Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_455/2024
Urteil vom 19. November 2024
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Nicolai Fullin,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 19. Juni 2024 (VSBES.2021.222).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1979, meldete sich im August 2019 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an unter Angabe einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit wegen seit 2010 bestehender psychischer Beschwerden. Die IV-Stelle Solothurn holte die Berichte der behandelnden Ärzte ein und liess A.________ psychiatrisch abklären (Gutachten des Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 22. September 2020). Mit Verfügung vom 23. November 2021 lehnte sie einen Anspruch auf eine Invalidenrente und auf berufliche Massnahmen ab.
B.
A.________ erhob dagegen Beschwerde und liess die Zusprechung einer Invalidenrente ab März 2020 beantragen. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn veranlasste Gutachten bei Dr. med. C.________, Psychiatrie und Psychotherapie, spez. Forensische Psychiatrie und Psychotherapie FMH, und MSc D.________, Fachpsychologin für Neuropsychologie. Nach Durchführung einer Instruktionsverhandlung mit Befragung auch des Ehemanns und der Tochter wies es die Beschwerde mit Urteil vom 19. Juni 2024 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei ihr ab März 2020 mindestens eine halbe Invalidenrente zuzusprechen.
Nach Beizug der vorinstanzlichen Akten verzichtet das Bundesgericht auf einen Schriftenwechsel.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ; BGE 145 V 57 E. 4).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die rentenablehnende Verfügung vom 23. November 2021 bestätigte. Zur Frage steht allein noch, ob die Beschwerdeführerin als Gesunde erwerbstätig wäre.
3.
3.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 74 E. 4.1 mit Hinweisen).
3.2. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zum Rentenanspruch (Art. 28 IVG) sowie zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) und nach der gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG) zutreffend dargelegt. Hervorzuheben ist, dass die Beantwortung der Statusfrage, das heisst, ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig oder als nichterwerbstätig einzustufen ist, zwangsläufig eine hypothetische Beurteilung erfordert, die auch hypothetische Willensentscheidungen der versicherten Person zu berücksichtigen hat. Derlei ist einer direkten Beweisführung wesensgemäss nicht zugänglich und muss in aller Regel aus äusseren Indizien erschlossen werden. Die Beurteilung hypothetischer Geschehensabläufe stellt eine Tatfrage dar, soweit sie auf Beweiswürdigung beruht, selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung mitberücksichtigt werden (BGE 144 I 28 E. 2.4). Richtig wiedergegeben werden im angefochtenen Urteil schliesslich auch die hinsichtlich des Beweiswerts von ärztlichen Berichten und Gutachten zu beachtenden Regeln im Allgemeinen (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a mit Hinweis) und von Gerichtsgutachten im Besonderen (BGE 135 V 465 E. 4.4; 125 V 351 E. 3b/aa mit Hinweis; SVR 2015 UV Nr. 4 S. 13, 8C_159/2014 E. 3.2; Urteil 8C_132/2018 vom 27. Juni 2018 E. 6.1.2). Es wird darauf verwiesen.
4.
4.1. Nach eingehender Würdigung der ärztlichen Berichte und Gutachten stellte die Vorinstanz fest, dass die Beschwerdeführerin in der angestammten Tätigkeit als Hausfrau gesundheitlich bedingt nicht eingeschränkt sei. Im ersten Arbeitsmarkt bestehe wegen einer chronifizierten rezidivierenden depressiven Störung (derzeit leichte depressive Episode) mit somatischem Syndrom und diversen Ängsten sowie einem Abhängigkeitssyndrom von Sedativa und schädlichem Gebrauch von Analgetika eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit. Die Beschwerdeführerin mache geltend, vor der Geburt ihrer Kinder (2001 und 2006) vollzeitlich erwerbstätig gewesen zu sein und dass sie nunmehr als Gesunde ein 70%-Pensum versehen würde. Sie habe indessen, so das kantonale Gericht, bis im Jahr 2000 lediglich sieben Monate als Fabrikangestellte und sechs Monate als Hilfskraft in der Küche gearbeitet. Gemäss den Einträgen im Individuellen Konto (IK) habe sie dabei von August 1999 bis Oktober 2000 Einkommen von Fr. 18'317.- und 11'888.- erzielt, was nicht auf ein höheres Pensum schliessen lasse. Sie habe maximal vier Jahre Primarschule, aber keine weitere Schulbildung absolviert. Ihr 2006 geborener Sohn besuche gemäss der behandelnden Ärztin wegen einer leichten Behinderung eine Sonderschule. Eine Krankschreibung der Beschwerdeführerin sei erstmals im August 2019 erfolgt, eine fortgesetzte psychiatrische Behandlung habe erst ab Herbst 2019 stattgefunden. Mit Blick auf all diese Umstände konnte gemäss Vorinstanz entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht davon ausgegangen werden, dass sie wegen ihres Sohnes oder aus gesundheitlichen Gründen an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seit dem Jahr 2001 verhindert gewesen sei beziehungsweise dass sie als Gesunde aktuell schon nur teilzeitlich erwerbstätig wäre. Das kantonale Gericht qualifizierte die Beschwerdeführerin deshalb als vollzeitlich im Haushalt Beschäftigte. Da dabei gestützt auf die ärztlichen Einschätzungen und auch unter Berücksichtigung der zumutbaren Mithilfe der Familienangehörigen keine invalidenversicherungsrechtlich relevante Beeinträchtigung bestehe, schloss die Vorinstanz eine anspruchsbegründende Invalidität aus.
4.2. Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Einwand, dass sie als Gesunde erwerbstätig wäre. Die Familie lebe in engen finanziellen Verhältnissen und sie wünsche sich einen höheren Lebensstandard. Das kantonale Gericht habe ihre und die Angaben ihrer Familie zum hypothetischen Status als Gesunde zwar nicht als unglaubwürdig oder widersprüchlich bezeichnet, ihnen aber dennoch keine Beachtung geschenkt. Dass sie vor der Geburt der Kinder nicht über eine längere Zeit erwerbstätig gewesen sei, bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, sie macht indessen geltend, dass ihr dies nach über 20 Jahren nicht zum Nachteil gereichen könne. Aus den blossen IK-Einträgen auf ein lediglich geringes Pensum zu schliessen, sei willkürlich. Familiäre Gründe stünden einer Erwerbstätigkeit nicht mehr entgegen. Dass sie seit der Geburt der Kinder nicht mehr gearbeitet habe, liege daran, dass sie seither gesundheitlich angeschlagen gewesen sei, auch wenn sich der genaue Verlauf der Einschränkungen rückblickend nicht mehr genau bestimmen lasse. Ein (einmaliger) Versuch sei denn auch aus diesem Grund fehlgeschlagen.
5.
Inwiefern die Vorinstanz offensichtlich unrichtige Feststellungen in sachverhaltlicher Hinsicht getroffen oder sonstwie Bundesrecht verletzt haben sollte, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun. Dass sie aus gesundheitlichen Gründen seit dem Jahr 2000 an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verhindert gewesen wäre, verwarf das kantonale Gericht mit einlässlicher Begründung. So seien gemäss Gerichtsgutachten zwar möglicherweise bereits vor etwa 20 Jahren depressive Verstimmungen aufgetreten, die aber nicht den Schweregrad einer depressiven Episode erreicht hätten. Ab etwa 2010 sei eine depressiv-ängstliche Symptomatik mit Somatisierung hausärztlich erkannt, aber ausschliesslich ambulant behandelt worden. Eine erste psychiatrische Anbindung sei 2014 gescheitert. Erst ab 2019 habe eine regelmässige psychiatrische Behandlung stattgefunden, und damit verbunden liege auch erstmals eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Gestützt auf die vorinstanzlichen Erwägungen ist eine Erwerbstätigkeit lediglich während rund eines Jahres ausgewiesen, bevor die Beschwerdeführerin diese im Jahr 2000 aufgab und seither nie mehr ausserhäuslich beschäftigt war. Überzeugende Gründe dafür vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen und damit auch mit ihrem Vorbringen nicht durchzudringen, dass sie nunmehr als Gesunde trotzdem mindestens ein 70%-Pensum versehen würde. Die Vorinstanz verwies schliesslich auf die Einschätzung der psychiatrischen Gerichtsgutachterin, wonach nicht deutlich geworden sei, dass die Beschwerdeführerin ihre Hausfrauenrolle tatsächlich aufgeben möchte. Dass das kantonale Gericht von einer vollzeitlichen Beschäftigung im Haushalt auch als Gesunde und im Übrigen - unbestrittenerweise - von einer diesbezüglich uneingeschränkten Leistungsfähigkeit ausging, ist nicht zu beanstanden.
6.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet. Sie wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid erledigt.
7.
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. November 2024
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo