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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_581/2009 
 
Urteil vom 18. November 2009 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ulrich Grauer, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Carlo Gick. 
 
Gegenstand 
Abänderung des Scheidungsurteils, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 12. August 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Urteil vom 20. Oktober 1976 schied das Bezirksgericht Kreuzlingen die Ehe zwischen X.________ und Y.________. Dabei verpflichtete es X.________ zu einer unbefristeten Unterhaltsersatzrente von Fr. 1'500.-- an seine abgeschiedene Ehefrau. Mit Urteilen vom 21. Februar bzw. 30. August 1991 lehnten das Bezirksgericht Winterthur und das Obergericht des Kantons Zürich das Begehren von X.________ um Aufhebung der Rente ab. 
 
B. 
Am 1. Februar 2008 verlangte X.________ erneut die Aufhebung der Rente, und zwar mit Wirkung ab Erreichen seines AHV-Alters am 25. Dezember 2007. Mit Urteil vom 30. Januar 2009 setzte das Bezirksgericht Winterthur die Rente auf Fr. 745.-- pro Monat herab. Am 12. August 2009 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich diesen Entscheid. 
 
C. 
Gegen das obergerichtliche Urteil hat X.________ am 8. September 2009 Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Begehren um vollständige Aufhebung der Rente ab Januar 2008, eventuell um Rückweisung der Sache zur ergänzenden Untersuchung und neuen Entscheidung, sowie um Verpflichtung von Y.________ zu sämtlichen Gerichts- und Parteikosten für alle Instanzen. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in Zivilsachen mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert; die Beschwerde in Zivilsachen ist somit gegeben (Art. 51 Abs. 1 lit. a und Abs. 4, Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
 
2. 
Bei der Festsetzung der Unterhaltsrente im Zeitpunkt der Scheidung lässt sich nur beschränkt vorhersehen, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten entwickeln werden. Eine unerwartete Veränderung der finanziellen Situation kann dazu führen, dass sich der ursprünglich festgelegte Unterhaltsbeitrag im Nachhinein als unangemessen erweist. Diesem Umstand tragen Art. 153 Abs. 2 aZGB und seit der Scheidungsrechtsrevision Art. 129 Abs. 1 nZGB dadurch Rechnung, dass bei erheblicher und dauernder Veränderung der Verhältnisse die Rente insbesondere herabgesetzt oder aufgehoben werden kann. Aufgrund der intertemporalrechtlichen Regelung in Art. 7a Abs. 3 ZGB ist die altrechtliche Unterhaltsersatzrente gemäss Art. 151 Abs. 1 aZGB vorliegend noch nach der Bestimmung von Art. 153 Abs. 2 aZGB abzuändern. Von der Sache her spielt dies insofern keine Rolle, als sich die beiden Regelungen - abgesehen von hier nicht interessierenden Abweichungen - entsprechen (vgl. Botschaft, BBl 1996 I 119). 
Der Abänderungsprozess erlaubt nur die Anpassung der Rente an veränderte Verhältnisse, nicht hingegen ihre vollständige Neufestsetzung. Es ist somit nicht zu prüfen, welcher Unterhaltsbeitrag auf Grund der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse als angemessen erschiene. Ausgangspunkt bildet das Scheidungsurteil, das massgebend dafür ist, welche Lebenshaltung der Bemessung des Unterhaltsbeitrages zugrunde gelegen hat. Daran ist das Abänderungsgericht gebunden, selbst wenn sich die Annahmen des Scheidungsgerichts im Nachhinein als unrichtig erweisen sollten. Dieser im Scheidungszeitpunkt gegebenen Lage hat das Abänderungsgericht die aktuelle Lebenshaltung gegenüberzustellen und zu prüfen, ob und in welchem Umfang sich die wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich, dauernd und unvorhersehbar verändert haben (Urteil 5C.197/2003, E. 2.1; vgl. auch BGE 117 II 359 E. 5 und 6 S. 365 ff.). 
 
3. 
Die kantonalen Instanzen haben das Existenzminimum der Beschwerdegegnerin auf Fr. 3'485.-- berechnet und sind davon ausgegangen, dass sie einen um 10 % erhöhten Betrag, mithin Fr. 3'835.-- zugute habe, weil man im Scheidungsurteil offensichtlich davon ausgegangen sei, dass ihr eine Lebenshaltung über dem Existenzminimum garantiert werden solle. Sie verfüge über eine AHV-Rente von Fr. 1'927.-- und eine Pension von Fr. 608.--. Sodann sei ihr ein Vermögensertrag von Fr. 555.-- pro Monat anzurechnen. Damit verbleibe ein Fehlbetrag von Fr. 745.--, auf den sie zur Aufrechterhaltung ihres gebührenden Standards immer noch angewiesen sei. Auf Seiten des Beschwerdeführers sei der Scheidungsrichter von einem Einkommen zwischen Fr. 4'000.-- und Fr. 5'000.-- ausgegangen, wobei der Mittelwert von Fr. 4'500.-- teuerungsbereinigt einem heutigen Betrag von Fr. 9'500.-- entspreche. Tatsächlich habe er bis vor seiner Pensionierung ein Durchschnittseinkommen in eben dieser Höhe erzielt. Jetzt verfüge er über eine AHV-Rente von Fr. 2'210.--, eine Pension von Fr. 1'250.-- sowie Einnahmen aus noch bestehender Teilzeitbeschäftigung als Chiropraktiker, die er nicht offen lege. 
Ausgehend von diesen Feststellungen hat das Obergericht erwogen, im Zeitpunkt der Scheidung sei nicht voraussehbar gewesen, dass die Beschwerdegegnerin einmal über eine Pension verfügen werde, gebe es doch erst seit 1985 ein Pensionskassenobligatorium. Unvorhersehbar sei auch gewesen, dass sie aufgrund ihrer äusserst sparsamen Lebensweise ein Vermögen würde äufnen können, aus dem sich ein Vermögensertrag erzielen lasse. Insofern sei auf ihrer Seite von einer unvorhersehbaren wirtschaftlichen Verbesserung auszugehen, wobei zur Aufrechterhaltung des ihr gemäss Scheidungsurteil zustehenden Standards noch ein Fehlbetrag von Fr. 745.-- verbleibe. Auf Seiten des Beschwerdeführers könne dessen Bedarf mangels Angaben nicht beziffert werden. Mangels Offenlegung sei auch das aktuelle Gesamteinkommen unbekannt. Nichts deute aber darauf hin und es werde auch nicht geltend gemacht, dass er den Betrag von Fr. 745.-- nicht bezahlen könnte. Die Herabsetzung der Rente um etwas über die Hälfte entspreche im Übrigen auch in etwa der Relation zwischen dem früheren Einkommen des Beschwerdeführers und seinem mutmasslichen Gesamteinkommen nach der Pensionierung. Das erstinstanzliche Urteil erscheine deshalb insgesamt als angemessen und vertretbar. 
 
