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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_108/2023  
 
 
Urteil vom 19. Juni 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Visar Keraj, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Gutenberg-Zentrum, 9102 Herisau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons 
Appenzell Ausserrhoden und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2019, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 6. Dezember 2022 (O2V 21 64). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Am 3. August 2021 veranlagte die kantonale Steuerverwaltung Appenzell Ausserrhoden nach zweimaliger Mahnung (erste Mahnung am 28. Juli 2020, zweite Mahnung am 15. September 2020) die A.________ AG, die bis zu diesem Zeitpunkt weder die Steuererklärung noch andere Unterlagen eingereicht hatte, für die Steuerperiode 2019 nach Ermessen. Basierend auf einem Reingewinn von Fr. 1'000'000.- und einem dem Kanton Appenzell Ausserrhoden zur Besteuerung zustehenden Eigenkapital von Fr. 5'923'000.- setzte sie die Staats- und Gemeindesteuern auf Fr. 69'323.80 fest. Die direkte Bundessteuer belief sich basierend auf der Annahme eines Gesamtgewinns von Fr. 1'000'000.- auf Fr. 85'000.-. Am 3. September 2021 reichte die A.________ AG eine Einsprache bei der kantonalen Steuerverwaltung ein und beantragte die Feststellung, dass die Ermessensveranlagung und Schlussrechnungen nichtig seien. Ausserdem sei das Verfahren bis auf Weiteres zu sistieren, bis die A.________ AG die Steuererklärung und weitere Belege nachgereicht habe bzw. ihr Verwaltungsrat in der Lage sei, aufgrund des Hinderungsgrundes Krankheit ein Fristwiederherstellungsgesuch zu stellen, sodass im Anschluss gestützt auf die nachgereichten Unterlagen eine ordentliche Veranlagung vorgenommen werden könne. Die kantonale Steuerverwaltung trat auf die Einsprache mit Entscheid vom 28. September 2021 nicht ein. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden mit Urteil vom 6. Dezember 2022 ab. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 30. Januar 2023 beantragt die A.________ AG in erster Linie die Sistierung des Verfahrens bis zum 30. September 2023, eventualiter mit Zustimmung der Vorinstanzen. Subeventualiter beantragt die A.________ AG die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Anweisung an die Steuerverwaltung Appenzell Ausserrhoden, auf die Einsprache einzutreten. In der Begründung ihrer Beschwerde beantragt sie ferner die Einholung eines psychologischen Gutachtens. Das Obergericht und die kantonale Steuerverwaltung haben sich nicht vernehmen lassen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) beantragt die Abweisung der Beschwerde in Bezug auf die direkte Bundessteuer. Die A.________ AG nimmt erneut Stellung. 
 
 
2.  
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid einer oberen kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82, 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Die weiteren Eintretensvoraussetzungen (Art. 42, Art. 89 Abs. 1 und Art. 100 Abs. 1 BGG) geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
3.  
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer zusätzlichen Stellungnahme neue respektive andere Anträge stellt, sind diese offensichtlich unzulässig, da die Anträge in der Beschwerde enthalten sein respektive vor Ablauf der Beschwerdefrist formuliert werden müssen (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.3). Auch Rügen, die eine beschwerdeführende Partei erst in ihrer Replik oder in einer sonstigen Eingabe nach Ablauf der Beschwerdefrist erhebt, sind grundsätzlich unzulässig. Anders verhält es sich nur, wenn erst die Vernehmlassung eines anderen Verfahrensbeteiligten Anlass zur Beschwerdeergänzung gibt, wobei die beschwerdeführende Partei die Stellungnahme in diesem Fall unverzüglich zu beantragen bzw. einzureichen hat (BGE 147 I 16 E. 3.4.3; 143 II 283 E. 1.2.3; 135 I 19 E. 2.2; 132 I 42 E. 3.3.4). Während die kantonale Steuerverwaltung und die Vorinstanz gar nicht erst Stellung zur Beschwerde genommen haben, hat die ESTV integral auf die Begründung im angefochtenen Urteil verwiesen. Die Beschwerdeführerin hatte demnach keinen Anlass, neue Rügen vorzutragen. Ohnehin wiederholt die Beschwerdeführerin in der zusätzlichen Stellungnahme über weite Strecken bloss, was sie bereits in der Beschwerde ausgeführt hat. Im Übrigen erweisen sich ihre Ausführungen und Beweismittelangebote als unzulässig und ist darauf keine Rücksicht zu nehmen. 
 
4.  
Nach der Rechtsprechung liegt es im Ermessen des angerufenen Gerichts, ob ein Verfahren sistiert wird. Es hat dabei die Interessen abzuwägen. Im Zweifelsfall ist im Interesse des Beschleunigungsgebots auf die Sistierung zu verzichten (BGE 130 V 90 E. 5; 119 II 386 E. 1b; 105 II 308 E. 2). Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was eine Sistierung rechtfertigen würde. Insbesondere genügt es nicht, auf ein angebliches Ombudsverfahren hinzuweisen, das im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung weder gesetzlich vorgesehen noch beantragt worden ist. Die Sistierungsanträge sind demnach unbegründet und abzuweisen. 
 
5.  
Der in der Begründung der Beschwerde enthaltene Antrag der Beschwerdeführerin auf Einholung eines psychologischen Gutachtens ist offensichtlich unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG) und ebenfalls abzuweisen. 
 
6.  
Die Beschwerdeführerin macht geltend, es verletze das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) und den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV), wenn sie trotz der Krankheit ihres Verwaltungsratsmitglieds nach Ermessen veranlagt werde. Zudem verhalte sich die Vorinstanz überspitzt formalistisch und verletze sie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Weiter rügt die Beschwerdeführerin Verletzungen des konventionsrechtlichen Diskriminierungsverbots und des konventionsrechtlichen Anspruchs auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 13 und 14 EMRK). 
Die Konventionsrügen sind offensichtlich nicht genügend substanziiert (Art. 106 Abs. 2 BGG), macht die Beschwerdeführerin doch gar nicht erst geltend, dass sie in Bezug auf eine konkrete Konventionsgarantie diskriminiert worden wäre (vgl. zum akzessorischen Charakter des Diskriminierungsverbots von Art. 14 EMRK BGE 148 I 160 E. 8.1; 144 I 340 E. 3.5; 143 V 114 E. 5.3.2.2). Auch die übrigen Rügen sind kaum hinreichend substanziiert, auf jeden Fall aber allesamt offensichtlich unbegründet. Das Verfahren der Veranlagung nach Ermessen ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 190 BV) gesetzlich vorgeschrieben (Art. 130 Abs. 2 DBG [SR 642.11] sowie Art. 169 des Steuergesetzes des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 21. Mai 2000 [StG/AR; bGS 621.11] und Art. 46 Abs. 3 StHG [SR 642.14]). Die gesetzlichen Voraussetzungen waren hier angesichts des Beweisnotstands und der Mahnung der Beschwerdeführerin offensichtlich erfüllt, sodass von vornherein nicht zu beanstanden ist, dass die kantonale Steuerverwaltung die Beschwerdeführerin nach Ermessen veranlagt hat. Ebenso offensichtlich ist, dass die Beschwerdeführerin die formellen Anforderungen an die Einsprache nicht erfüllt hat, weswegen nach der gesetzlichen Konzeption auf die Einsprache nicht einzutreten war (Art. 132 Abs. 3 DBG; Art. 171 Abs. 3 StG/AR; Art. 48 Abs. 2 StHG; vgl. dazu BGE 131 II 548 E. 2.3; Urteil 2C_61/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 4.1, in: StE 2022 B 95.1 Nr. 17). Selbst wenn von dieser gesetzlichen Rechtslage abstrahiert werden könnte, wäre der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, weil ihre verfassungsrechtlichen Argumente haltlos sind. Die Steuerbehörde hat ihr Ermessen so auszuüben, dass die Ermessensveranlagung der materiellen Wahrheit - mithin der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der steuerpflichtigen Person - möglichst nahe kommt; es sollen damit keine pönalen Motive verfolgt werden (vgl. BGE 145 V 326 E. 4.1; 138 II 465 E. 6.4). Weil es sich bei der Ermessensveranlagung also nicht um eine Strafe handelt, spielt keine Rolle, ob die steuerpflichtige Person respektive ihre Organpersonen am Beweisnotstand eine Schuld trifft. Dementsprechend sind die persönlichen Verhältnisse von B.________ als Verwaltungsratsmitglied der Beschwerdeführerin (Krankheit, Anzahl der Gesellschaften, in deren Verwaltungsrat diese Person sitzt, etc.) von vornherein ohne Bedeutung für die Frage der Zulässigkeit der Ermessensveranlagung. Ob sich daraus allenfalls ein Grund für eine Fristwiederherstellung ergibt, wird erst zu gegebener Zeit zu beurteilen sein (vgl. den zutreffenden Hinweis im angefochtenen Urteil E. 2.2/b). Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern es überspitzt formalistisch oder unverhältnismässig sein soll, wenn eine steuerpflichtige Person nach zweimaliger Mahnung und mehreren Fristerstreckungen nach Ermessen veranlagt wird. Im Übrigen kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz (vgl. angefochtenes Urteil E. 2.3 und 2.4; Art. 109 Abs. 3 BGG) sowie auf die Erwägungen des Bundesgerichts in den Urteilen 2C_744/2022, 2C_745/2022, 2C_746/2022, 2C_750/2022, 2C_753/2022 und 2C_755/2022 vom 16. Dezember 2022 verwiesen werden. Alle diese Verfahren betrafen ebenfalls von B.________ beherrschte Gesellschaften (inklusive die Beschwerdeführerin; vgl. Urteil 2C_750/2022 vom 16. Dezember 2022) und hatten im Wesentlichen gleich gelagerte Sachverhalte (fehlende Buchhaltung, Säumnis der Gesellschaften bei der Einreichung der Steuererklärung) zum Gegenstand. 
 
7.  
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde einschliesslich der prozessualen Anträge als offensichtlich unbegründet, weswegen sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen ist. Nach Art. 66 Abs. 1 BGG trägt grundsätzlich die unterliegende Partei die Gerichtskosten. Gemäss Art. 66 Abs. 3 BGG können Kosten aber auch anderen Verfahrensbeteiligten auferlegt werden, wenn sie diese verursachen. Dazu gehören auch Rechtsvertreter, denen eine qualifiziert problematische Prozessführung vorzuwerfen ist (vgl. BGE 129 IV 206 E. 2; Urteil 2C_223/2010 vom 19. November 2010 E. 4.1). Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hat bereits kürzlich in mehreren im Wesentlichen gleich gelagerten Verfahren betreffend von B.________ beherrschte Gesellschaften mit ähnlichen Argumenten Beschwerden erhoben, die das Bundesgericht allesamt für offensichtlich unbegründet befunden hat (vgl. Hinweise oben E. 6). Auch unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands seines Mandanten bewegt sich der Rechtsvertreter mit der vorliegenden Beschwerde zumindest an der Grenze zur mutwilligen Prozessführung. Der Rechtsvertreter ist deshalb vorzuwarnen, dass er im nächsten solchen Fall mit der Auflage von Gerichtskosten zu rechnen hat (vgl. Urteil 2C_223/2010 vom 19. November 2010 E. 4.4). Vorliegend bleibt es noch beim Grundsatz von Art. 66 Abs. 1 BGG, sodass die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen sind. Es ist keine Parteientschädigung geschuldet. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Anträge auf Sistierung werden abgewiesen. 
 
2.  
Der Antrag auf Einholung eines psychologischen Gutachtens wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
4.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. Juni 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler