungsfrist bis 6. August 2004 einräumen. Nach Vergleichsgesprächen zwischen den Interessenvertretern forderte Daniel Roth den Gegenanwalt am 9. September 2004 schriftlich auf, ihm bis spätestens 20. September 2004 eine Rückantwort zugehen zu lassen. Mittels Fax-Mitteilung vom 13. September 2004 erklärte Rechtsanwalt M.________, der Entscheid, wie die Sache effektiv abgehandelt werde, liege "am Ende" bei den Parteien. Er persönlich könne "seltenst" einen Prozess empfehlen, wenn die Streitsumme nicht markant höher liege, "als die vorliegend plädierte". Bis zur Konkurseröffnung am 25. Oktober 2004 kam es zu keinen weiteren Interventionen seitens des Versicherten. 
3.2 
3.2.1 Das kantonale Gericht ist der Auffassung, das Vorgehen des Beschwerdeführers nach beendigtem Arbeitsverhältnis bis zum 13. September 2004 sei nicht zu beanstanden. Allerdings hätte ihm spätestens am 13. September 2004 klar sein müssen, dass eine gütliche Einigung gescheitert war und nun der Rechtsweg beschritten werden musste. In den sechs Wochen zwischen dem 13. September 2004 und der Konkurseröffnung am 25. Oktober 2004 seien aber rechtliche Schritte weder behauptet noch belegt, weshalb von einer ungenügend erfüllten Schadenminderungspflicht auszugehen sei. 
3.2.2 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer hat - anders als im von Vorinstanz und Versichertem erwähnten Urteil S. vom 2. September 2003, C 145/03 - bereits im ersten Monat nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses den ausstehenden Lohn für April 2004 eingefordert. Er konnte einen Teilerfolg verzeichnen, indem ihm innert der angesetzten Zahlungsfrist (am 28. Mai 2004) Fr. 5896.60 überwiesen wurden. An der Restforderung von Fr. 1800.- hielt er in der Folge konsequent fest. Es ist dem kantonalen Gericht beizupflichten, dass der Versicherte die Schadenminderungspflicht mit seinem Vorgehen zumindest bis zum 13. September 2004 nicht verletzt hat. Aber auch für die Zeit danach lässt sich kein Fehlverhalten feststellen. Die Fax-Mitteilung von Rechtsanwalt M.________ vom 13. September 2004 enthält entgegen der im angefochtenen Gerichtsentscheid vertretenen Auffassung keine klare Absage hinsichtlich einer einvernehmlichen Lösung. Es wird darin eine wenig aussagekräftige Floskel verwendet, wonach die Streiterledigung letztlich in der Hand der involvierten Parteien liege. Die persönliche Ansicht von Rechtsanwalt M.________, wonach er einen Prozess nicht empfehlen könne, wenn die Streitsumme gering sei, ist ebenfalls mehreren Interpretationen zugänglich. Einerseits könnte verstanden werden, er empfehle dem Versicherten eine gerichtliche Durchsetzung der Forderung nicht. Anderseits könnte der Anwalt auch gemeint haben, er (persönlich) würde der ehemaligen Arbeitgeberin - in Anbetracht der geringen Streitsumme - die Begleichung des Ausstandes zwecks Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung anraten. Jedenfalls musste der Versicherte nach Zugang der Mitteilung vom 13. September 2004 nicht davon ausgehen, dass nun eine klageweise Geltendmachung der Restforderung unumgänglich geworden wäre. Zu berücksichtigen ist zusätzlich, dass die Lohnrestforderung verhältnismässig gering ist und keine Anhaltspunkte für finanzielle Schwierigkeiten der ehemaligen Arbeitgeberin bestanden. Ausserdem machte die J.________ AG Gegenforderungen geltend, zeigte sich aber durch die Begleichung eines grossen Teils der Lohnforderung und durch das Verhalten des von ihr beigezogenen Anwalts gesprächsbereit, so dass bis zur Konkurseröffnung kein unmittelbarer Anlass zur Beschreitung des Zwangsvollstreckungs- oder arbeitsrechtlichen Klageweges gegeben war. Ein Zuwarten in der Zeit vom 13. September bis 25. Oktober 2004 kann unter diesen Umständen nicht als Pflichtversäumnis seitens des Versicherten gelten. 
4. 
Der Beschwerdeführer hat seine Schadenminderungspflicht nicht verletzt. Damit ist allerdings noch nicht beantwortet, ob die weiteren Voraussetzungen, welche zum Bezug einer Insolvenzentschädigung berechtigen, ebenfalls erfüllt sind. Aus diesem Grund geht die Sache an die Arbeitslosenkasse zurück, welche nach allfälligen ergänzenden Abklärungen und nachdem sie dem Versicherten Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern - die übrigen Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen und erneut zu verfügen haben wird. 
5. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. August 2005 und der Einspracheentscheid der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich vom 22. April 2005 aufgehoben werden und die Sache an die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Insolvenzentschädigung neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 18. Oktober 2006 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: