Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_15/2022  
 
 
Urteil vom 19. Dezember 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Grünenfelder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Haag, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (berufliche Massnahmen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 17. November 2021 (5V 21 4). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1976 geborene A.________, gelernter Elektroinstallateur, meldete sich Ende 2019 unter Hinweis auf verschiedene Beschwerden (Bandscheibenvorfälle, Belastungsschmerzen in beiden Knien, Muskelverkrampfungen, Kälteempfindlichkeit, schwankendes Übergewicht) bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Luzern führte medizinische und erwerbliche Abklärungen durch. Nach Beizug der Akten der Unfall- und Krankenpflegeversicherung sowie Einholung einer Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) stellte sie A.________ die Abweisung des Leistungsbegehrens hinsichtlich beruflicher Massnahmen in Aussicht. Auf dessen Einsprache hin holte die Verwaltung weitere medizinische Akten ein, unter anderem ein im Auftrag der Krankenpflegeversicherung erstattetes rheumatologisches Gutachten vom 10. März 2020. Mit Verfügung vom 5. Januar 2021 wies sie das Leistungsbegehren ab, da aufgrund des ermittelten Invaliditätsgrades von (gerundet) 12 % insbesondere keine Umschulung gewährt werden könne. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 17. November 2021 gut, hob die Verfügung vom 5. Januar 2021 auf und erkannte, A.________ habe Anspruch auf Umschulungsmassnahmen. 
 
C.  
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, ihre Verfügung vom 5. Januar 2021 sei zu bestätigen. Sodann sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). 
Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) sowie des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar. 
 
3.  
 
3.1. Die versicherte Person hat gemäss Art. 17 Abs. 1 IVG Anspruch auf Umschulung in eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann. Unter Umschulung ist rechtsprechungsgemäss grundsätzlich die Summe der Eingliederungsmassnahmen berufsbildender Art zu verstehen, welche notwendig und geeignet sind, der vor Eintritt der Invalidität bereits erwerbstätig gewesenen versicherten Person eine ihrer früheren annähernd gleichwertige Erwerbsmöglichkeit zu vermitteln. Dabei bezieht sich der Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" nicht in erster Linie auf das Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Eingliederung zu erwartende Verdienstmöglichkeit. In der Regel besteht nur ein Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren. Denn das Gesetz will die Eingliederung lediglich soweit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (BGE 130 V 488 E. 4.2; Urteil 8C_163/2008 vom 8. August 2008 E. 2.2).  
 
3.2. Der Umschulungsanspruch setzt grundsätzlich eine Mindesterwerbseinbusse von rund 20 % in den für die versicherte Person ohne zusätzliche Ausbildung offenstehenden, noch zumutbaren Erwerbstätigkeiten voraus (BGE 139 V 399 E. 5.3; 130 V 488 E. 4.2, 124 V 108 E. 3). Davon kann namentlich bei jungen Versicherten mit entsprechend langer verbleibender Aktivitätsdauer abgewichen werden, wenn es sich bei den ohne Umschulung zumutbaren angepassten Tätigkeiten um unqualifizierte Hilfsarbeiten handelt, welche im Vergleich zur erlernten Tätigkeit qualitativ nicht als annähernd gleichwertig bezeichnet werden können (BGE 124 V 108 E. 3c; SVR 2011 IV Nr. 51 S. 152, 9C_704/2010 E. 3.1; Urteil 8C_808/2017 vom 11. Januar 2018 E. 3).  
 
4.  
Es steht fest, dass der Beschwerdegegner seinem erlernten Beruf als Elektroinstallateur nicht mehr nachgehen kann. Ebenso von keiner Seite in Abrede gestellt wird die aufgrund der medizinischen Akten erstellte 100%ige Arbeitsfähigkeit für angepasste Tätigkeiten (leicht bis gelegentlich mittelschwer, wechselbelastend, ohne das Tragen oder Heben von Lasten über zehn Kilogramm, ohne Arbeiten in Zwangshaltung und repetitive Rotationen des Oberkörpers). 
Streitig und zu prüfen ist hingegen, ob in Anbetracht dessen die vorinstanzliche Gewährung von Umschulungsmassnahmen aus Sicht des Bundesrechts stand hält. 
 
4.1. Hinsichtlich der Invaliditätsbemessung hat das kantonale Gericht erwogen, es sei nicht zu beanstanden, wenn die IV-Stelle für beide Vergleichseinkommen (Art. 16 ATSG) die vom Bundesamt für Statistik (BfS) herausgegebene Schweizerische Lohnstrukturerhebung (LSE) herangezogen habe. Das Valideneinkommen hat es auf Fr. 74'580.83 korrigiert, da sich die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit im Baugewerbe in den Jahren 2018 und 2019 nicht auf 43, sondern lediglich auf 41,3 Stunden belaufen habe. Aus der Gegenüberstellung (Art. 16 ATSG) mit dem Invalideneinkommen von Fr. 68'345.32 ermittelte die Vorinstanz - unter Verzicht auf einen Abzug vom Tabellenlohn (vgl. BGE 126 V 75) - einen Invaliditätsgrad von (gerundet) 8 %. Einen Anspruch auf Umschulung hat sie trotz des klar verfehlten Richtwerts von 20 % bejaht, weil der Beschwerdegegner im Zeitpunkt der Anmeldung erst 43,5 Jahre alt gewesen sei und somit noch eine mindestens 21-jährige Erwerbsphase vor sich gehabt habe. Abgesehen davon handle es sich bei den ohne Umschulung noch zumutbaren Tätigkeiten durchwegs um unqualifizierte Hilfsarbeiten, die im Vergleich zum erlernten Beruf mittel- bis langfristig nicht als "annähernd gleichwertig" bezeichnet werden könnten.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Bundesrecht, indem das kantonale Gericht einen Umschulungsanspruch ohne Stütze im Sachverhalt und in Überschreitung seines Ermessens bei einem Invaliditätsgrad von nur 8 % dem Grundsatze nach anerkannt habe. Damit werde die ratio legis missachtet, wonach der Schwellenwert von ca. 20 % dem Umstand Rechnung trage, dass bei wesentlich tieferen Invaliditätsgraden die mit einer Umschulung verbundenen Kosten die auszugleichende Erwerbseinbusse regelmässig um ein Vielfaches übersteigen würden.  
 
5.  
Einzugehen ist vorab auf die in der Vernehmlassung geübte Kritik an der vorinstanzlichen Invaliditätsbemessung. 
 
5.1. Was die anwendbaren statistischen Grundlagen betrifft, hielt das Bundesgericht in BGE 148 V 174 fest, dass kein ernsthafter sachlicher Grund für eine Änderung der bisher dazu ergangenen Rechtsprechung besteht (zu den Voraussetzungen: BGE 145 V 304 E. 4.4 mit Hinweisen), wonach Ausgangspunkt für die Bemessung des Invalideneinkommens anhand statistischer Werte grundsätzlich die Zentral- bzw. Medianwerte der LSE bilden (vgl. auch: Urteile 8C_541/2021 vom 18. Mai 2022 E. 5.2.1; 8C_602/2021 vom 11. Mai 2022 E. 4.1, je mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdegegner in Anwendung tieferer Tabellenwerte (vgl. die Expertise "Nutzung Tabellenmedianlöhne LSE zur Bestimmung der Vergleichslöhne bei der IV-Rentenbemessung" des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS AG vom 8. Januar 2021) einen höheren Invaliditätsgrad (28 %) zu erreichen sucht, ist darauf mit Blick auf die erwähnte Rechtsprechung nicht (mehr) näher einzugehen.  
 
 
5.2. Gleichfalls zu kurz greift der in der Vernehmlassung vorgebrachte - als Rechtsfrage frei überprüfbare (BGE 148 V 174 E. 6.5; 146 V 16 E. 4.2) - Eventualstandpunkt, ein 10%iger Abzug vom Tabellenlohn sei angezeigt, was zu einem nahe beim Richtwert liegenden Invaliditätsgrad von rund 18 % führe.  
Im Gegenteil ist weder erkennbar noch (substanziiert) dargelegt, inwieweit dem Beschwerdegegner anhand des anerkannten medizinischen Zumutbarkeitsprofils (vgl. E. 4 hievor) auf dem (hypothetisch) ausgeglichenen Arbeitsmarkt kein genügend breites Spektrum zumutbarer Verweistätigkeiten mehr zur Verfügung stehen sollte. So umfasst der Tabellenlohn im Kompetenzniveau 1 unter anderem eine Vielzahl leichter und mittelschwerer Tätigkeiten (statt vieler: Urteil 8C_383/2022 vom 10. November 2022 E. 4.2.6 mit Hinweisen). Zusätzliche Faktoren, welche als lohnmindernd eingestuft werden müssten, liegen keine vor: Der Beschwerdegegner ist auch in einer angepassten Tätigkeit vollzeitlich arbeitsfähig, womit ein sogenannter "Teilzeitabzug" entfällt. Sodann verfügt er über eine abgeschlossene Berufslehre als Elektroinstallateur, hat während Jahren in diesem und in anderen Berufszweigen (Sicherheitsbereich) gearbeitet und spricht neben deutsch auch englisch und etwas chinesisch/thai (vgl. rheumatologisches Gutachten vom 10. März 2020; Eingliederungsberatung Frühintervention vom 12. Dezember 2019). