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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_819/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 19. Juni 2015  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin, 
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Furrer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Valideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. September 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ absolvierte in der Türkei eine Ausbildung zum Automechaniker und übte seit der Einreise in die Schweiz im Oktober 1989 diverse Tätigkeiten aus. Namentlich arbeitete er von 1. Oktober 1997 bis 31. Juli 2000 als Mitarbeiter Abfüllerei bei der B.________ AG und ab September 2000 als selbstständiger Autohändler und Garagist. Am 27. Juli 2006 meldete sich A.________ unter Hinweis auf unfallbedingte Beschwerden bei der Invalidenversicherung (IV) zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich (fortan: IV-Stelle) führte medizinische und erwerbliche Abklärungen durch, namentlich zog sie die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bei und veranlasste eine Begutachtung durch das Zentrum C.________ (Expertise vom 28. August 2009; Verlaufsgutachten vom 13. März 2011). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach die IV-Stelle A.________ mit Verfügungen vom 25. März 2013 von 1. April bis 30. Juni 2010 eine ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 100 %) und von 1. Juli 2010 bis 30. April 2011 eine halbe Rente (Invaliditätsgrad von 50 %) zu. Für die Zeit ab 1. Mai 2011 verneinte sie einen Rentenanspruch (Invaliditätsgrad von 34 %). 
 
B.   
In teilweiser Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde änderte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die angefochtenen Verfügungen insofern ab, als es A.________ ab 1. Januar 2010 eine ganze und von 1. August 2010 bis 30. April 2011 eine halbe Invalidenrente zusprach. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm eine unbefristete Invalidenrente auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich eine Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Die Vorinstanz erwog, gestützt auf das voll Beweiskräftige Gutachten des Zentrums C.________ vom 13. März 2011 sei der Beschwerdeführer aus somatischer Sicht seit Februar 2006 in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Garagist nicht mehr arbeitsfähig. Hingegen sei ihm seit der relevanten Zeit ab Juli 2005 eine leidensangepasste Tätigkeit durchgehend (jedenfalls) zu 80 % zumutbar, wobei eine Phase vollumfänglicher Arbeitsunfähigkeit in jeglicher Tätigkeit von Januar bis April 2010 (psychiatrische Hospitalisation) bestanden habe. Bis zum 14. Januar 2011 (Verbesserung des Zustandsbildes) sei von einer Arbeitsfähigkeit von durchschnittlich 50 % und alsdann wieder von einer solchen von 80 % auszugehen. Diese anhand von medizinischen Unterlagen gerichtlich festgestellte Arbeits (un) fähigkeit, welche als Tatfrage für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich ist (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398; E. 1 hievor), ist letztinstanzlich unbestritten. 
 
Zum Einkommensvergleich bzw. den (hypothetischen) Vergleichseinkommen erwog das kantonale Gericht, die IV-Stelle habe beim Validen- und Invalideneinkommen auf Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE 2006) abgestellt. Beim Invalideneinkommen habe sie den Zentralwert im Anforderungsniveau 4 herangezogen und beim Valideneinkommen den Wert für einfache und repetitive Tätigkeiten im Bereich Handel, Reparatur Automobile (Ziff. 50). Letzteres überzeuge nicht. Wohl habe der Beschwerdeführer in seinem Heimatland eine Ausbildung zum diplomierten Automechaniker absolviert. In der Schweiz sei er jedoch im Segment des Hilfsarbeiters (über alle Bereiche) tätig gewesen. Im Gesundheitsfall hätte er überwiegend wahrscheinlich nach wie vor eine Hilfsarbeitertätigkeit ausgeübt oder aber seine Garage mit bescheidenem Einkommen geführt. Zu seinen Gunsten sei für die Ermittlung des Valideneinkommens auf die statistischen Lohnangaben (Medianlohn im Anforderungsniveau 4) abzustellen. Auf Seite des Invalideneinkommens gelangten dieselben Werte zur Anwendung. Ausgehend von einer Restarbeitsfähigkeit von 80 % und unter Gewährung eines leidensbedingten Abzugs von 15 % resultiere ein Invaliditätsgrad von 32 %. Während der Dauer der psychiatrischen Hospitalisation (Januar bis April 2010) bestehe ein Invaliditätsgrad von 100 %. Die 50 %ige Arbeitsfähigkeit ab 6. April 2010 sei unter Berücksichtigung der Dreimonatsfrist von Art. 88a Abs. 1 IVV ab 1. August 2010 zu berücksichtigen (Invaliditätsgrad von 57,5 %). Nach Wiedererlangen der 80 %igen Arbeitsfähigkeit per 14. Januar 2011 resultiere ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 32 %, welcher ab 1. Mai 2011 zu berücksichtigen sei. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Berechnung des Invaliditätsgrades sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unrichtig. Er habe unbestrittenermassen eine Ausbildung zum Automechaniker absolviert und sei in seinem Heimatland als Automechaniker tätig gewesen. Die berufliche Laufbahn sei aktenkundig, aber sei von der Vorinstanz nicht zur Kenntnis genommen worden. Nach Einreise in die Schweiz habe er als Hilfsmechaniker beim Muldenservice D.________ (1990-1994), alsdann als Maschinenführer in der Brauerei E.________ (1996-1997) und in der Brauerei B.________ (1997-2000) gearbeitet. Sowohl die Tätigkeit als Hilfsmechaniker als auch jene als Maschinenführer setzten Berufs- und Fachkenntnisse voraus. Die Annahme, er würde im Gesundheitsfall eine Hilfsarbeitertätigkeit ausüben, sei offensichtlich unrichtig. Ebenso unrichtig sei die Annahme, beim Führen einer Garage würde er ein bescheidenes Einkommen erzielen. Er habe aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden Personal einstellen müssen, was Ursache des tiefen Einkommens als Selbstständigerwerbender gewesen sei. Folglich sei er als Facharbeiter zu qualifizieren, was in der LSE die Anwendung des Anforderungsniveaus 3 (Totalwert) - entsprechend einem Einkommen von jährlich rund Fr. 70'000.- im Jahr 2006 - zur Folge haben müsse.  
 
Was die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts betrifft, an welche das Bundesgericht grundsätzlich gebunden ist (E. 1 hievor), vermag der Beschwerdeführer keine offensichtliche Unrichtigkeit darzutun. Das Vorbringen, die in der Schweiz ausgeübten Tätigkeiten (Hilfsmechaniker, Maschinenführer) setzten Berufs- und Fachkenntnisse voraus und seien dementsprechend keine Hilfsarbeitertätigkeiten, ist gänzlich unbelegt geblieben. Für die Qualifikation der in der Schweiz ausgeübten Tätigkeiten ist sodann nicht massgeblich, ob der Beschwerdeführer in der Türkei in seinem angestammten Beruf tätig war, weshalb die Vorinstanz hierzu keine Feststellungen treffen musste. Im Übrigen erhellt aus dem Auszug aus dem Individuellen Konto (IK), dass der Beschwerdeführer zu keiner Zeit ein Einkommen erwirtschaftete, welches (lohnmässig) dem Anforderungsniveau 3 der LSE entspricht: Nota bene erreicht das höchste je erzielte Einkommen von Fr. 56'096.- im Jahr 1998 bei Weitem nicht den Medianlohn der Männer im Anforderungsniveau 3 von Fr. 64'999.- (LSE 1998, TA1, Totalwert im Anforderungsniveau 3, Männer [monatlich Fr. 5'171.-]; hochgerechnet auf die durchschnittliche Arbeitszeit im Jahr 1998 von 41,9 Stunden [Die Volkswirtschaft 2001, Heft 12, S. 80 Tabelle B 9.2]). Auch soweit der Beschwerdeführer die Wahl des massgeblichen Anforderungsniveaus rügt, wobei es sich um eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage handelt (Urteil I 732/06 vom 2. Mai 2007 E. 4.2.2, publ. in: SVR 2008 IV Nr. 4 S. 9), dringt er nicht durch. Die Vorinstanz hat nachvollziehbar und einleuchtend dargelegt, die beruflich-erwerbliche Entwicklung in der Schweiz vor Eintritt des Invaliditätsfalles spreche für die von ihr vorgenommene Zuordnung zum Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten). Somit ist die vorinstanzliche Wahl des Anforderungsniveaus bundesrechtskonform. Das Heranziehen des Totalwerts wird nicht beanstandet und gibt keinen Anlass zu Weiterungen. 
 
3.2. Bei der Festsetzung des Invalideneinkommens, wobei das Abstellen auf den Medianwert der LSE im Anforderungsniveau 4 vom Beschwerdeführer explizite nicht beanstandet wird, hat das kantonale Gericht den leidensbedingten Einschränkungen dadurch Rechnung getragen, als es - wie schon die Verwaltung - einen Abzug vom Tabellenlohn von 15 % gewährte. Dagegen ist der Beschwerdeführer der Ansicht, es sei der maximal zulässige Abzug von 25 % zu gewähren. Hinsichtlich der Höhe des Abzugs vom Tabellenlohn kann vor Bundesgericht lediglich gerügt werden, die Vorinstanz habe das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, d.h. dieses missbraucht, über- oder unterschritten (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis). Eine solche rechtsfehlerhafte Ermessensausübung vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht aufzuzeigen, weshalb es beim vorinstanzlich gewährten Abzug sein Bewenden haben muss.  
 
4.   
Schliesslich ist das kantonale Gericht davon ausgegangen, die Rente sei in dieser Konstellation ohne vorgängige Prüfung von Eingliederungsmassnahmen zu befristen bzw. per Ende April 2011 aufzuheben. Soweit der Beschwerdeführer um berufliche Massnahmen ersuche, sei auf die Beschwerde nicht einzutreten, weil darüber nicht verfügt worden sei. Es stehe dem Beschwerdeführer jedoch frei, sich hierfür bei der Verwaltung anzumelden. Dagegen macht der Beschwerdeführer - wie bereits im kantonalen Verfahren - geltend, ohne Gewährung von Eingliederungsmassnahmen könne er die Restarbeitsfähigkeit nicht mittels Selbsteingliederung verwerten. 
 
Dem Beschwerdeführer ist insoweit beizupflichten, als die von der Rechtsprechung verlangten besonderen Voraussetzungen (Vollendung des 55. Altersjahres oder Rentenbezugsdauer von mindestens 15 Jahren; Urteil 9C_228/2010 vom 26. April 2011 E. 3, publ. in: SVR 2011 IV Nr. 73 S. 220) mit der Überschreitung des 55. Altersjahrs im Zeitpunkt der Rentenaufhebung erfüllt sind. Indes ist ihm gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz eine adaptierte Tätigkeit im Umfang von (mindestens) 50 % seit Juli 2005 durchgehend zumutbar, ausgenommen einzig die viermonatige Zeitspanne von Januar bis April 2010 (E. 3 hievor). Trotzdem hat der Beschwerdeführer - auch in Kenntnis des Zumutbarkeitsprofils gemäss SUVA-Verfügung vom 16. Juni 2006 und gemäss Gutachten des Zentrums C.________ vom 28. August 2009, womit die Ausschöpfung der medizinisch-theoretisch attestierten Restarbeitsfähigkeit erwartet werden darf (Urteil 9C_128/2013 vom 4. November 2013 E. 4.2.2 i.f. e contrario) - weder Anstrengungen unternommen, wieder eine Teilzeitstelle aufzunehmen, noch hat er die IV-Stelle um Gewährung von Eingliederungsmassnahmen ersucht. Mit Blick darauf ist die langjährige Abstinenz vom Arbeitsmarkt (seit Frühling 2006) nicht invaliditätsbedingt. Mithin hat das kantonale Gericht kein Bundesrecht verletzt, indem es unter den gegebenen Umständen einen Anspruch auf Abklärung bzw. Durchführung beruflicher Eingliederungsmassnahmen vor der Rentenaufhebung verneint hat (vgl. Urteile 9C_768/2009 vom 10. September 2010 E. 4.1.2 i.f.; 9C_726/2011 vom 1. Februar 2012 E. 5.2; 9C_752/2013 vom 27. Juni 2014 E. 4.3). 
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. Juni 2015 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Glanzmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Furrer