Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_422/2024
Urteil vom 19. September 2024
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin van de Graaf,
Gerichtsschreiber Gross.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Fahren ohne Berechtigung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 22. April 2024 (SST.2023.265).
Sachverhalt:
A.
Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte A.________ am 22. April 2024 zweitinstanzlich wegen Fahrens ohne Berechtigung gemäss Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG und Verletzung der Verkehrsregeln durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 120.-- und einer Busse von Fr. 400.--. Es auferlegte ihm die kantonalen Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 5'002.--.
B.
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, er sei vom Vorwurf des Fahrens ohne Berechtigung gemäss Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde ist zu begründen, wobei anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern dieser Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGG). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür in der Sachverhaltsfeststellung bestehen qualifizierte Rügeanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG).
1.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid geradezu unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ). Es genügt nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 148 V 366 E. 3.3; 137 II 353 E. 5.1 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 205 E. 2.6; 146 IV 88 E. 1.3.1).
2.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen Fahrens ohne Berechtigung.
2.1. Des Fahrens ohne Berechtigung macht sich gemäss Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG strafbar, wer ein Motorfahrzeug führt, obwohl ihm der Führerausweis entzogen wurde. Strafbar ist gemäss Art. 100 Ziff. 1 SVG auch das fahrlässige Fahren ohne Berechtigung.
2.2. Vorliegend warf die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer im zur Anklage erhobenen Strafbefehl nur vor, er habe vorsätzlich gehandelt. Entsprechend verweist die Vorinstanz auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach klar sein muss, ob der beschuldigten Person Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorgeworfen wird, weil dies Auswirkungen auf die Verteidigungsstrategie haben kann (vgl. Urteile 6B_638/2019 vom 17. Oktober 2019 E. 1.4.2 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre; 6B_870/2018 vom 29. April 2019 E. 2.3). Sie hält fest, dass eine Verurteilung wegen Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist, weil die Staatsanwaltschaft es unterlassen habe, dem Beschwerdeführer eine fahrlässige Tatbegehung vorzuwerfen und in der Anklage die entsprechenden Umstände anzuführen (vgl. dazu auch BGE 149 IV 42 E. 3; 148 IV 124 E. 2.6.7).
2.3. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer am 16. April 2022 ein Motorfahrzeug lenkte, obwohl ihm mit Verfügung vom 12. Oktober 2021 der Führerausweis entzogen worden war. Strittig ist hingegen, ob er mit Vorsatz handelte.
2.4. Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen nach dem hier kraft Art. 102 Abs. 1 SVG anwendbaren Art. 12 Abs. 2 StGB, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (sogenannter Eventualvorsatz). Nach der Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs bzw. die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt und sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1 mit Hinweisen).
Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu seinen Gunsten nach dem Sachverhalt, den er sich vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB). Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist (Art. 13 Abs. 2 StGB). Einem Sachverhaltsirrtum unterliegt, wer von einem Merkmal eines Straftatbestands keine oder eine falsche Vorstellung hat. In diesem Fall fehlt dem Irrenden der Vorsatz zur Erfüllung der fraglichen Strafnorm (BGE 147 IV 193 E. 1.4.1; 129 IV 238 E. 3.1; Urteile 6B_42/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 2.1.3; 6B_364/2021 vom 5. Oktober 2022 E. 4.3.3; je mit Hinweisen). Bewusste Nichtkenntnis eines Sachverhalts ist indes nicht als Sachverhaltsirrtum im Sinne von Art. 13 StGB zu behandeln (vgl. BGE 135 IV 12 E. 2.3.1 f.; Urteile 6B_1091/2022 vom 13. November 2023 E. 2.4; 6B_910/2019 vom 15. Juni 2020 E. 2.2.4.4).
2.5. Die Vorinstanz begründet überzeugend, weshalb der Beschwerdeführer mit Vorsatz gehandelt hat.
2.5.1. Sie hält fest, er habe an der erstinstanzlichen Verhandlung eingeräumt, dass ihm die Verfügung vom 12. Oktober 2021 zugestellt worden sei und er sie durchgelesen oder zumindest überflogen habe. Die Vorinstanz hält für unglaubhaft, dass der Beschwerdeführer das genaue Datum des Entzugs nicht richtig angeschaut habe. Sie weist darauf hin, dass die Dauer von einem Monat und das exakte Datum des Entzugs vom 10. April 2022 bis 9. Mai 2022 durch Fettdruck optisch hervorgehoben und daher leicht erkennbar seien. Hinzu komme, dass dem Beschwerdeführer der Führerausweis schon sechs Mal während unterschiedlicher Dauer entzogen worden sei und dass vier dieser Entzüge nicht vom Anfang bis zum Ende eines Kalendermonats gedauert hätten. So habe insbesondere der letzte Entzug von drei Monaten vom 4. Juli 2020 bis 3. Oktober 2020 gedauert. Vor diesem Hintergrund verwirft die Vorinstanz die Aussage des Beschwerdeführers, wonach er den Führerausweis immer vom Anfang bis Ende eines Kalendermonats habe abgeben müssen und dies so in seinem Gedächtnis gewesen sei.
2.5.2. Sodann berücksichtigt die Vorinstanz, dass der Führerausweisentzug mit Blick auf die berufliche Situation des Beschwerdeführers von besonderer Wichtigkeit ist, da er als selbständiger Sanitärinstallateur darauf angewiesen ist. Daraus leitet sie ab, dass der Beschwerdeführer die fehlende Fahrerlaubnis hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit rechtzeitig und sorgfältig einplanen müsse, wenn er sich daran halten wolle. Der Beschwerdeführer machte bereits im Berufungsverfahren geltend, er habe die Entzugsdauer verkannt, weil er Defizite bei der Selbstorganisation habe. Dies hält die Vorinstanz für unplausibel. Sie verweist auf andere Angaben des Beschwerdeführers, die für eine hinreichende Selbstorganisation sprächen. So habe er angegeben, er habe vorgehabt, den Führerausweis dem Strassenverkehrsamt nach den Ferien zuzusenden. Auch habe er darauf verwiesen, dass er die Organisation und Administration bei seiner Firma meistens selbst erledige. Gemäss Vorinstanz ist zudem unglaubhaft, dass der Beschwerdeführer praktisch unmittelbar vor einem verfügten Führerausweisentzug rund 10 Tage in die Ferien gehe und keinen Gebrauch von der Möglichkeit mache, den Vollzugstermin für den Führerausweisentzug nach vorne zu verschieben. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer von dieser Option gewusst habe, zumal in der Verfügung vom 12. Oktober 2021 darauf hingewiesen worden sei und ihm bereits mehrmals der Führerausweis entzogen worden sei.
2.5.3. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, dass der Beschwerdeführer im Wissen um die fehlende Fahrerlaubnis am 16. April 2022 ein Motorfahrzeug geführt hat. Nichts zu seinen Gunsten könnte er geltend machen, wenn er die Verfügung vom 12. Oktober 2021 tatsächlich nur überflogen, anschliessend für Monate nicht mehr beachtet und sich dann hinsichtlich des Zeitraums des Führerausweisentzuges geirrt hätte. Denn ein solches Verhalten wäre gemäss Vorinstanz als Ausdruck von grosser Gleichgültigkeit zu werten, womit der Beschwerdeführer in Kauf genommen hätte, während des Führerausweisentzugs ein Motorfahrzeug zu lenken. Ein Sachverhaltsirrtum komme bei einem solchen Verhalten nicht in Frage.
2.6. Was der Beschwerdeführer gegen die überzeugenden vorinstanzlichen Erwägungen vorbringt, verfängt nicht.
2.6.1. Er wirft der Vorinstanz eine willkürliche Beweiswürdigung vor. Allerdings erschöpfen sich seine Ausführungen in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil. So trägt er beispielsweise vor, die Vorinstanz setze sich mit seinen Aussagen lediglich lückenhaft auseinander und beschränke sich darauf, "isoliert die Aussage, wonach er sich über den konkreten Zeitraum des Führerausweisentzugs geirrt habe, auf ihre Glaubhaftigkeit zu prüfen, ohne diese konkrete Aussage im Kontext des übrigen Aussageverhaltens zu würdigen". Allerdings legt er nicht ansatzweise dar, inwiefern die vorinstanzliche Würdigung schlechterdings unhaltbar sein soll.
2.6.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe "völlig ausser Acht gelassen", dass die Möglichkeit bestehe, dass er das Datum "in seiner Erinnerung falsch verankert [habe]". Dabei übersieht er, dass es für die Annahme von Willkür nicht einmal ausreichen würde, wenn eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint. Im vorliegenden Fall ist aber ohnehin die vorinstanzliche Beweiswürdigung naheliegender.
2.6.3. Der Beschwerdeführer kritisiert die vorinstanzliche Erwägung, wonach er als Selbständigerwerbender auf ein Auto angewiesen sei und keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht habe, den Führerausweisentzug zu verschieben. Er rügt, ihm sei nicht vorgehalten worden, dass eine frühzeitige Rückgabe des Führerausweises möglich gewesen wäre. Abermals macht er geltend, er habe "Defizite bei der Selbstorganisation". Willkür in der Sachverhaltsfeststellung zeigt er damit nicht auf.
2.6.4. Gleiches gilt, wenn er vorträgt, gegen Vorsatz spreche auch sein übriges Aussageverhalten. Hier präsentiert der Beschwerdeführer eine eigene Beweiswürdigung, ohne aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen geradezu unhaltbar sein sollen. Darauf ist nicht einzutreten.
2.6.5. Soweit der Beschwerdeführer sich auf die Unschuldsvermutung beruft, ist er darauf hinzuweisen, dass dem Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung zukommt (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 146 IV 88 E. 1.3.1).
2.7. Nach dem Gesagten ist die Verurteilung wegen Fahrens ohne Berechtigung gemäss Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG rechtens.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. September 2024
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Der Gerichtsschreiber: Gross