4. 
In rechtlicher Hinsicht verweist der Beschwerdeführer zunächst auf seine Eingabe an das Obergericht und die Plädoyernotizen, was unzulässig ist: Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die Begründung muss deshalb in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein und auf blosse Verweise ist nicht einzutreten (BGE 116 II 92 E. 2 S. 93 f.; BGE 126 III 198 E. 1d S. 201; 131 III 384 E. 2.3 S. 387 f.; zur Weitergeltung dieser Rechtsprechung für die Beschwerde in Zivilsachen vgl. Urteile 4A_115/2007, E. 2.1; 4A_137/2007, E. 4). 
Der Beschwerdeführer hält sodann fest, dass für ihn ohnehin nicht juristische Fragen im Vordergrund stünden, sondern die Ungerechtigkeit, nach wie vor Unterhalt bezahlen zu müssen. Unbefristete Renten würden heute gar nicht mehr festgesetzt und seien bereits damals nur äusserst selten zugesprochen worden. Was ihm mit dem Scheidungsurteil des Bezirksgerichts Kreuzlingen widerfahren sei, habe wahrscheinlich nur gut 1 % der Männer betroffen; weil inzwischen viele Parteien gestorben seien, dürfte er mit einem solchen Urteil heutzutage allmählich fast alleine dastehen. Er sei einfach das Opfer einer unglücklichen Gesetzeskonstellation, zumal nach heutigem Recht das Verschuldensprinzip nicht mehr gelte. Zudem wäre der Beschwerdegegnerin zuzumuten, ihr Vermögen von Fr. 333'000.-- aufzubrauchen; ausgehend von ihrer Lebenserwartung ergebe sich daraus eine monatliche Rente von Fr. 2'613.--. Auch wenn das Vermögen infolge des Börsencrashs heute tiefer sein möge, ändere dies am Grundsatz nichts, zumal berücksichtigt werden müsse, dass er seine private Vorsorgeleistung im Unterschied zur Beschwerdegegnerin als Kapital ausbezahlt erhalten habe und dieses folglich mit dem angesparten Vermögen der Beschwerdegegnerin, nicht mit deren BVG-Rente gleichzusetzen sei. Es gehe daher nicht an, dass nur ihm, nicht aber der Beschwerdegegnerin ein Vermögensverzehr zugemutet werde. Schliesslich sei nicht erstellt, dass diese ihr Vermögen tatsächlich aufgrund einer äusserst sparsamen Lebensweise habe aufbauen können; vielmehr müsse angenommen werden, dass sie dies wegen der Unterhaltsrente habe tun können. Aus diesem Grund müsste die Sache jedenfalls an die kantonalen Instanzen zurückgewiesen werden zwecks Abklärung, worauf das Vermögen der Beschwerdegegnerin zurückzuführen sei. 
 
5. 
Die Rechtsanwendung überprüft das Bundesgericht im Rahmen hinreichend begründeter Vorbringen (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 95 f. BGG) grundsätzlich mit freier Kognition (Art. 106 Abs. 1 BGG). Allerdings ist der Richter - wie bei der Unterhaltsfestsetzung selbst (vgl. BGE 127 III 136 E. 3a S. 141) - auch bei deren Abänderung in verschiedener Hinsicht auf sein Ermessen verwiesen (Art. 4 ZGB; BGE 108 II 30 E. 8 S. 32; aus der neueren Rechtsprechung: Urteile 5C.197/2003, E. 2.3; 5C.112/2005, E. 1). Das Bundesgericht übt bei der Überprüfung solcher Entscheide eine gewisse Zurückhaltung und greift nur bei eigentlicher Ermessensüberschreitung ein (BGE 129 III 380 E. 2 S. 382; 131 III 12 E. 4.2 S. 15; 132 III 97 E. 1 S. 99). 
Soweit sich der Beschwerdeführer zu anderem als den in E. 2 genannten Abänderungsgründen äussert, ist auf seine Vorbringen nicht einzutreten. Dies gilt insbesondere für die Behauptung, heute würden keine lebenslänglichen Renten mehr zugesprochen. Abgesehen davon, dass die Behauptung unzutreffend ist - lebenslängliche Renten mögen zahlenmässig zurückgegangen sein, werden aber bei gegebenen Voraussetzungen nach wie vor zugesprochen -, beschlägt dies den materiellen Inhalt des Scheidungsurteils, dessen Richtigkeit im Abänderungsverfahren nicht überprüft wird (E. 2). 
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, beim Vermögensverzehr werde mit ungleichen Ellen gemessen, kann seiner Ansicht, wonach das Vermögen der Beschwerdegegnerin mit seiner in Kapitalform erhaltenen privaten Vorsorge (Lebens- und Rentenversicherung) gleichzusetzen sei, nicht gefolgt werden: Die Beschwerdegegnerin bezieht ihre 2. Säule in Rentenform und die Rente wurde ihrem Einkommen vollumfänglich angerechnet; mithin wurde auf beiden Seiten die Vorsorge unabhängig von der Bezugsart berücksichtigt, was denn auch der Zweckbestimmung entspricht. Demgegenüber ist das ungebundene Sparvermögen der Säule 3b zuzurechnen. 
Inwieweit nun der Beschwerdegegnerin der Verbrauch dieses freien Sparvermögens zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zugemutet wird, ist eine typische Ermessensfrage. In diesem Zusammenhang haben die kantonalen Instanzen erwogen, das Vermögen sei auf die äusserst sparsame Lebensweise der Beschwerdegegnerin zurückzuführen und der bis zur Pensionierung einkommensstärkere Beschwerdeführer hätte bei ähnlicher Lebensweise deutlich mehr zurücklegen können, weshalb es unbillig wäre, wenn nun die Substanz des Vermögens der Beschwerdegegnerin in die Berechnung einbezogen würde. Das Obergericht hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Rente um über 50 % herabgesetzt werde und die Tatsache des Sparvermögens darin gewissermassen enthalten sei, und es hat ferner erwogen, dass sich das Vermögen infolge des Börsencrashs vermindert habe und infolge der anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten weiter sinken werde, so dass die Beschwerdegegnerin den erstinstanzlich auf Fr. 555.-- berechneten Vermögensertrag gar nicht mehr erwirtschaften könne und als Folge ohnehin auf einen weiteren Vermögensverzehr angewiesen sei. 
In der Tat wird das Sparvermögen (in seinem ursprünglichen Umfang) bereits insofern direkt in die Gesamtbetrachtung einbezogen, als der Beschwerdegegnerin der daraus resultierende Vermögensertrag voll angerechnet wird, was entscheidend dazu führt, dass die Rente herabgesetzt wird. Dass der Beschwerdegegnerin hingegen die Substanz des (verbliebenen) Vermögens belassen wird, vermag aus den von den kantonalen Gerichten angeführten Gründen, aber auch im Hinblick auf die im höheren Alter notorisch drohenden Krankheits- und Pflegekosten keinen Ermessensmissbrauch zu begründen. Weiter ist festzustellen, dass sich die (nicht indexierte) Rente seit 1976 wertmässig um mehr als die Hälfte verringert hat und sie deshalb mit der nunmehr vorgenommenen nominellen Herabsetzung wertmässig weniger als einem Viertel des seinerzeit festgesetzten Leistungsumfanges entspricht. Ferner hat sich der Beschwerdeführer mangels umfassender Offenlegung seiner Einkommens- und Bedarfsverhältnisse gewissermassen selbst um den Nachweis der zu einer vollständigen Aufhebung der Rente berechtigenden Tatsachen gebracht. Vor diesem Hintergrund lässt sich jedenfalls nicht sagen, die in E. 2 genannten Kriterien für die Rentenanpassung seien verletzt bzw. die kantonalen Instanzen hätten einen unhaltbaren Entscheid getroffen und damit ihr Ermessen missbraucht. 
 
6. 
Seinen Eventualantrag auf Rückweisung begründet der Beschwerdeführer damit, es sei gar nicht erstellt, dass die Vermögensbildung Folge einer sparsamen Lebensweise und nicht vielmehr auf seine Rentenzahlungen zurückzuführen sei. 
Diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei: Abgesehen davon, dass bei einer Unterhaltsrente von Fr. 1'500.-- und einem Erwerbseinkommen vor der Pensionierung von rund Fr. 2'000.-- offensichtlich kein anderer als der von den kantonalen Instanzen gezogene Schluss möglich ist und es im Übrigen um eine Tatsachenfeststellung geht, in deren Zusammenhang nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden könnte und entsprechend zu begründen wäre (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG), spielt die Herkunft des Vermögens nach den in E. 5 gemachten Ausführungen ohnehin keine entscheidende Rolle. 
 
7. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde in Zivilsachen abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 18. November 2009 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl Möckli