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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.695/2006 /ggs 
 
Urteil vom 19. Dezember 2006 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Thönen. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Y.________, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4001 Basel, 
Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, Schützenmattstrasse 20, 4003 Basel. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren, Akteneinsicht, Rechtliches Gehör, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid 
des Strafgerichts Basel-Stadt, Rekurskammer, 
vom 19. August 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Gegen X.________ führt die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ein Verfahren wegen Drohung zum Nachteil eines Journalisten und wegen Vergehen gegen den Volkswillen. 
 
Im Rahmen eines Einspracheverfahrens gegen die Beschlagnahme von Handnotizen von X.________ beantragte sein Bruder, der in Z.________ (Kanton St. Gallen) praktizierende Rechtsanwalt Y.________, am 31. Oktober 2005 die Zustellung der Verfahrensakten. Der Chef des Kriminalkommissariats Basel-Stadt teilte dem Rechtsanwalt am 8. November 2005 mit, die Akten würden nicht zugesandt, könnten jedoch in den Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft eingesehen werden. Die gegen diesen Bescheid geführte Einsprache vom 11. November 2005 lehnte der Erste Staatsanwalt i.V. am 16. November 2005 ab. 
 
Mit Entscheid vom 19. August 2006 trat die Rekurskammer des Strafgerichts Basel-Stadt auf den Rekurs von X.________ betreffend Nichtzustellung der Verfahrensakten nicht ein und wies den Rekurs betreffend Beschlagnahme der Handnotizen als unbegründet ab. 
B. 
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, die Verfügung des Ersten Staatsanwaltes vom 16. November 2005 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Akten im Original, eventualiter in Kopie der Verteidigung (d.h. dem Bruder des Beschwerdeführers) zuzustellen seien. 
C. 
Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, die Rekurskammer beantragt die Abweisung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar sind grundsätzlich nur letztinstanzliche kantonale Entscheide (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der Verfügung des Ersten Staatsanwaltes vom 16. November 2005. Diese ist nicht letztinstanzlich und daher nicht anfechtbar. Aus formaler Sicht wäre auf den Antrag nicht einzutreten. Aus der Beschwerdebegründung und dem beigelegten Urteil ergibt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer sich gegen den (letztinstanzlichen) Entscheid der Rekurskammer vom 19. August 2006 wendet. Der Antrag wird in diesem Sinne entgegengenommen. 
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, kassatorischer Natur (BGE 131 I 137 E. 1.2 S. 139). Zulässig ist daher einzig der Antrag auf Aufhebung des Entscheids der Rekurskammer. Auf das Begehren um Feststellung eines Aktenzustellungsrechts ist nicht einzutreten. 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Akteneinsichtsrechts. Sein Rechtsanwalt habe Anspruch darauf, dass ihm die Verfahrensakten in die Kanzlei in Z.________ (Kanton St. Gallen) zugesandt würden. 
 
Die Rekurskammer ist auf die Rüge nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer sei nicht beschwert, da ihm die Akteneinsicht uneingeschränkt gewährt worden sei. Der Aktenversand stehe als Modalität des Akteneinsichtsrechts in der Voruntersuchung allein in der Kompetenz der Staatsanwaltschaft. 
2.1 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 87 Abs. 2 OG), es sei denn, sie beträfen die Zuständigkeit oder Ausstandsbegehren (Art. 87 Abs. 1 OG). 
 
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat die Verweigerung oder die Einschränkung der Akteneinsicht grundsätzlich keinen im Endentscheid nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 OG zur Folge, weshalb die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Zwischenentscheid nicht zulässig ist. Demgemäss ist das Bundesgericht auf eine Beschwerde gegen einen kantonalen Zwischenentscheid im Strafverfahren, mit dem die Akteneinsicht am Sitz der Behörde (Untersuchungsrichteramt) bewilligt, die Aushändigung der Akten an den Rechtsanwalt aber verweigert wurde, nicht eingetreten (Urteil 1P.572/2000 vom 24. November 2000). Gleich wurde bei vorläufiger Abweisung eines Akteneinsichtsgesuches in der Voruntersuchung entschieden (Urteil 1P.146/1993 vom 13. Juli 1993). Auch gemäss der Praxis zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist auf Zwischenentscheide, mit der die Akteneinsicht verweigert wird, regelmässig nicht einzutreten (Urteil 2A.215/2005 vom 1. September 2005 E. 1.3, mit Hinweisen). 
Der vorliegende Fall ist mit diesen Präjudizien vergleichbar und daher gleich zu behandeln: Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab und ist somit ein Zwischenentscheid. Es handelt sich um eine bewilligte Akteneinsicht am Sitz der Behörde in einem frühen Verfahrensstadium (Ermittlungsverfahren). Die verweigerte Aktenzustellung hat keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge; ein daraus entstandener Nachteil kann im weiteren Strafverfahren oder - unter der Voraussetzung, dass ein entsprechender Anspruch besteht - spätestens nach Abschluss des Strafverfahrens auf staatsrechtliche Beschwerde hin mit der Aufhebung des kantonalen Endentscheids behoben werden. 
2.2 In BGE 122 I 109 hat das Bundesgericht erkannt, es sei verfassungswidrig, dass das Gericht des Kantons Waadt sich weigere, die Akten einem ausserkantonalen Anwalt zuzustellen, obwohl diese Verfahrenserleichterung den Waadtländer Anwälten zugestanden werde. Die Eintretensfrage dieses Urteils von 1996 richtete sich nach altem Recht. 
 
Seit 1. März 2000 gilt Art. 87 OG in geänderter Fassung und der zitierte Nichteintretensentscheid betreffend Aktenzustellung (Urteil 1P.572/2000 vom 24. November 2000) erging in Anwendung dieser, noch heute geltenden Bestimmung. Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. 
2.3 Auf die Rüge, das Akteneinsichtsrecht sei verletzt, ist nicht einzutreten. 
3. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Anspruchs auf faires Verfahren. Der Entscheid der Rekurskammer stütze sich auf eine Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft vom 17. Januar 2006, die ihm nicht unterbreitet worden sei. 
 
Dazu haben sich die kantonalen Behörden in der Vernehmlassung nicht geäussert. 
3.1 Auf die Rüge ist einzutreten. Der angefochtene Rekursentscheid betrifft - neben der Aktenzustellung - auch eine Beschlagnahme von handschriftlichen Notizen des Beschwerdeführers. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben Verfügungen, mit denen bestimmte Gegenstände beschlagnahmt werden, einen nicht wiedergutzumachenden rechtlichen Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG zur Folge (BGE 128 I 129 E. 1). Als selbständig eröffneter Zwischentscheid ist der Rekursentscheid betreffend Beschlagnahme anfechtbar. 
3.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien im Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf rechtliches Gehör. Nach der Rechtsprechung umfasst diese Garantie den Anspruch, von den beim Gericht eingereichten Eingaben oder Vernehmlassungen Kenntnis zu erhalten und zu diesen Stellung zu nehmen (sog. Replikrecht, ausführlich BGE 132 I 42 E. 3.3). 
 
Jedenfalls in Verfahren ohne mündliche Verhandlung sind Vernehmlassungen den Verfahrensbeteiligten zuzustellen. Dabei sind mehrere Lösungen denkbar: Wird, im Sinne einer Mindestlösung, eine Eingabe rechtzeitig vor dem Entscheidzeitpunkt "zur Kenntnisnahme" zugestellt und keine Frist angesetzt, kann von den Parteien nach Treu und Glauben erwartet werden, dass sie allfällige Bemerkungen umgehend einreichen. Wahlweise kann die Zustellung auch mit einer Fristansetzung zur Stellungnahme verbunden oder ein förmlicher zweiter Schriftenwechsel eröffnet werden, um den Parteien Gelegenheit zu Gegenbemerkungen zu geben. 
 
An Gerichtsverfahren beteiligte kantonale Instanzen werden erwägen, in klaren Fällen keine Vernehmlassung abzugeben, um unnötige Zustellungen und Wartefristen zu vermeiden. 
3.3 Im Rekursverfahren hat sich die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 17. Januar 2006 vernehmen lassen. Die Rekurskammer hat entschieden, ohne dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, sich zur Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft zu äussern. Damit wurde der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die Rüge ist begründet und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Die Rekurskammer wird, bevor sie neu entscheidet, dem Beschwerdeführer Gelegenheit geben, sich zur Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft vom 17. Januar 2006 zu äussern. 
4. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist gutzuheissen, soweit sie sich auf das Äusserungsrecht im kantonalen Rekursverfahren bezieht (E. 3). Im Übrigen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
 
Bei diesem Ausgang sind keine Gerichtsgebühren zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG), womit der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenbefreiung gegenstandslos wird. Hingegen hat der Kanton Basel-Stadt dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 2 OG). Da auf die Beschwerde nur teilweise eingetreten werden kann, ist eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 5 i.V.m. Art. 156 Abs. 6 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit sie sich auf das Äusserungsrecht im kantonalen Rekursverfahren bezieht, und der angefochtene Entscheid des Strafgerichts Basel-Stadt, Rekurskammer, vom 19. August 2006 wird aufgehoben. Im Übrigen wird auf die Beschwerde nicht eingetreten. 
2. 
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
3. 
Der Kanton Basel-Stadt hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 19. Dezember 2006 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: