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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.519/2006 /ggs 
 
Urteil vom 19. Dezember 2006 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Haag. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Heinz Ottiger, 
 
gegen 
 
Amtsstatthalteramt Sursee, 
Centralstrasse 24, 6210 Sursee, 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern, 
Obergericht des Kantons Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, Hirschengraben 16, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Beschlagnahme und Entsiegelung eines Tagebuchs, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, vom 19. Juli 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der Amtsstatthalter von Sursee führt gegen Y.________ eine Strafuntersuchung, zunächst wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen Urkundenfälschung, der sexuellen Nötigung, Schändung, Pornografie und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Inzwischen wurde die Strafuntersuchung wegen Verdachts der Veruntreuung, des gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, der Sachbeschädigung, Förderung der Prostitution, Freiheitsberaubung, Entführung, Nötigung, Widerhandlungen gegen das ANAG und das Waffengesetz, Gefährdung des Lebens und des Bruchs amtlicher Beschlagnahme ausgeweitet. Eine staatsrechtliche Beschwerde von Y.________ gegen die Anordnung einer vorsorglichen stationären psychotherapeutischen Massnahme im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wies das Bundesgericht mit Urteil 1P.736/2006 vom 30. November 2006 ab. 
 
In Bezug auf verschiedene Vermögensdelikte (Darlehensbetrug, Veruntreuung etc.) wird X.________, die langjährige Lebenspartnerin von Y.________, der Mittäterschaft verdächtigt. Am 15. März 2006 ordnete der Amtsstatthalter von Sursee die Festnahme von Y.________ und die Durchsuchung seiner zusammen mit X.________ bewohnten Wohnung an. Anlässlich dieser Hausdurchsuchung wurde ein Tagebuch von X.________ beschlagnahmt und polizeilich versiegelt. 
 
Gegen die Hausdurchsuchungsverfügung und Beschlagnahme des Tagebuchs erhob X.________ Rekurs bei der Kriminal- und Anklagekommission des Obergerichts des Kantons Luzern, welche das Rechtsmittel am 19. Juli 2006 abwies, soweit sie darauf eintreten konnte und es nicht gegenstandslos geworden war. Das Obergericht erachtete die umstrittene Beschlagnahme des Tagebuchs als rechtmässig und bezeichnete den Amtsstatthalter als zur Entsiegelung zuständig. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 23. August 2006/12. September 2006 beantragt X.________ im Wesentlichen die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids vom 19. Juli 2006. Sie rügt die Verletzung der Unschuldsvermutung und des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 32 BV und Art. 6 EMRK), die Missachtung des Zeugnisverweigerungsrechts und des Diskriminierungsverbots (Art. 8 und 9 BV sowie Art. 8 und 14 EMRK) sowie die Verletzung der Privatsphäre (Art. 10 und 13 BV sowie Art. 8 EMRK). 
Das Obergericht beantragt die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat sich mit Eingabe vom 6. November 2006 zu den Vernehmlassungen des Obergerichts und der Staatsanwaltschaft geäussert und an ihren Standpunkten festgehalten. 
C. 
Mit Verfügung vom 25. Oktober 2006 hat der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts dem Antrag der Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung entsprochen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Im vorliegend angefochtenen Entscheid bezeichnet das Obergericht die Anordnung des Amtsstatthalters, das Tagebuch der Beschwerdeführerin als Beweismittel zu beschlagnahmen, als rechtmässig. Zudem hat es die Entsiegelung zugelassen. Diese Verfügung ist ein Zwischenentscheid, in welchem keine Fragen des eidgenössischen Strafrechts endgültig entschieden werden. Sie unterliegt somit nicht der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen (BGE 128 I 129 E. 1 S. 131; 126 I 97 E. 1c S. 101). 
1.2 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die staatsrechtliche Beschwerde unter Vorbehalt von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen (siehe Art. 87 Abs. 1 OG) nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 87 Abs. 2 OG). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben Verfügungen, durch welche bestimmte Gegenstände beschlagnahmt werden, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne der zitierten Bestimmung zur Folge, weil der Betroffene durch die Beschlagnahme daran gehindert wird, frei über die Gegenstände zu verfügen (BGE 128 I 129 E. 1 S. 131; 126 I 97 E. 1b S. 100, je mit Hinweisen). 
 
Die Beschwerdeführerin ist durch die Beschlagnahme ihres Tagebuchs in eigenen rechtlich geschützten Interessen betroffen und somit zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG). Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ist in der staatsrechtlichen Beschwerde darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte als verletzt erachtet werden und inwiefern dies der Fall sei. Das Bundesgericht prüft lediglich rechtsgenügend vorgebrachte und klare Rügen (BGE 131 I 377 E. 4.3 S. 385). 
Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der staatsrechtlichen Beschwerde sind erfüllt und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist somit unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen einzutreten. 
2. 
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, sie sei nicht darüber informiert gewesen, dass gegen sie ein Strafverfahren eröffnet worden sei. Die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme des Tagebuchs sei im Rahmen der gegen ihren Lebenspartner geführten Strafuntersuchung erfolgt. Erst nach dem Auffinden ihres Tagebuchs anlässlich der Hausdurchsuchung sei eine weitere Hausdurchsuchungsverfügung "in der Strafsache X.________" wegen Verdachts des Darlehensbetrugs ergangen. Ein solches Vorgehen verstosse gegen die strengen Formvorschriften der §§ 120 ff. der Luzerner Strafprozessordnung vom 3. Juni 1957 (StPO). 
 
Die Beschwerdeführerin legt nicht im Einzelnen dar, welche Formvorschriften der §§ 120 ff. StPO ihrer Ansicht nach missachtet wurden, und sie setzt sich mit diesen Bestimmungen auch nicht weiter auseinander. Nach § 120 Abs. 1 StPO ist die Durchsuchung einer Wohnung oder anderer Räume zulässig zur Nachforschung nach dem Täter, zur Sicherung von Spuren eines Verbrechens oder Vergehens und zur Beschlagnahme von Gegenständen. Aus den Akten ergibt sich, dass die Verfügung zur Festnahme von Y.________ und zur Durchsuchung seiner Wohnung am 15. März 2006 im Rahmen der gegen ihn geführten Strafuntersuchung erlassen wurde. In den Akten befindet sich indessen auch ein Polizeirapport vom 12. März 2004, wonach die Beschwerdeführerin als Mittäterin zum Darlehensbetrug in Frage komme. Entsprechend wurde auch eine Untersuchungsakte gegen sie erstellt. Die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme richtete sich somit nicht ausschliesslich gegen Y.________, sondern auch gegen seine, für gewisse Delikte als Mittäterin verdächtigte Lebenspartnerin. Inwiefern die zuständigen Behörden bei ihrem Vorgehen Parteirechte der Beschwerdeführerin und Formvorschriften verletzt haben sollen, wird in der Beschwerde nicht im Einzelnen ausgeführt. Die Beschwerde erfüllt diesbezüglich die Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht. 
3. 
Die Beschlagnahme des Tagebuchs stellt einen Eingriff in die Privatsphäre der Beschwerdeführerin (Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK) dar. Ein solcher ist nur zulässig, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und der Kerngehalt des Grundrechts unangetastet bleibt (Art. 36 BV und Art. 8 Ziff. 2 EMRK). 
3.1 Nach § 114 Abs. 1 StPO kann eine Person, die im Besitz von Gegenständen ist, die als Beweismittel von Bedeutung sein können oder die sonst nach kantonalem oder Bundesrecht für eine Einziehung in Betracht kommen, aufgefordert werden, sie herauszugeben oder jederzeit zur Verfügung zu halten. Wer das Zeugnis verweigern darf, ist nicht verpflichtet, Gegenstände herauszugeben, die im Zusammenhang mit dem Sachverhalt stehen, über den er das Zeugnis verweigern könnte (§ 114 Abs. 3 StPO). Verweigert der Inhaber die Herausgabe, kann der Amtsstatthalter die Herausgabe anordnen (§ 115 Abs. 1 StPO). Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass im Kanton Luzern eine gesetzliche Grundlage für die Beschlagnahme besteht. Sie beruft sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht und macht geltend, dieses sei ihr als langjährige Lebenspartnerin von Y.________ und Mutter der beiden gemeinsamen Söhne zu Unrecht verweigert worden. 
3.2 Wie in E. 2 hiervor dargelegt, erfolgte die Beschlagnahme des Tagebuchs der Beschwerdeführerin nicht nur zur Sicherstellung als Beweismittel im Strafverfahren gegen Y.________, sondern auch zur Aufklärung allfälliger Tatbeiträge der Beschwerdeführerin. Als Mitangeschuldigte ist sie nach herrschender Lehre und Praxis zwar nicht zur aktiven Förderung der Untersuchung verpflichtet (kein Selbstbelastungszwang), doch muss sie als Beschuldigte Eingriffe wie eine Beschlagnahme grundsätzlich dulden. Daran würde ein allfälliges Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf den an den Straftaten beteiligten Lebenspartner nichts ändern. Betreffen die Aufzeichnungen - wie hier das Tagebuch - die Intimsphäre der Beschuldigten und damit ihren höchstpersönlichen Bereich, so erscheint eine Beschlagnahme nur zulässig, wenn dies aufgrund einer Interessenabwägung als angezeigt erscheint (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, N. 746; Robert Hauser/Erhard Schweri/Karl Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel 2005, § 69 N. 2a; Felix Bommer/ Peter Goldschmid, Die Auswirkungen von Aussagefreiheit und Zeugnisverweigerungsrechten auf Beschlagnahme und Herausgabe, in: ZBJV 133/1997 345, 354 f.). Dementsprechend ist auch in Art. 263 Abs. 1 lit. b des Entwurfs für eine schweizerische Strafprozessordnung vorgesehen, dass persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person nicht beschlagnahmt werden dürfen, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt (BBl 2006 1467 f.). Nach der Botschaft des Bundesrats zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts besteht bei der Beschlagnahme kein Konflikt mit dem Verbot des Selbstbelastungszwangs oder einem allfälligen Zeugnisverweigerungsrecht, weil sie bloss ein Dulden, jedoch keine aktive Mitwirkung erfordert. Die Privatsphäre der betroffenen Person und besondere Vertrauensverhältnisse sind bei der Beschlagnahme von persönlichen Aufzeichnungen im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen (vgl. BBl 2006 1245 f.). 
3.3 Ungeachtet der Frage, ob sich die Beschwerdeführerin in Bezug auf ihren faktischen Lebenspartner auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann, ist somit im vorliegenden Fall zu prüfen, ob ihr Interesse am Schutz ihrer Persönlichkeit das staatliche Strafverfolgungsinteresse überwiegt. 
3.3.1 Das Obergericht hat die Umstände, die zur Verfassung des Tagebuchs geführt haben, eingehend gewürdigt und ist zum Schluss gelangt, die Aufzeichnungen stünden in einem unmittelbaren Bezug zu den strafbaren Handlungen, die der Beschwerdeführerin und ihrem Lebenspartner vorgeworfen würden. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass das Tagebuch der Beschwerdeführerin dazu diente, die Belastungen zu verarbeiten, die sich für sie aus den ihrem Lebenspartner vorgeworfenen Sexualdelikten gegenüber anderen Frauen ergeben hätten. Es liege somit nahe, dass die Tagebuchaufzeichnungen Angaben über Straftaten enthalten könnten, die ihr Lebenspartner, unter Umständen auch sie selbst begangen habe. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit bestehe kein Zweifel, dass die Beschlagnahme im Interesse der Strafverfolgung geeignet und zudem erforderlich sei, da keine gleich geeignete mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Der allgemeine Zweck der Verbrechensaufklärung - im Raum stünden schwerwiegende strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität sowie Vermögensdelikte - wiege schwerer als das Interesse der Beschwerdeführerin an der Nichtverwertung ihrer Tagebuchaufzeichnungen. 
3.3.2 Die Beschwerdeführerin weist zunächst darauf hin, dass das Obergericht nicht zwischen dem Verfahren gegen die Beschwerdeführerin und demjenigen gegen ihren Lebensgefährten unterscheide, obwohl nur gegen diesen wegen Delikten gegen die sexuelle Integrität (Art. 187 ff. StGB) ermittelt werde. Das Tagebuch enthalte keine Aufzeichnungen zu der ihr vorgeworfenen Mitwirkung am mutmasslichen Darlehensbetrug, sondern habe ihr zur Verarbeitung von Beziehungskonflikten mit ihrem Lebenspartner gedient; die Niederschrift belastender Gedanken in ein Tagebuch sei für sie von existenzieller Bedeutung gewesen, da sie an Depressionen gelitten habe und suizidal gewesen sei. Mit der Tagebuchführung habe sie einen Heilungsprozess in Gang gesetzt, der durch die Beschlagnahme in Frage gestellt werde. Weiter führt sie aus, die Lektüre ihrer intimsten Gedanken durch die Untersuchungsbehörde wäre für sie unerträglich und würde sie in ihrer Menschenwürde fundamental verletzen. Zum Kerngehalt des Grundrechts auf geistige Unversehrtheit (Art. 10 BV) und Achtung des Privatlebens (Art. 13 BV) gehöre auch das Recht, höchstpersönliche Feststellungen und Überlegungen insbesondere zur Verarbeitung derselben niederzuschreiben, ohne dass irgendjemand in diese Notizen Einsicht nehmen dürfe. Gemäss Art. 36 Abs. 4 BV sei dieses Recht unantastbar. Im Übrigen sei die beweismässige Bedeutung des Tagebuchs gering. Da Tagebücher regelmässig Gedanken, Fantasien und Verarbeitungen enthielten, könnten die Aufzeichnungen keinen rechtsgenüglichen Beweis für strafrechtlich relevante Beobachtungen bilden. Dafür ihre Ansprüche auf Wahrung ihrer Privatsphäre zu opfern, bezeichnet die Beschwerdeführerin als unverhältnismässig. 
3.3.3 Aus den Akten des vorliegenden Verfahrens ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass die umstrittene Beschlagnahme im Zusammenhang mit den vermuteten Tatbeiträgen der Beschwerdeführerin selbst steht. Zweck der Beschlagnahme und Entsiegelung des Tagebuchs ist die Gewinnung von Erkenntnissen über Art und Umfang einer Beteiligung der Beschwerdeführerin an den mutmasslichen Delikten ihres Lebenspartners. Zumindest in Bezug auf den Betrugsvorwurf bestanden bereits vor der Beschlagnahme Anhaltspunkte für einen Tatbeitrag der Beschwerdeführerin, welche in einem Polizeirapport festgehalten wurden und zur Führung einer Untersuchungsakte gegen sie führten. Die weitere Aufklärung einer allfälligen Tatbeteiligung der Beschwerdeführerin liegt zweifellos im öffentlichen Interesse. Dieses öffentliche Interesse bezieht sich auch auf mögliche Tatbeiträge bei Delikten ihres Lebenspartners gegen die sexuelle Integrität von Drittpersonen. Dass diesbezüglich noch keine Strafuntersuchung gegen die Beschwerdeführerin eröffnet wurde, ändert daran nichts. Wie das Obergericht zutreffend ausführt, dürfen auch neue Erkenntnisse (Zufallsfunde) gegen die Beschwerdeführerin verwendet werden, wenn dafür die Voraussetzungen einer Beschlagnahme erfüllt sind (Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., § 69 N. 36 i.V.m. § 71 N. 31; Schmid, a.a.O., N. 725 und 769 ff.; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Auflage, Bern 1999, S. 130). 
3.3.4 Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung ist zu beachten, dass die Beschwerdeführerin der Beteiligung an einem schweren Vermögensdelikt (Betrug nach Art. 146 StGB) verdächtigt wird. Dem öffentlichen Interesse an der Verbrechensaufklärung stehen die Interessen der Beschwerdeführerin am Schutz ihrer Privatsphäre gegenüber (s. E. 3.3.2 hiervor). Diese Interessen haben angesichts der geltend gemachten persönlichen Konflikt- und Belastungssituation sowie des höchstpersönlichen Charakters der Tagebucheinträge einen hohen Stellenwert. Indessen überwiegt bei der Schwere der hier verfolgten Delikte das öffentliche Interesse an der Verbrechensaufklärung. Die Beschwerdeführerin steht nach den in den Akten festgehaltenen Zeugenaussagen im Verdacht, bei der betrügerischen Aufnahme von Darlehen aktiv mitgewirkt zu haben. Es handelt sich dabei um ein Verbrechen, bei welchem freundschaftliche Beziehungen zum Geschädigten in arglistiger Weise ausgenützt worden sein sollen. Vor diesem Hintergrund kann der Schutz der Privatsphäre der Beschwerdeführerin nicht höher als das Interesse an der Strafverfolgung gewichtet werden. Der angefochtene Entscheid ist in dieser Hinsicht somit im Ergebnis nicht zu beanstanden. 
3.3.5 Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit erscheint die Beschlagnahme des Tagebuchs geeignet und erforderlich, um die Tatbeiträge der Beschwerdeführerin abzuklären. Auch wenn ein Tagebuch, wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt, nicht ohne weiteres einen hohen Beweiswert aufweist, ist hier doch zu erwarten, dass sich daraus wichtige Erkenntnisse über ihr strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben. Dabei müssten auch entlastende Elemente mitberücksichtigt werden. Eine mildere Massnahme als die vom Obergericht angeordnete Entsiegelung des Tagebuchs besteht zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht. Das Obergericht hat den Amtsstatthalter in E. 7.2 des angefochtenen Entscheids dazu verpflichtet, die geeigneten Massnahmen zu ergreifen, um das Geheimhaltungsinteresse bzw. den Persönlichkeitsschutz der Beschwerdeführerin möglichst zu wahren, indem zum Beispiel nur die erheblichen Passagen kopiert werden und ihr das Tagebuch sodann zurückgegeben wird. Damit erweist sich die umstrittene Beschlagnahme und Entsiegelung des Tagebuchs als verhältnismässig. Von einer Antastung des Kernbereichs der persönlichen Freiheit oder der Privatsphäre der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 36 Abs. 4 BV kann im Übrigen keine Rede sein (vgl. Bommer/Goldschmid, a.a.O., S. 366). Ebenso wenig liegt eine unzulässige Beweisausforschung (fishing expedition) vor, da die Öffnung des Tagebuchs im Rahmen einer Strafuntersuchung gegen die Beschwerdeführerin mit hinreichendem Tatverdacht erfolgt (vgl. Schmid, a.a.O., N. 725). 
3.4 Es ergibt sich, dass die umstrittene Beschlagnahme und Entsiegelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Daran würde ein allfälliges Zeugnisverweigerungsrecht der Beschwerdeführerin im Verhältnis zu ihrem Lebenspartner und Mitangeschuldigten nichts ändern, da sie als Beschuldigte die Beschlagnahme dulden muss. Es kann somit offen bleiben, ob das Obergericht ein Zeugnisverweigerungsrecht der Beschwerdeführerin gemäss § 92 StPO zu Recht verneint hat. 
4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege kann entsprochen werden, da die Mittellosigkeit ausgewiesen ist und die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war (Art. 152 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen: 
2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
2.2 Rechtsanwalt Heinz Ottiger wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter eingesetzt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Amtsstatthalteramt Sursee sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 19. Dezember 2006 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: