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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_581/2022  
 
 
Urteil vom 19. August 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Sieber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A._______  
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.A.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Scheidungsurteils, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 27. Juni 2022 (RV220009-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 14. Juni 2016 schied das Tribunal de Grande Instance de Mulhouse die Ehe zwischen den französischen Staatsangehörigen A.A._______ (geb. 1955; Beschwerdeführer) und B.A.________ (geb. 1955; Beschwerdegegnerin). Dabei sprach es B.A.________ zum Ausgleich der ehebedingten Folgen eine monatliche Leibrente zu. Bei deren Berechnung berücksichtigte das Gericht, dass A.A._______ über ein Guthaben bei einer Pensionskasse in der Schweiz verfügt. Mit Urteil vom 29. Mai 2018 bestätigte die Cour d'Appel de Colmar diesen Entscheid.  
 
A.b. Am 30. April 2022 ersuchte A.A._______ das Bezirksgericht Winterthur darum, das Scheidungsurteil vom 14. Juni 2016 hinsichtlich der Regelung des Vorsorgeguthabens in der Schweiz anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären sowie die betroffene Freizügigkeitsstiftung anzuweisen, ihm das sich auf seinem Konto befindliche Guthaben auszuzahlen. Weiter sei "der Kostenverursacher" als Schadenersatz zur Zahlung von EUR 57'742.-- sowie EUR 1'400.-- für jeden weiteren Monat bis zur Auszahlung des Vorsorgeguthabens zu verurteilen.  
Mit Urteil und Verfügung vom 10. Mai 2022 wies das Bezirksgericht das Begehren um Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ab und trat auf das Begehren um Schadenersatz nicht ein. Das von A.A._______ ausserdem gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wies es ebenfalls ab. 
 
B.  
Mit Beschluss und Urteil vom 27. Juni 2022 wies das Obergericht des Kantons Zürich das von A.A._______ hiergegen eingereichte Rechtsmittel unter Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
A.A._______ gelangt mit Beschwerde vom 22. Juli 2022 ans Bundesgericht und beantragt, es sei der Entscheid des Obergerichts (bzw. des Bezirksgerichts) aufzuheben, das Scheidungsurteil vom 14. Juni 2016 soweit die Auszahlung der beruflichen Vorsorge betreffend anzuerkennen und die beantragte Ersatzzahlung anzuordnen. Ausserdem sei ihm für das gesamte Verfahren das Recht um unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen. 
Das Bundesgericht hat keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Fristgerecht angefochten ist ein kantonal letztinstanzliches Endurteil in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert, die der Beschwerde in Zivilsachen unterliegt (Art. 72 Abs. 2 Bst. b Ziff. 1, Art. 74 Abs. 1 Bst. b, Art. 75, 90 und 100 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer ist nach Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt.  
 
1.2. Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich nur gegen Urteile oberer kantonaler Gerichte zulässig, die letztinstanzlich auf Rechtsmittel hin entschieden haben (Art. 75 BGG; BGE 141 III 188 E. 4.1). Auf die Beschwerde ist damit insoweit nicht einzutreten, als sie sich zum Urteil des Bezirksgerichts äussert. Dieses Urteil bildet im bundesgerichtlichen Verfahren ohnehin kein taugliches Anfechtungsobjekt (Urteil 5A_343/2020 vom 15. Dezember 2020 E. 1.2).  
 
1.3. Das Verfahren vor dem Bundesgericht wird nach Art. 54 Abs. 1 BGG in einer der Amtssprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Rumantsch Grischun) geführt, in der Regel aber in der Sprache des angefochtenen Entscheids. Rechtsschriften sind ebenfalls in einer Amtssprache abzufassen (vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG), die aber nicht mit der Sprache des vorinstanzlichen Verfahrens übereinstimmen muss. Es ist damit zulässig, dass der Beschwerdeführer seine Eingabe in französischer Sprache verfasst hat. Vorliegend ist indes Deutsch die Verfahrenssprache, weshalb das Urteil in dieser Sprache ergeht (vgl. statt vieler Urteil 5A_916/2018 vom 9. Mai 2019 E. 1.5).  
 
2.  
Das Obergericht trat auf verschiedene Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers nicht ein. Für ein Eintreten sei der Nachweis eines aktuellen und praktischen Interesses an der sofortigen Feststellung der gerügten Rechtsverletzung nötig. Notwendig sei, dass über die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien eine Ungewissheit bestehe, die sich mittels einer Leistungs- oder Gestaltungsklage nicht aus der Welt schaffen lasse und deren Fortbestand der klagenden Partei nicht zumutbar sei. Entsprechendes sei nicht offensichtlich und werde vom Beschwerdeführer auch nicht dargetan. 
Der Beschwerdeführer verweist darauf, er sei juristischer Laie und ihm sei in Verletzung von Art. 50 Abs. 1 des Lugano-Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 (LugÜ; SR 0.275.12) das Recht auf unentgeltliche Rechtspflege nicht gewährt worden (vgl. dazu hinten E. 5). Er habe ohne anwaltliche Vertretung getan, was möglich gewesen sei. Damit bleibt die Beschwerde ungenügend begründet, da es an der von Art. 42 Abs. 2 BGG verlangten gezielten Auseinandersetzung mit den Überlegungen des Obergerichts fehlt (vgl. BGE 142 III 364 E. 2.4). Auf die Beschwerde kann insoweit nicht eingetreten werden. Nichts für sich abzuleiten vermag der Beschwerdeführer im Übrigen aus dem Umstand, dass er nicht anwaltlich vertreten ist (Urteil 5A_275/2021 vom 30. September 2021 E. 4.3 a.E.). 
 
3.  
 
3.1. Die (teilweise) Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Scheidungsurteils verweigerte das Obergericht zum einen deshalb, weil dieses das Pensionskassenguthaben des Beschwerdeführers einzig in den Erwägungen behandle, diesbezüglich aber keine Anordnung treffe. Damit fehle es an einer Voraussetzung für die Anerkennung. Zum anderen liege keine Unterhaltssache vor, womit die Angelegenheit nach Art. 1 Abs. 2 Bst. a und Art. 5 Abs. 2 LugÜ nicht in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens falle. Da auch kein anderer Staatsvertrag einschlägig sei, regle sich die Anerkennung nach dem IPRG (SR 291). Demnach könnten ausländische Entscheide über schweizerische Vorsorgeansprüche, die am 1. Januar 2017 noch nicht rechtskräftig gewesen seien, nicht mehr anerkannt werden (mit Hinweis auf BGE 145 III 109 E. 4.3 f.). Da das Scheidungsurteil frühestens am 29. Mai 2018 in Rechtskraft erwachsen sei, komme seine Anerkennung in der Schweiz nicht in Frage.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer zeigt mit Blick auf die zweite dieser Begründungslinien zwar auf, weshalb das LugÜ seiner Ansicht nach einschlägig sei, namentlich weil dieses von Amtes wegen anzuwenden sei und dem nationalen Recht vorgehe. Er missachtet dabei aber, dass dieses Übereinkommen von vornherein nur im Rahmen seines Anwendungsbereichs zum Tragen kommen kann (Art. 1 LugÜ). Auf die diesbezüglichen Überlegungen des Obergerichts geht der Beschwerdeführer nicht ein, weshalb die Beschwerde auch insoweit ungenügend begründet ist (vgl. vorne E. 2).  
 
3.3. Durch das Vorgehen des Obergerichts sieht der Beschwerdeführer die Art. 6 und 14 EMRK sowie Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK als verletzt. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführer diese Rügen bereits vor der Vorinstanz erhoben hätte. Entsprechendes macht er auch nicht geltend (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Damit fehlt es diesbezüglich an der auch materiellen Ausschöpfung des Instanzenzugs und mithin daran, dass sämtliche rechtserheblichen Einwände bereits vor der Vorinstanz vorgebracht und nicht erst nach Ergehen eines ungünstigen Entscheids im anschliessenden Rechtsmittelverfahren erhoben werden. Dies wäre indes Voraussetzung dafür, dass auf die Beschwerde diesbezüglich eingetreten werden könnte (BGE 143 III 290 E. 1.1; 134 III 524 E. 1.3).  
 
3.4. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz weiter vor, nicht auf seine Ausführungen zu Art. 68 Abs. 2 LugÜ eingegangen zu sein. Da dem Obergericht kein Vorwurf daraus erwächst, dass es das LugÜ nicht angewandt hat (E. 3.2 hiervor), geht dieses Vorbringen an der Sache vorbei. Soweit der Beschwerdeführer dem Obergericht sodann eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2) vorwerfen wollte, ist die Beschwerde erneut ungenügend begründet: Eine ausreichende Begründung würde voraussetzen, dass im Einzelnen dargelegt wird, worin die angebliche Verfassungsverletzung besteht (BGE 141 I 36 E. 1.3; 140 III 264 E. 2.3) und dass auf deren Erheblichkeit eingegangen wird (Urteil 5A_85/2021 vom 26. März 2021 E. 6.2). Der Beschwerdeführer tut dies nicht. Gleiches gilt, soweit er in allgemeiner Weise ausführt, die EMRK schütze Bürger der Europäischen Union vor jeglichem Rechtsmissbrauch in der Schweiz.  
 
3.5. Unter diesen Umständen braucht nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob im Scheidungsurteil überhaupt eine Anordnung zum Pensionskassenguthaben getroffen worden ist (vgl. E. 3.1 hiervor). Ebenfalls erübrigen sich Weiterungen zur Frage - das Obergericht hat sie aufgeworfen, letztlich aber nicht für entscheidend erachtet - ob dem streitbetroffenen Gesuch die frühere Abweisung eines Gesuchs um Anerkennung des Scheidungsurteils entgegensteht.  
 
4.  
Betreffend den Ersatzanspruch verwies das Obergericht auf das erstinstanzliche Urteil, wonach es an einer gehörigen Gesuchseinreichung fehle. Vor Bezirksgericht sei unklar geblieben, ob der Anspruch gegenüber dem Kanton Zürich oder der betroffenen Freizügigkeitsstiftung geltend gemacht werde. Im ersten Fall wäre vor Klageeinreichung ein Vorverfahren durchzuführen und im zweiten Fall ein Schlichtungsverfahren zu durchlaufen gewesen. An beidem fehle es, wie die Erstinstanz korrekt festhalte. Vor Obergericht mache der Beschwerdeführer nunmehr die Eidgenossenschaft für den Schaden verantwortlich. Das Gesuch habe er aber nur gegen die Beschwerdegegnerin gerichtet und er zeige nicht auf, dass er die Schweiz bereits vor Bezirksgericht ins Recht gefasst hätte. Damit fehle es an einer genügenden Begründung des Rechtsmittels. 
Mit diesen Ausführungen setzt der Beschwerdeführer sich nicht auseinander. Vielmehr bekräftigt er auch vor Bundesgericht, dass seiner Ansicht nach die Schweiz für den (angeblich) entstandenen Schaden einzustehen habe und führt ausserdem aus: "Les arguments des décisions rendues des Tribunaux de Winterthur et de Zürich pour manque de décision préalable suisse pour rejeter la demande en réparation ne peuvent pas être retenus et doivent être bannis." Dies genügt den einschlägigen Begründungserfordernissen (vgl. vorne E. 2) abermals nicht und auf die Beschwerde ist auch insoweit nicht einzutreten. 
 
5.  
Umstritten ist zuletzt, ob dem Beschwerdeführer in den kantonalen Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege hätte gewährt werden müssen. Das Obergericht beurteilte dessen entsprechendes Gesuch nach Art. 117 ZPO, wies es aber ab, da die Beschwerde von vornherein aussichtlos gewesen sei. Der Beschwerdeführer berufe sich zwar auf Art. 50 Abs. 1 LugÜ. Das Übereinkommen sei jedoch nicht anwendbar und aus den Akten gehe ohnehin nicht hervor, dass dem Beschwerdeführer im Ursprungsstaat ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe gewährt worden sei, wie Art. 50 Abs. 1 LugÜ dies voraussetze. 
Dem hält der Beschwerdeführer einerseits auch hier entgegen, das LugÜ sei vorliegend von Amtes wegen zur Anwendung zu bringen. Wie gesehen (vorne E. 3.2) vermag er das angefochtene Urteil mit diesem Argument aber nicht in Frage zu stellen. Auch im vorliegenden Kontext erhebt er sodann keine weiteren Rügen, die zu einem anderen Ergebnis führen würden. Soweit der Beschwerdeführer andererseits vorträgt, im französischen Verfahren sei ihm sehr wohl Prozesskostenhilfe gewährt worden, erhebt er rein appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Erkenntnis, die es dem Bundesgericht nicht erlaubt, von den diesbzüglichen Feststellungen des Obergerichts abzuweichen (Art. 105 Abs. 1 und 2 sowie Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 16 E.1.3.1). Nicht weiter einzugehen ist sodann auf den auch in diesen Zusammenhang erhobenen Vorwurf der Verletzung von Art. 6 EMRK, der vor Bundesgericht erstmals vorgetragen wird (vgl. vorne E. 3.3). 
 
6.  
Nach den Gesagten ist die Beschwerde unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigung ist keine geschuldet, weil die nicht anwaltlich vertretene Beschwerdegegnerin nicht zur Vernehmlassung eingeladen wurde (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde als von vornherein aussichtlos beurteilt werden muss (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. August 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Sieber