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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_539/2014 {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. Dezember 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterin Glanzmann, 
Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Aargau,  
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Rückerstattung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 27. Mai 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1949, meldete sich am 18. Februar 2008 bei der Ausgleichskasse der Sozialversicherungsanstalt Aargau zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Mit Verfügung vom 18. Juli 2008 bejahte diese den Anspruch ab 1. Februar 2008. Die Leistungen wurden mit Verfügungen vom 18. November 2008 und 5. September 2012 an veränderte Verhältnisse angepasst.  
 
A.b. Mit Verfügung vom 18. April 2013 forderte die Ausgleichskasse von A.________ Fr. 11'281.- an zu Unrecht ausgerichteten Ergänzungsleistungen zurück. Sie begründete es im Wesentlichen mit der Anpassung der Pensionskassenrente ab Januar 2009, der Anpassung des Mietverhältnisses ab April 2013 und der Anpassung des Vermögens ab Meldemonat Januar 2013. In der dagegen erhobenen Einsprache liess A.________ beantragen, es seien die Ergänzungsleistungen unter Berücksichtigung des effektiven Mietzinses neu zu berechnen. Die Ausgleichskasse wies die Einsprache mit Entscheid vom 24. Juli 2013 ab.  
 
B.   
A.________ erhob Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau. Dieses hiess sie mit Entscheid vom 27. Mai 2014 teilweise gut. Es änderte den Einspracheentscheid dahingehend ab, dass A.________ der Ausgleichskasse Aargau unter dem Titel der Rückforderung anstelle des geforderten Betrags von Fr. 11'281.- nur einen solchen von Fr. 10'123.- zu bezahlen hat. 
 
C.   
Die Ausgleichskasse Aargau führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der Einspracheentscheid vom 24. Juli 2013 sei zu bestätigen. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, soweit er die Rückforderung von Januar 2009 bis März 2012 betreffe; eventualiter sei die Angelegenheit aufgrund offensichtlich unrichtiger Sachverhaltsfeststellung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
A.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde und die Ablehnung des vorinstanzlichen Entscheides. Die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Auf den in der Beschwerdeantwort gestellten Antrag des Beschwerdegegners, der angefochtene Entscheid sei abzulehnen, ist nicht einzutreten, weil das Bundesgerichtsgesetz die Anschlussbeschwerde nicht vorsieht (Art. 90 ff. BGG; BGE 134 III 332 E. 2.5 S. 335; MEYER/DORMANN, in: Basler Kommentar zum BGG, Basel 2011, N. 4 zu Art. 102 BGG). Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG), wobei Ausgangspunkt der Bindungswirkung das Rechtsbegehren der beschwerdeführenden Partei, nicht jenes des Beschwerdegegners ist ( MEYER/DORMANN, a.a.O., N. 2 zu Art. 107 BGG). Dessen Vorbringen sind im Rahmen der Prüfung der Anträge der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen. 
 
2.  
 
2.1. Der Einspracheentscheid tritt an die Stelle der Verfügung. Er ist alleiniger Anfechtungsgegenstand des erstinstanzlichen Beschwerdeverfahrens. Die Verfügung, soweit angefochten, hat mit Erlass des Einspracheentscheides jede rechtliche Bedeutung verloren (BGE 131 V 407 E. 2.1.2.1 S. 412, 130 V 424 E. 1.1 S. 425; RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101 E. 2c, U 170/00; SVR 2005 AHV Nr. 9 S. 30 E. 1.1.3, H 53/04; Urteil U 407/06 vom 3. September 2007 E. 4.3.1 mit Hinweis). Da die begriffliche Unterscheidung von Streit- und Anfechtungsgegenstand auf der Ebene von Rechtsverhältnissen erfolgt, gehören die nicht beanstandeten Rechtsverhältnisse zwar wohl zum Anfechtungs-, nicht aber zum Streitgegenstand. Sache der Vorinstanz blieb es indessen, in concreto aufgrund der Offizialmaxime unter Berücksichtigung des materiellrechtlichen Kontextes, des massgeblichen Einspracheentscheids und der, in Anbetracht der Beschwerde, konkreten Verfahrenslage zu entscheiden, was den zu beurteilenden Streitgegenstand bildet (BGE 125 V 413 E. 2a S. 415, 119 V 347 E. 1b S. 350 mit Hinweisen).  
 
2.2. Die Vorinstanz hat die EL-Rückforderung zu Recht als Ganzes, d.h. von Januar 2009 bis April 2013 überprüft. Die Beschwerdeführerin rügt, in Bezug auf den Zeitraum von Januar 2009 bis März 2012 sei der Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt worden. Es sei in der Verfügung vom 18. April 2013 sehr wohl angegeben worden, weshalb Ergänzungsleistungen im Gesamtbetrag von Fr. 1'158.- zu Unrecht ausgerichtet worden seien. Die Rückforderung sei begründet durch die Erhöhung der Pensionskassenrente, was mangels einer Meldung des Versicherten erst bei der periodischen Überprüfung festgestellt worden sei. Da der Beschwerdegegner in diesem Punkt nicht Einsprache erhoben habe, sei eine Auseinandersetzung damit im Einspracheentscheid unterblieben.  
 
2.3. In der Begründung der Verfügung findet sich tatsächlich die Angabe "Anpassung der Pensionskassenrente ab Januar 2009 (Erhöhung-Meldepflichtverletzung) ". In materieller Hinsicht ist festzustellen, dass die Anpassung - in den Akten ausgewiesen - tatsächlich stattgefunden hat. Das kantonale Gericht hat dies bei der Prüfung irrtümlich übersehen. Die Rückforderung zu viel bezahlter Ergänzungsleistungen in der Höhe von unbestritten Fr. 1'158.- war deshalb gerechtfertigt. Die Beschwerde ist begründet.  
 
3.   
In Anwendung von Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet. Obsiegende Behörden und mit öffentlichrechtlichen Aufgaben betraute Organisationen haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). Zu den mit öffentlichrechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen gehören auch die Ausgleichskassen, weshalb dem Antrag auf Entschädigungsfolgen nicht zu entsprechen ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 27. Mai 2014 wird aufgehoben, soweit er den Rückforderungsbetrag auf Fr. 10'123.- begrenzt, und es wird der Einspracheentscheid vom 24. Juli 2013 bestätigt. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Dezember 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Schmutz