Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_190/2022
Urteil vom 19. August 2022
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,
Gerichtsschreiber Jancar.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Nadeshna Ley,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit, Invalidenrente, Revision, Rückerstattung).
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 25. Januar 2022 (IV 2020/144).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach dem 1979 geborenen A.________ mit Verfügungen vom 4. März 2009 ab 1. Mai 2006 eine ganze Invalidenrente zu. In diesem Rahmen hatte sie u.a. ein Gutachten des Psychiaters Dr. med. E.________, Frauenfeld, vom 13. Februar 2008 eingeholt. Am 7. September 2012 bestätigte sie diesen Rentenanspruch revisionsweise.
A.b. Am 26. Oktober 2015 leitete die IV-Stelle ein weiteres Revisionsverfahren ein. Sie holte diverse Arztberichte ein und liess A.________ vom 8. Juni bis 12. August 2016 an einzelnen Tagen durch ein Privatdetektivbüro observieren. Weiter veranlasste sie u.a. ein bidisziplinäres (psychiatrisches und orthopädisches) Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle ZVMB GmbH (MEDAS), Bern, vom 11. Dezember 2017 mit Ergänzung vom 27. September 2019. Am 28. Mai 2019 verfügte die IV-Stelle die sofortige vorsorgliche Renteneinstellung, was vom Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 13. Dezember 2019 bestätigt wurde. Mit Verfügung vom 26. Mai 2020 stellte die IV-Stelle die Invalidenrente per 1. Juli 2016 ein. Am 28. Mai 2020 verfügte sie die Rückforderung der zu Unrecht ausgerichteten Rentenleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 31. Mai 2019 im Umfang von Fr. 247'050.-.
B.
Die gegen die beiden letztgenannten Verfügungen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 25. Januar 2022 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG ).
Als Rechtsfrage gilt, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Arztberichten im Lichte der rechtsprechungsgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (BGE 134 V 231 E. 5.1). Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585). Frei überprüfbare Rechtsfrage ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281 auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 7).
2.
Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Renteneinstellung per 1. Juli 2016 und die Rückforderung der vom 1. Juli 2016 bis 31. Mai 2019 ausgerichteten Rentenbetreffnisse im Betrag von Fr. 247'050.- bundesrechtskonform sind.
2.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19.6.2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Entscheid zugrunde liegenden Verfügungen ergingen vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1, 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 174 E. 4.1).
2.2. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen (BGE 145 V 215 E. 5.1, 143 V 409 und 418, 141 V 281; vgl. auch BGE 145 V 361 E. 3.1), die Verwertbarkeit von Observationsergebnissen (BGE 143 I 377 E. 5.1.1), die Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 141 V 9 E. 2.3, 133 V 108, 130 V 343 E. 3.5.3) und die rückwirkende Rentenherabsetzung oder -aufhebung bei einer unrechtmässigen Rentenerwirkung oder einer Meldepflichtverletzung (Art. 88
bis Abs. 2 lit. b IVV in der seit 1. Januar 2015 geltenden Fassung i.V.m. i.V.m. Art. 77 IVV; BGE 142 V 259 E. 3.2.1) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen (Art. 25 ATSG; BGE 130 V 380 E. 2.3.1, 318 E. 5.2 in fine, 129 V 110 E. 1.1), den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 51 E. 5.1) und den Beweiswert ärztlicher Berichte (E. 1 hiervor; BGE 145 V 361 E. 4.1.2, 125 V 351 E. 3a). Darauf wird verwiesen.
2.3.
2.3.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG [SR 830.1]). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar. Weiter sind, auch bei an sich gleich gebliebenem Gesundheitszustand, veränderte Auswirkungen auf den Erwerbs- oder Aufgabenbereich von Bedeutung; dazu gehört die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer Angewöhnung oder Anpassung an die Behinderung. Hingegen ist die lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich. Liegt in diesem Sinne ein Revisionsgrund vor, ist der Rentenanspruch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") zu prüfen, wobei keine Bindung an frühere Beurteilungen besteht (BGE 144 I 103 E. 2.1, 141 V 9 E. 2.3 mit Hinweisen).
2.3.2. Der Beweiswert eines zwecks Rentenrevision erstellten Gutachtens hängt wesentlich davon ab, ob es sich ausreichend auf das Beweisthema - erhebliche Änderung (en) des Sachverhalts - bezieht. Einer für sich allein betrachtet vollständigen, nachvollziehbaren und schlüssigen medizinischen Beurteilung, die im Hinblick auf eine erstmalige Beurteilung der Rentenberechtigung beweisend wäre, mangelt es daher in der Regel am rechtlich erforderlichen Beweiswert, wenn sich die (von einer früheren abweichende) ärztliche Einschätzung nicht hinreichend darüber ausspricht, inwiefern eine effektive Veränderung des Gesundheitszustandes stattgefunden hat. Vorbehalten bleiben Sachlagen, in denen es evident ist, dass die gesundheitlichen Verhältnisse sich verändert haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass weder eine im Vergleich zu früheren ärztlichen Einschätzungen ungleich attestierte Arbeitsunfähigkeit noch eine unterschiedliche diagnostische Einordnung des geltend gemachten Leidens genügt, um auf einen geänderten Gesundheitszustand zu schliessen; notwendig ist vielmehr eine veränderte Befundlage (SVR 2012 IV Nr. 18 S. 81, 9C_418/2010 E. 4.2; Urteil 8C_94/2022 vom 29. Juni 2022 E. 3.2.3 mit Hinweisen).
3.
Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, im Rahmen der ursprünglichen Rentenzusprache vom 4. März 2009 sei die IV-Stelle davon ausgegangen, der Beschwerdeführer sei vollständig arbeitsunfähig gewesen. Zudem folge aus den Akten, dass er vor der Rentenzusprache infolge seines damaligen psychischen Zustands nicht habe Auto fahren können. Demgegenüber ergebe sich aus dem von Juni bis August 2016 erlangten Observationsmaterial, dass er ein deutlich verbessertes Aktivitäts- und Ressourcenniveau aufgewiesen habe. So habe der psychiatrische ZVMB-Gutachter Dr. med. B.________ in einer mit dem Observationsmaterial zu vereinbarenden Weise die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführer habe abgesehen von einem mürrischen Gesichtsausdruck keine Hinweise auf Auffälligkeiten gezeigt. Auch das Autofahren scheine ihm uneingeschränkt möglich. In seinen normalen Alltagsaktivitäten erscheine er nicht eingeschränkt. Soziale Ängste und ein sozialer Rückzug hätten nicht beobachtet werden können. Auch die Neurologin Dr. med. C.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD) der IV-Stelle, habe in der Stellungnahme vom 19. Oktober 2016 das Observationsmaterial dahingehend gewürdigt, dass der Beschwerdeführer - abgesehen von einem (teilweise) niedergestimmten Eindruck - ohne signifikante Auffälligkeiten an verschiedenen Alltagsaktivitäten und am Sozialleben teilnehme. Die beim routinierten Fahrzeuglenken erforderliche Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit sei mit der Diagnose einer über Jahre anhaltenden schweren Depression nicht vereinbar. Des Weiteren ergäben sich weder aus dem ZVMB-Gutachten noch aus den übrigen Akten Anhaltspunkte für selbstverletzende Handlungen. Dr. med. B.________ habe die ursprüngliche Anpassungsreaktion des Beschwerdeführers nach Arbeitsplatzverlust und familiärer Konfliktsituation als remittiert bezeichnet. Dass Dr. med. B.________ die früher bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bzw. die vormals angenommene hochgradige psychische Störung für nicht belegt halte, ändere nichts daran, dass sich unabhängig davon die tatsächlichen Verhältnisse (Funktions- und Ressourcenniveau) des Beschwerdeführers seit der ursprünglichen Rentenzusprache geändert hätten. Hieran vermöchten die Stellungnahmen des Psychiaters Dr. med. D.________ vom 2. April 2019 und 8. Juni 2020 nichts zu ändern. Gestützt auf das beweiswertige ZVMB-Gutachten vom 11. Dezember 2017 sei davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Begutachtung eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit aus objektiver Sicht nicht mehr ausgewiesen gewesen sei. Deshalb sei die IV-Stelle zu Recht davon ausgegangen, dass kein rentenbegründender Invaliditätsgrad mehr vorliege. Weiter habe die IV-Stelle schlüssig dargelegt, dass bereits zu Beginn der Observation bzw. am 15. Juni 2016 dasjenige erhöhte Funktionsniveau des Beschwerdeführers vorgelegen haben müsse, wie es auch der gutachterlichen Beurteilung zugrunde liege. Es sei somit davon auszugehen, dass sich sein Gesundheitszustand (spätestens) seit Juni 2016 verbessert habe. Eine vor Verfügungserlass am 28. Mai 2020 eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei zu verneinen. Weitere Abklärungen erübrigten sich und der Beweisantrag auf eine mündliche Parteibefragung sei abzuweisen.
4.
4.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz hätte nicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung einschliesslich Parteibefragung verzichten dürfen. Anlass für die Renteneinstellung sei ja sein Antwortverhalten im Rahmen der Standortgespräche bei der IV-Stelle und des ZVMB-Gutachtens gewesen. Die Vorinstanz hätten dieses zumindest gegenprüfen und seine Lebensumstände erfragen müssen.
4.2.
4.2.1. Eine öffentliche Verhandlung gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK setzt im Sozialversicherungsprozess einen - im erstinstanzlichen Verfahren zu stellenden - Parteiantrag voraus, aus dem klar und unmissverständlich hervorgehen muss, dass eine konventionskonforme Verhandlung mit Publikums- und Presseanwesenheit durchgeführt werden soll. Wird lediglich eine persönliche Anhörung oder Befragung, ein Parteiverhör, eine Zeugeneinvernahme oder die Durchführung eines Augenscheins verlangt, darf das Gericht daraus schliessen, dass es der antragstellenden Person um die Abnahme bestimmter Beweismittel und nicht um die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung geht (BGE 134 I 331 E. 2.3.2; 122 V 47 E. 3a; SVR 2022 AHV Nr. 12 S. 30, 9C_260/2021 E. 3.2).
Auf eine Beweisabnahme, wie sie eine Parteibefragung darstellt, räumt der Öffentlichkeitsgrundsatz keinen Anspruch ein (vgl. Urteile 8C_495/2020 vom 6. Januar 2021 E. 3.2 und 9C_321/2018 vom 16. Oktober 2018 E. 4.1 mit Hinweisen; zum Ganzen vgl. auch BGE 134 I 140 E. 5.2 i.f.).
4.2.2. Mit vorinstanzlicher Eingabe vom 14. Dezember 2021 verlangte der Beschwerdeführer eine Parteibefragung. Weiter führte er ausdrücklich aus, eine publikumsöffentliche Verhandlung sei nicht beantragt. Es ist somit nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht keine öffentliche Verhandlung gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK anordnete. Auf die beantragte Parteibefragung durfte die Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. dazu E. 6.5 hiernach) verzichten. Inwiefern dies willkürlich gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich.
5.
Unbestritten ist, dass in somatischer Hinsicht kein Revisionsgrund vorliegt. Umstritten ist einzig, ob ein solcher in psychischer Hinsicht gegeben ist.
5.1. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, der psychiatrische ZVMB-Gutachter Dr. med. B.________ sei der Meinung gewesen, gegenüber dem Zeitpunkt der Rentenzusprache liege kein veränderter Gesundheitszustand vor. Vielmehr sei dieser von Anfang an falsch beurteilt worden. Retrospektiv habe keine Arbeitsunfähigkeit bestanden mit Ausnahme stationärer und teilstationärer Therapien. Dieser Meinung habe sich auch die RAD-Ärztin Dr. med. C.________ in der Stellungnahme vom 27. März 2018 angeschlossen. Damit liege kein Revisionsgrund vor, sondern bloss eine unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen Sachverhalts. Somit habe die Vorinstanz die Beweise willkürlich gewürdigt.
5.2.
5.2.1. Im Rahmen der ursprünglichen Rentenzusprache vom 4. März 2009 wurde gestützt auf das Gutachten des Psychiaters Dr. med. E.________ vom 13. Februar 2008 davon ausgegangen, der Beschwerdeführer sei aus psychischen Gründen vollständig arbeitsunfähig.
5.2.2. Im ZVMB-Gutachten vom 11. Dezember 2017 wurde ausgeführt, in der Gesamtschau ergäben sich so erhebliche vielfältige Inkonsistenzen, dass die von den behandelnden Ärzten und vormals auch psychiatrisch gutachterlich angenommene so hochgradige psychische Störungssymptomatik von versicherungsmedizinischer Relevanz nicht hinreichend belegt werden könne. Aus psychiatrischer Sicht habe retrospektiv bis auf stationäre oder teilstationäre Therapien keine Arbeitsunfähigkeit bestanden, weder in der angestammten Tätigkeit noch in einer Verweisungstätigkeit. Dabei seien vormals in die medizinische Diagnose unzulässigerweise versicherungsfremde Faktoren mit einbezogen worden (inkonsistentes Verhalten im Sinne eines Krankenrollenverhaltens ohne krankheitswertige Grundursache), welche zu einer falschen medizinischen Bewertung geführt hätten.
Die RAD-Ärztin Dr. med. C.________ hielt in der Stellungnahme vom 27. März 2018 fest, der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich seit dem Referenzzeitpunkt nicht relevant verändert. Es handle sich um eine andere Beurteilung desselben Sachverhalts. Der psychiatrische Gutachter habe den Akten keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer versicherungsmedizinisch relevanten psychischen Störung mit invalidisierenden Folgen entnehmen können. Heute sei die familiäre Situation des Beschwerdeführers wieder stabil und die finanzielle Situation durch die Rente abgesichert. Lediglich diesbezüglich sei eine Veränderung eingetreten.
5.3. Ob es sich in diesem Lichte tatsächlich bei den Einschätzungen des ZVMB und der Dr. med. C.________ in psychischer Hinsicht um eine unterschiedliche Einschätzung der aus den festgestellten Beschwerden resultierenden Arbeitsfähigkeit und somit um eine nicht revisionsbegründende andere Würdigung des Sachverhalts handelt (vgl. E. 2.3.1 hiervor), kann offengelassen werden. Denn die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass im ZVMB-Gutachten vom 11. Dezember 2017 - das als beweiswertig anzusehen ist (vgl. E. 6 hiernach) - u.a. festgehalten wurde, die ursprüngliche Anpassungsreaktion nach Arbeitsplatzverlust und familiärer Konfliktsituation sei inzwischen remittiert. Die Vorinstanz hat zudem schlüssig aufgezeigt, dass sich auch die entsprechenden Befunde sowie das Funktions- und Ressourcenniveau geändert haben. Damit ist in dieser Hinsicht eine relevante Änderung eingetreten, womit ein Revisionsgrund nach Art. 17 Abs. 1 ATSG zu bejahen ist. Folglich hat die Vorinstanz den Rentenanspruch zu Recht umfassend und ohne Bindung an frühere Beurteilungen geprüft (vgl. E. 2.3.1 hiervor).
Unbehelflich ist somit der Einwand des Beschwerdeführers, Dr. med. E.________ habe ihn im Gutachten vom 13. Februar 2008 als schwer und anhaltend beeinträchtigt sowie zu 100 % arbeitsunfähig angesehen.
6.
Umstritten ist weiter das Ausmass der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers.
6.1. Die Vorinstanz folgte mit einlässlicher und schlüssiger Begründung dem ZVMB-Gutachten vom 11. Dezember 2017, wonach beim Beschwerdeführer im Begutachtungszeitpunkt eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit aus objektiver Sicht nicht mehr ausgewiesen gewesen sei. Somit sei die IV-Stelle zu Recht davon ausgegangen, dass kein rentenbegründender Invaliditätsgrad mehr vorliege. Bezüglich des Zeitpunkts des verbesserten Gesundheitszustands habe die IV-Stelle - so die Vorinstanz weiter - schlüssig dargelegt, dass bereits zu Beginn der Observation bzw. am 15. Juni 2016 das erhöhte Funktionsniveau des Beschwerdeführers vorgelegen haben müsse, wie es der gutachterlichen Beurteilung zu Grunde liege. Folglich sei davon auszugehen, dass sich sein Gesundheitszustand (spätestens) im Juni 2016 verbessert habe.
6.2.
6.2.1. Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, die Vorinstanz verwerfe die Kritik des ihn langjährig behandelnden Psychiaters Dr. med. D.________ am ZVMB-Gutachten vom 11. Dezember 2017. Sie habe sich aber nicht zur Auffälligkeit geäussert, dass der psychiatrische ZVMB-Gutachter als Einziger erkannt habe wolle, dass er arbeitsfähig und ein Simulant sei. Demnach solle nicht nur Dr. med. D.________, sondern einer Vielzahl der ihn behandelnden Arztpersonen sein wahrer Gesundheitszustand verborgen geblieben sein.
6.2.2. Der Beschwerdeführer beruft sich in dieser Hinsicht pauschal auf die im ZVMB-Gutachten vom 11. Dezember 2017 in der Aktenzusammenfassung angeführten Arztberichte, ohne substanziiert aufzuzeigen, inwiefern sich daraus konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise ergeben sollten (vgl. BGE 147 V 79 E. 8.1, 135 V 465 E. 4.4).
6.2.3. Auch aus dem ins Feld geführten Bericht des Dr. med. D.________ vom 2. April 2019 vermag der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Zu diesem Bericht nahm die ZVMB am 27. September 2019 ausführlich Stellung
Die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag des therapeutisch tätigen (Fach-) Arztes einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (BGE 124 I 170 E. 4) lässt es nicht zu, ein Administrativgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn behandelnde Ärzte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil diese wichtige Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (vgl. nicht publ. E. 6.2 des Urteils BGE 142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131; Urteil 8C_134/2022 vom 3. Juni 2022 E. 5.1). Solche Aspekte sind in Bezug auf den Bericht des Dr. med. D.________ vom 2. April 2019 nicht ersichtlich. Davon abgesehen wurde im ZVMB-Gutachten vom 11. Dezember 2017 in psychischer Hinsicht eine Indikatorenprüfung nach BGE 141 V 181 durchgeführt und - wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat - eine überzeugende Konsistenz- und Ressourcenprüfung vorgenommen, die eine schlüssige Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers erlaubt.
6.3. Im Weiteren beruft sich der Beschwerdeführer auf den Zwischenbericht der Psychiatrie F.________ vom 11. November 2020 sowie auf deren Austrittsberichte vom 21. und 22. Dezember 2020 betreffend seine dortige teilstationäre Behandlung vom 30. Juni bis 14. Dezember 2020, welche vom 14. September bis 18. November 2020 zu Gunsten einer stationären Behandlung in der Psychotherapiestation der Klinik G.________ unterbrochen worden war.
Diese Berichte können nicht als Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bis zum massgebenden Zeitpunkt der Verfügung vom 26. Mai 2020 dienen, zumal im Austrittsbericht vom 21. Dezember 2020 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit erst ab 30. Juni 2020 attestiert wurde (BGE 145 V 266 E. 5, 121 V 362 E. 1b, 99 V 98 E. 4).
6.4. Insgesamt gibt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die eigene Sichtweise wieder, wie die medizinischen Akten zu würdigen und welche Schlüsse daraus zu ziehen seien. Dies genügt nicht, um die vorinstanzliche Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht als offensichtlich unrichtig oder anderweitig als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen (vgl. nicht publ. E. 6.3 des Urteils BGE 141 V 25, veröffentlicht in: SVR 2015 KV Nr. 8 S. 29, 9C_535/2014; Urteil 8C_787/2021 vom 23. März 2022 E. 14.2).
6.5. Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Resultate zu erwarten waren, durfte die Vorinstanz willkürfrei davon absehen. Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz noch gegen den Anspruch auf freie Beweiswürdigung sowie Beweisabnahme (Art. 61 lit. c ATSG) und rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5; Urteil 8C_582/2021 vom 11. Januar 2022 E. 13).
7.
Weiter hat die Vorinstanz einlässlich und überzeugend begründet, dass der Beschwerdeführer seine Meldepflicht verletzt habe, weshalb die Renteneinstellung rückwirkend per 1. Juli 2016 zu Recht erfolgt sei. Der Beschwerdeführer bringt einzig pauschal vor, vom Vorwurf der Meldepflichtverletzung sei er in jedem Fall zu befreien, da eine solche gar nicht stattgefunden habe. Hiermit vermag er das vorinstanzliche Ergebnis weder in tatsächlicher Hinsicht als offensichtlich unrichtig noch anderweitig als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
8.
Zudem hat die Vorinstanz eingehend und schlüssig aufgezeigt, dass die Rentenrückforderung für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 31. Mai 2019 im Umfang von Fr. 247'050.- rechtens sei.
Der Beschwerdeführer wendet einzig ein, da die Renteneinstellung nicht statthaft sei, entfalle selbstredend auch die Rückforderung. Abgesehen davon, dass die Renteneinstellung ab 1. Juli 2016 zu Recht erfolgte (vgl. E. 7 hiervor), vermag der Beschwerdeführer mit diesem pauschalen Einwand die Rückforderung weder in tatsächlicher Hinsicht als offensichtlich unrichtig noch anderweitig als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
9.
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm gewährt werden (Art. 64 BGG). Er hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Nadeshna Ley wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. August 2022
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Der Gerichtsschreiber: Jancar