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[AZA 7] 
I 335/01 Vr 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter 
Ursprung; Gerichtsschreiberin Polla 
 
Urteil vom 19. April 2002 
 
in Sachen 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
A.________, 1961, Beschwerdegegner, vertreten durch den Rechtsschutz B.________, 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Der 1961 geborene A.________, gelernter Koch und Kellner, arbeitete von Juni 1991 bis Dezember 1995 als Betriebsassistent bei der Restauration D.________. Am 13. Juli 1995 erlitt er einen Motorradunfall, bei dem er sich eine Maisonneuve-Fraktur mit Ausriss des Volkmann'schen Dreiecks links zuzog, woraus eine Bewegungseinschränkung im OSG links, insbesondere die Dorsalflexion betreffend, mit Belastungsbeschwerden sowie eine beginnende Arthrose als Restfolgen resultierten (Bericht von Dr. med. 
W.________, Chirurgische Klinik X.________, vom 29. Juli 1996 und Bericht von Dr. med. S.________, SUVA-Kreisarzt-Stellvertreter, vom 2. September 1996). Am 3. Juli 1996 meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung unter Hinweis auf die Unfallfolgen zum Leistungsbezug an (Berufsberatung, Umschulung auf eine neue Tätigkeit und Arbeitsvermittlung). 
 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich übernahm die Kosten für eine lerntechnische Vorbereitung im Sinne einer Abklärung vom 24. Februar bis Mitte Juli 1997 und ein achtmonatiges Praktikum im Rahmen einer sozialpädagogischen Ausbildung ab 1. September 1997 sowie die Kosten einer Schnupperlehre vom 16. bis 18. Juni 1997 im Ausbildungszentrum Z.________ (Verfügungen vom 17. Februar und 
29. September 1997). Ein weiterer Anspruch auf berufliche Massnahmen wurde anlässlich einer Geschäftsprüfung durch das Bundesamt für Sozialversicherung verneint, wobei auch die bis anhin zugesprochenen Leistungen zu Unrecht erfolgt seien (Verfügung vom 3. März 2000). Seit 4. Mai 1998 ist A.________ als Betreuer im Verein C.________ tätig. 
 
B.- A.________ liess Beschwerde einreichen mit dem Rechtsbegehren, es seien ihm Leistungen der Invalidenversicherung zu gewähren, insbesondere Eingliederungsmassnahmen in Form einer Umschulung zum Betreuer im Behindertenbereich beim Verein C.________. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde in dem Sinne gut, als es die angefochtene Verfügung vom 3. März 2000 aufhob und die Sache mit der Feststellung eines Anspruchs auf Umschulungsmassnahmen von A.________ an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückwies, damit diese im Sinne der Erwägungen verfahre (Entscheid vom 30. März 2001). 
 
C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Bestätigung der Verfügung vom 3. März 2000 sei der kantonale Entscheid aufzuheben. 
A.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während die IV-Stelle unter Verzicht auf eine Stellungnahme deren Gutheissung beantragt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 IVG) und auf Umschulung im Besonderen (Art. 8 Abs. 3 lit. b und 17 IVG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 IVV) richtig wiedergegeben. Ebenso zutreffend wurde die dazu ergangene Rechtsprechung dargelegt, wonach die den Anspruch auf Umschulung begründende Invalidität eine bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbseinbusse von etwa 20 % voraussetzt (BGE 124 V 110 Erw. 2b mit Hinweisen) und lediglich ein Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen und notwendigen Massnahmen besteht, welche eine annähernd gleiche Erwerbsmöglichkeit vermitteln sollen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmögliche Vorkehren (BGE 122 V 79 Erw. 3b/bb; AHI 2000 S. 26 Erw. 2a). Darauf wird verwiesen. 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des Anspruchs auf Umschulung erfüllt sind. 
 
a) Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner gesundheitsbedingt in seinen erlernten Berufen als Koch und Kellner arbeitsunfähig ist. Gemäss kreisärztlicher Untersuchung des Dr. med. S.________ vom 2. September 1996 und Bericht der Klinik Y.________ vom 9. August 1996, kann der Versicherte keine stehende und gehende Arbeit in vollem Umfang mehr ausüben, bei einer wechselbelastenden, mehrheitlich sitzenden Tätigkeit ohne Heben und Tragen von über 15 kg schweren Lasten, ist er jedoch 100 %ig arbeitsfähig. 
b) Beschwerdeführer und Verwaltung stellen sich auf den Standpunkt, der Beschwerdegegner könnte die Tätigkeit als Betriebsassistent weiterhin ausüben, wie er sie während mehr als vier Jahren bei der Restauration D.________ innehatte und infolge Betriebsumstrukturierung verlor, da diese Arbeit mehrheitlich administrativer Natur gewesen sei. 
Demgegenüber hält der Versicherte mit Verweis auf die vorinstanzliche Entscheidbegründung an der Notwendigkeit einer Umschulung zum Betreuer fest, da gleichwertige Tätigkeiten wie bei der Restauration D.________ rar seien und er eine ähnliche Stelle aufgrund seiner Legasthenie nicht bekleiden könne. Weiter treffe der durch den Beschwerdeführer vorgenommene Einkommensvergleich zwischen aktuellem Verdienst und Einkommen bei der Restauration D.________ nicht zu, da weder der angenommene Verdienst beim Verein C.________ zutreffe, noch der Lohn bei der Restauration D.________ der Nominallohnentwicklung angepasst worden sei. 
Zudem könne bei der aktuell ausgeübten Tätigkeit als "Gruppenleiter Produktion" im Rahmen seiner am 20. Januar 1999 abgeschlossenen Ausbildungsvereinbarung als Betreuer nicht von einer gleichwertigen beruflichen Position im Vergleich zu seinem erlernten Beruf ausgegangen werden. 
 
3.- Dies führt zur Frage, ob der Beschwerdegegner im Rahmen der ohne zusätzliche berufliche Umschulung noch zumutbaren Verdienstmöglichkeiten eine gesundheitsbedingte Erwerbseinbusse von mindestens 20 % erleidet und somit die Erheblichkeitsschwelle bezüglich des Anspruchs auf Umschulung erreicht ist (vgl. AHI 2000 S. 27 Erw. 2b und S. 62, Erw. 1 hievor). 
 
a) Nach ärztlicher Einschätzung, von welcher abzuweichen kein Anlass besteht, liegt für die Arbeit als Betriebsassistent eine 100 %ige Arbeitsfähigkeit vor, sofern die Tätigkeit überwiegend sitzend ausgeführt werden kann und keine schweren Lasten über 15 kg zu heben sind. Dies deckt sich mit der subjektiven Sicht des Versicherten bezüglich seiner ausgeübten Arbeit bei der Restauration D.________, wofür er sich auch nach dem Unfall voll arbeitsfähig hielt. Zudem bewarb er sich unter anderem weiterhin um Stellen als Betriebsassistent. Ab Februar 1996 hatte er eine solche als Betriebsleiter-Assistent beim Restaurant E.________ auch wieder inne, welche ihm nach einem Monat aber aus betriebswirtschaftlichen Gründen und nicht aufgrund seiner Lese-Rechtschreib-Schwäche, wieder gekündigt wurde. Seit 1. Mai 1996 arbeitete der Beschwerdegegner als Bürohilfe, mit Buchhaltungs- und Lohnabrechnungsaufgaben, bei der Firma F.________ für 2 bis 3 Stunden täglich. 
 
b) Bezüglich der quantitativen Erheblichkeitsschwelle ist von seinem im Jahr 1999 erzielten Verdienst als Betreuer in Ausbildung auszugehen, welcher bei einem 100 % Pensum Fr. 4932. 45 monatlich beträgt. Gemäss Angaben der Restauration D.________ hätte der Versicherte im Jahr 1996 Fr. 5114.- im Monat verdient. Angepasst an die Nominallohnentwicklung im Gastgewerbe bis zum Jahr 1999 (1997: 
0,3 %; 1998: 0,7 %; 1999: 0,4 %; Die Volkswirtschaft 10/2001 S. 101 Tabelle B 10.2), resultiert ein Einkommen von Fr. 5185. 90 (Fr. 5114.- + Fr. 71.90). Demnach ist die quantitative Erheblichkeitsschwelle der invaliditätsbedingten Erwerbseinbusse von 20 % nicht erreicht. 
 
c) Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit im Sinne der erwähnten Rechtsprechung ist in erster Linie auf die vorgängig miteinander verglichenen Erwerbsmöglichkeiten im ursprünglichen und im neuen Beruf (oder in einer dem Versicherten zumutbaren Tätigkeit) abzustellen. Dabei ist jedoch der Anspruch auf Umschulungsmassnahmen nicht im Sinne einer Momentaufnahme ausschliesslich vom Ergebnis eines auf den aktuellen Zeitpunkt begrenzten Einkommensvergleichs abhängig zu machen. Vielmehr ist im Rahmen der vorzunehmenden Prognose, unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, nicht nur der Gesichtspunkt der Verdienstmöglichkeit, sondern der für die künftige Einkommensentwicklung ebenfalls bedeutsame qualitative Stellenwert der beiden zu vergleichenden Berufe mit zu berücksichtigen (BGE 124 V 108, 110 V 102 Erw. 2). 
Dem Beschwerdegegner ist insoweit zuzustimmen, als die erwerblichen Möglichkeiten bei einer gelernten Tätigkeit besser einzustufen sind als bei einem angelernten Beruf. 
Vor dem Unfall arbeitete er jedoch nicht als Kellner oder Koch, sondern bei der Restauration D.________ - im Rahmen der Funktion eines Betriebsassistenten - als Begleitperson auf Extraschiffen und als Bürohilfe. In dieser (ungelernten) Funktion könnte er auch weiterhin tätig sein. Hinsichtlich des qualitativen Aspektes resultiert demnach in prognostischer Hinsicht, unter Einbezug der Tätigkeit als Betreuer im Behindertenbereich, wofür gemäss Vorbringen des Beschwerdeführers auch längerfristig keine spezielle Qualifikation verlangt wird, keine invaliditätsbedingte Schlechterstellung der erwerblichen Möglichkeiten. 
 
d) Gestützt darauf ist nicht ersichtlich, inwieweit berufliche Umschulungsmassnahmen hier eingliederungswirksam wären, mithin zu einer wesentlichen Verbesserung der Verdienstmöglichkeiten beizutragen oder vor Verlust der noch vorhandenen 100 %igen Erwerbsfähigkeit zu schützen vermöchten. 
Mit der beantragten Umschulung kann kein Eingliederungsziel im Sinne von Art. 17 AVIG erreicht werden, welches an eine invaliditätsbedingte Notwendigkeit im Sinne einer bestehenden oder unmittelbar drohenden Invalidität, gebunden ist. Der Versicherte ist als angemessen eingegliedert anzusehen, weshalb kein Anspruch auf die beantragten Umschulungsmassnahmen besteht. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird 
der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons 
Zürich vom 30. März 2001 aufgehoben. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der IV-Stelle des Kantons Zürich und der AHV-Ausgleichskasse Metzger 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 19. April 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: