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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_546/2022  
 
 
Urteil vom 19. Juni 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Umhang, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Hilflosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2022 (IV.2021.00551). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1969 geborene A.________ bezieht seit 1. Februar 2011 eine ganze Rente der Invalidenversicherung (Urteil des Bundesgerichts 8C_416/2020 vom 2. Dezember 2020). Die Rentenzusprache basierte im Wesentlichen auf einem polydisziplinären Gutachten der Academy of Swiss Insurance Medicine (asim), Basel, vom 7. Juli 2017. 
Am 2. April 2020 meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum Bezug einer Hilflosenentschädigung sowie eines Assistenzbeitrags an. Auf Aufforderung der IV-Stelle des Kantons Zürich hin reichte sie die Selbstdeklaration vom 5. Juni 2020 mit Angaben zum Hilfebedarf ein. Am 21. September 2020 führte die IV-Stelle vor Ort eine Abklärung für Hilflosenentschädigung durch (Bericht vom 28. September 2020). Nach erfolgtem Vorbescheidverfahren verneinte sie mit zwei Verfügungen vom 10. August 2021 sowohl den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung wie auch auf einen Assistenzbeitrag. 
 
B.  
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 29. Juni 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, in Aufhebung des kantonalen Urteils seien ihr rückwirkend für mindestens fünf Jahre vor Anmeldung eine Hilflosenentschädigung und mindestens ab Anmeldung Assistenzbeiträge zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Einholung eines gerichtlichen Fachgutachtens und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz, subeventualiter zu ergänzenden Abklärungen und neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig (willkürlich), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es genügt somit nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Willkür liegt insbesondere vor, wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche grundlos ausser Acht gelassen hat. Entsprechende Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen. Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. zum Ganzen BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
1.3. Die richtige Auslegung und Anwendung des Rechtsbegriffs der Hilflosigkeit, mitsamt der begrifflichen Konkretisierung im Rahmen des einschlägigen Verordnungsrechts (Art. 35 ff. IVV), die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG sowie der Anforderungen an den Beweiswert von Abklärungsberichten an "Ort und Stelle" beschlagen Rechtsfragen, die vom Bundesgericht frei zu prüfen sind (Art. 95 lit. a BGG). Die auf medizinische Abklärungen und auf einen Abklärungsbericht vor Ort gestützten gerichtlichen Feststellungen über Einschränkungen der versicherten Person in bestimmten Lebensverrichtungen betreffen demgegenüber Tatfragen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Gleiches gilt für die konkrete und die antizipierte Beweiswürdigung (vgl. zum Ganzen BGE 146 V 240 E. 8.2 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie in Bestätigung der Verfügungen der IV-Stelle vom 10. August 2021 einen Anspruch auf Hilflosenentschädigung und auf einen Assistenzbeitrag verneinte. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob die Beschwerdeführerin in anspruchsrelevantem Ausmass auf lebenspraktische Begleitung angewiesen ist.  
 
2.2. Das kantonale Gericht gab die für die Beurteilung der Streitsache massgebenden rechtlichen Grundlagen im angefochtenen Urteil zutreffend wieder. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz stellte in medizinischer Hinsicht im Wesentlichen fest, die aus psychischen Gründen arbeitsunfähige Beschwerdeführerin sei, wie aus dem vom Bundesgericht im Urteil 8C_416/2020 vom 2. Dezember 2020 als beweiskräftig erachteten asim-Gutachten vom 7. Juli 2017 hervorgehe, zur Planung und Strukturierung ihrer selbst vorgenommenen Aufgaben in der Lage. Erhebliche Defizite bestünden, wenn dies in einem Team erfolgen sollte. Die Fähigkeit zur Selbstfürsorge und -pflege sei nicht eingeschränkt; auch hinsichtlich Spontanaktivitäten und der Verkehrsfähigkeit liege keine Einschränkung vor. Weder bestünden Hinweise für eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit der asim-Begutachtung, noch werde eine solche geltend gemacht oder wäre sie aufgrund des vorhandenen psychischen Störungsbildes zu erwarten gewesen. Zur Beurteilung der Frage der Hilflosigkeit stützte sich das kantonale Gericht neben dem asim-Gutachten auf den Abklärungsbericht für die Hilflosigkeit vom 28. September 2020, dem es vollen Beweiswert zumass. Es erwog, hinsichtlich der alltäglichen Lebensverrichtungen könne keine Hilfe berücksichtigt werden. Für den Bereich der lebenspraktischen Begleitung erachtete es den eingesetzten Zeitaufwand für administrative Tätigkeiten, bei der Wohnungspflege, beim Kochen und bei der Wäsche von je 15 Minuten pro Woche als grosszügig bemessen und medizinisch nicht begründbar. Da der erforderliche Mehraufwand von zwei Stunden pro Woche jedenfalls nicht erreicht sei, so die Vorinstanz, könne die Verneinung der Notwendigkeit einer regelmässigen lebenspraktischen Begleitung jedoch ohne Weiterungen bestätigt werden. Weil auch die übrigen Voraussetzungen für eine Hilflosenentschädigung unbestrittenermassen nicht gegeben seien, bestehe kein entsprechender Anspruch und demzufolge auch kein Anspruch auf einen Assistenzbeitrag.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet - wie bereits im kantonalen Verfahren - im Wesentlichen den Beweiswert des Abklärungsberichts vom 28. September 2020 sowie des asim-Gutachtens vom 7. Juli 2017 hinsichtlich der zu beurteilenden Fragen der Hilflosigkeit bzw. lebenspraktischen Begleitung. Zudem macht sie namentlich eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln geltend. Ihre Vorbringen erschöpfen sich jedoch weitgehend in appellatorischer Kritik (vgl. dazu E. 1.2 hiervor) am angefochtenen Urteil und beschränken sich im Wesentlichen erneut auf eine Darlegung der eigenen Sichtweise. Sie lassen weder die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als offensichtlich unrichtig, als Ergebnis willkürlicher Beweiswürdigung oder als rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG erscheinen, noch zeigen sie sonstwie eine Bundesrechtsverletzung auf.  
 
3.2.1. So beruht die angefochtene Beurteilung auf einer einlässlichen Würdigung der Sach- und Rechtslage. Die Vorinstanz setzte sich mit den bereits im kantonalen Verfahren erhobenen Rügen eingehend auseinander. Insbesondere zeigte sie überzeugend auf, dass der Abklärungsbericht vom 28. September 2020 den Anforderungen genügt und in medizinischer Hinsicht auf dem bereits vom Bundesgericht als beweiskräftig anerkannten asim-Gutachten vom 7. Juli 2017 basiert, dessen Feststellungen durch Observationsergebnisse gestützt werden. Zudem stellte sie willkürfrei fest, dass für den massgebenden Verfügungszeitpunkt keine abweichenden medizinischen Berichte vorliegen, die geeignet wären, die Beweiskraft des Gutachtens oder des Abklärungsberichts in Frage zu stellen oder eine relevante Veränderung zu belegen.  
 
3.2.2. Soweit die Beschwerdeführerin sodann wiederum die ungenügende Qualifikation der Abklärungsperson beanstandet, ist darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich auch bei psychischen Krankheitsbildern rechtsprechungsgemäss keine medizinische Ausbildung erforderlich ist (vgl. BGE 140 V 543 E. 3.2.1). Die Abklärungsperson stützte sich vorliegend, wie aus ihrem Bericht hervorgeht, auf das asim-Gutachten vom 7. Juli 2017, das sich einlässlich zu den aus den psychiatrischen Diagnosen resultierenden Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin äussert, ferner auf die Selbstdeklaration der Beschwerdeführerin vom 5. Juni 2020 sowie auf eigene Erhebungen. Das kantonale Gericht durfte von einer zuverlässigen Entscheidungsgrundlage ausgehen und darauf abstellen.  
 
3.2.3. Die Vorinstanz begründete schliesslich bundesrechtskonform, weshalb der für die Anerkennung der lebenspraktischen Begleitung erforderliche Mehraufwand von zwei Stunden pro Woche nicht erreicht wurde und die Beschwerdeführerin im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses dementsprechend nicht in anspruchsrelevanter Weise hilflos war. Sie erachtete die Erhebungen anlässlich der Abklärung vor Ort zur Beurteilung der Notwendigkeit der lebenspraktischen Begleitung zwar als zu grosszügig bemessen, griff jedoch mangels klar feststellbarer Fehleinschätzung zu Recht nicht ins diesbezügliche Ermessen der Abklärungsperson ein.  
 
3.2.4. Weil bei gegebener Ausgangslage von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen nach willkürfreier Einschätzung keine neuen entscheidwesentlichen Aufschlüsse zu erwarten sind, konnte und kann darauf verzichtet werden (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5). Darin liegt weder eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes noch des Anspruchs auf rechtliches Gehör.  
 
3.3. Zusammenfassend hat es beim angefochtenen Urteil sein Bewenden.  
 
4.  
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung und unter Verweis auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt. 
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die unterliegende Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. Juni 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch