Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess {T 7}
U 259/06
U 264/06
Urteil vom 19. Dezember 2006
III. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiber Grunder
Parteien
U 259/06
Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Postfach, 8085 Zürich, Beschwerdeführerin,
gegen
A.________, 1954, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8024 Zürich,
und
U 264/06
A.________, 1954, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8024 Zürich,
gegen
Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Postfach, 8085 Zürich, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 19. April 2006)
Sachverhalt:
A.
Der 1954 geborene, seit 1. Mai 2000 bei der Firma B.________ als Gartenarbeiter und Maschinist im Landschaftsbau angestellte A.________ war am 3. April 2001 mit dem Aushub für eine Drainage in leicht abfallendem Gelände beschäftigt, als der von ihm geführte Kleinbagger seitlich umkippte und das rechte Bein einklemmte. Er zog sich multiple Kontusionen am Thorax, im Bereich der Lendenwirbelsäule und am Oberschenkel rechts sowie eine Kniedistorsion rechts mit Läsion des medialen Seitenbandes zu. Die Zürich Versicherungs-Gesellschaft (Zürich Schweiz), Zürich (im Folgenden: Zürich), erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld). Mit Verfügung vom 14. April 2004 schloss sie den Fall per 15. Januar 2004 ab, woran sie auf Einsprache hin festhielt (Einspracheentscheid vom 12. Mai 2005).
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, soweit es auf die Rechtsvorkehr eintrat, teilweise gut und stellte fest, dass A.________ ab 16. Januar 2004 Anspruch auf eine Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 12 % hat (Entscheid vom 19. April 2006).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt A.________ die Rechtsbegehren stellen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm "eine Rente für eine 100 % Erwerbsunfähigkeit" sowie "eine IE auf Basis von 30 % zuzusprechen"; "betreffend zu gewährenden weiteren Massnahmen sei das Verfahren im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung zurückzuweisen". Weiter ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung.
Die Zürich schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
D.
Die Zürich führt ihrerseits Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
A.________ lässt sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zugrunde liegt und die Rechtsmittel den nämlichen kantonalen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen).
2.
2.1 Prozessthema bildet die Frage, ob und in welcher Höhe der Versicherte Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung hat. Aufgrund der medizinischen Akten steht fest und ist unbestritten, dass ab 1. November 2003 von der Fortsetzung ärztlicher Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr erwartet werden konnte. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat einen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen mit Verfügung vom 5. Juli 2004 verneint. Damit sind die Voraussetzungen für die Entstehung eines allfälligen Rentenanspruchs im Sinne von Art. 19 Abs. 1 und 2 UVG erfüllt.
2.2 Das kantonale Gericht hat die Grundlagen über den Anspruch auf Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 8 ATSG), die Bestimmung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen aufgrund eines Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) sowie die Praxis zum Beweiswert ärztlicher Stellungnahmen (BGE 125 V 352 Erw. 3a) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
3.1 Soweit der Versicherte eine Arbeitsfähigkeit bestreitet, steht dies in klarem und nicht begründeten Widerspruch zu den medizinischen Akten.
3.2 Der Versicherte bringt in der Begründung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor, die Zürich hätte eine Übergangsrente zusprechen müssen. Eine sofortige Vollbelastung in einer zumutbaren Arbeitstätigkeit hätte erneute Komplikationen und Schmerzen im Bereich des rechten Knies und damit einen Rückfall zur Folge. Es bestehe die Gefahr einer psychogenen Chronifizierung der vorhandenen somatoformen Schmerzstörung. Es sei ihm daher zu ermöglichen, zunächst teilzeitlich unter allmählicher Steigerung des Beschäftigungsgrades bis zu einem Vollzeitpensum zu arbeiten. Dabei sei die Zürich zu verpflichten, ihm und dem Arbeitgeber beratend zur Seite zu stehen sowie für eine zielgerichtete Psychotherapie aufzukommen. Nur mit einem solchen Vorgehen sei eine erfolgreiche Wiedereingliederung ins Erwerbsleben gewährleistet.
3.3 Es fehlen in den medizinischen Akten Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen eines psychischen Gesundheitsschadens schliessen lassen. Eine Psychotherapie ist daher nicht indiziert. Sodann ist die berufliche Eingliederung von Gesetzes wegen Aufgabe der Invalidenversicherung, weshalb die Zürich nicht verpflichtet werden kann, Einliederungsmassnahmen zu treffen. Nachdem die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 5. Juli 2004 einen diesbezüglichen Anspruch verneinte, bestand kein Anspruch auf eine Übergangsrente (vgl. Art. 19 Abs. 3 UVG in Verbindung mit Art. 30 Abs. 1 lit. b UVV).
3.4 Auf den Einwand des Versicherten, er vermöge wegen des Knieschadens die Arbeitsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt wirtschaftlich nicht zu verwerten, ist nicht näher einzugehen, da dies offensichtlich in Widerspruch zu den anderen Vorbringen seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde steht und auch sonst nicht überzeugt.
3.5 Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die Verletzung am Kniegelenk keine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen Integrität zur Folge hatte, weshalb ein Anspruch auf Integritätsentschädigung entfällt. Das Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit Zusprechung einer Integritätsentschädigung werde ein Anreiz zur Selbsteingliederung geschaffen, ist unbehelflich.
4.
4.1
4.1.1 Die Zürich ging davon aus, dass der Versicherte auch schwere Tätigkeiten zu verrichten vermag. Demgegenüber stellte die Vorinstanz fest, dass der Versicherte im ausgeübten Beruf als Gärtner im Landschaftsbau nicht mehr arbeitsfähig sei, weshalb gestützt auf einen Vergleich der hypothetisch erzielbaren Einkommen zu bestimmen sei, ob und in welchem Umfang eine Erwerbseinbusse bestehe. Sie ermittelte aufgrund der statistischen Durchschnittswerte der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Jahres 2004 (Total, Anforderungsniveau 4, Männer) einen mutmasslich erzielbaren Invalidenverdienst von Fr. 57'258.-, welchen sie um 15 % kürzte, weil der auf eine knieschonende Tätigkeit angewiesene Versicherte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegenüber gesundheitlich nicht beeinträchtigten Mitbewerbern benachteiligt sei. Dasselbe gelte angesichts des Umstands, dass er in einem neuen Beruf (wieder) im ersten Dienstjahr beginnen müsse. Bei der Firma B.________ hätte der Versicherte, wäre er gesund geblieben, im Jahre 2004 ein Salär von Fr. 55'333.55 erreicht. Aus der Gegenüberstellung der hypothetischen Vergleichseinkommen ergebe sich eine Lohneinbusse von Fr. 6664.25, mithin ein Invaliditätsgrad von 12 %.
4.1.2 Die Zürich macht in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Wesentlichen geltend, aus den der vorinstanzlichen Beurteilung zugrunde liegenden Berichte der Rehabilitationsklinik X.________ vom 1. Oktober 2003 (wo sich der Versicherte vom 13. August bis 10. September 2003 aufgehalten hatte) sowie des Universitätsspitals Y.________ vom 26. Juli 2002 sei keine Beeinträchtigung als Gärtner im Landschaftsbau zu entnehmen. Es erübrige sich daher, einen Einkommensvergleich vorzunehmen. Sollte dem vorinstanzlichen Vorgehen zugestimmt werden, sei der Invalidenlohn um einen deutlich unter 15 % liegenden Ansatz zu kürzen.
4.2
4.2.1 Die Orthopädische Universitätsklinik Y.________ hielt im Bericht vom 16. Juli 2002 fest, dass der Patient sich aktuell viel besser fühle. Er habe die vorgesehene Arthroskopie am rechten Kniegelenk auf ärztlichen Rat hin abgesagt, nachdem ihm wegen der bestehenden degenerativen Abnützungen keine Gewissheit einer Schmerzlinderung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für schwere Tätigkeiten habe in Aussicht gestellt werden können.
Die Rehaklinik X.________ führte im Bericht vom 1. Oktober 2003 unter der Rubrik "Zumutbarkeit/Arbeitsunfähigkeit" aus, es bestehe ab 15. September 2003 eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % und ab 1. November 2003 von 0 %. Der Patient vermöge die geschilderten mässigen bis mittelstarken belastungsabhängigen Schmerzen im rechten Kniegelenk nur diffus, ohne genaue Lokalisation anzugeben. In den klinischen Untersuchungen seien keine Auffälligkeiten, insbesondere kein intraartikulärer Erguss oder Überwärmung des rechten Kniegelenks feststellbar gewesen. Es bestehe eine deutliche Diskrepanz zwischen den klinisch und radiologisch (MRI [magnetic resonance imaging] vom 3. April 2001 und 4. September 2003 [Bericht der Universitätsklinik Y.________, Radiologie]) erhobenen Befunden.
4.2.2 Die Ärzte nehmen in den zitierten Berichten zwar nicht explizit Stellung zur Frage, ob der Versicherte im Beruf als Gärtner im Landschaftsbau arbeitsunfähig ist. Indessen geht die Universitätsklinik Y.________ eindeutig davon aus, dass schwere Belastungen nicht mehr möglich sind. In Kenntnis dieser Sachlage hält die Rehaklinik X.________ fest, dass das Ziel des Rehabilitationsaufenthalts, die belastungsabhängigen Schmerzen zu reduzieren und damit einhergehend die Belastbarkeit zu steigern, nicht erreicht werden konnte. Aus diesen Angaben ist der Schluss zu ziehen, dass der Versicherte im Beruf als Gärtner im Landschaftsbau, bei welcher Tätigkeit schwere Arbeiten zu verrichten sind, in der Leistungsfähigkeit zumindest erheblich eingeschränkt ist. Die Zürich selbst ging, wie das kantonale Gericht zutreffend erkannt hat, in der Verfügung vom 14. April 2004 ausdrücklich davon aus, dass gemäss Bericht der Rehaklinik X.________ nurmehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten eine vollständige Arbeitsfähigkeit vorgelegen hat. Das vorinstanzliche Vorgehen ist somit nicht zu beanstanden.
4.2.3 Was die Frage anbelangt, in welchem Ausmass das gestützt auf statistische Durchschittswerte ermittelte Invalideneinkommen zu kürzen ist, bringt die Zürich keine triftigen Gründe vor, die eine von der vorinstanzlichen Einschätzung abweichende Ermessensausübung als naheliegender erscheinen liessen (Art. 132 lit. a OG; BGE 125 V 152 Erw. 2 mit Hinweisen).
5.
5.1 Das im Verfahren U 264/06 gestellte Gesuch des Versicherten um unentgeltliche Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen).
5.2 Der im Verfahren U 259/06 obsiegende Versicherte hat Anspruch auf eine dem Aufwand entsprechende Parteientschädigung (Art. 159 OG), nicht jedoch der im Verfahren U 264/06 obsiegende Versicherungsträger (BGE 118 V 169 f.).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verfahren U 259/06 und U 264/06 werden vereinigt.
2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden abgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Die Zürich Versicherungs-Gesellschaft hat dem Beschwerdegegner im Verfahren U 259/06 für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 200.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
5.
Das Gesuch des Beschwerdeführers im Verfahren U 264/06 um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 19. Dezember 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: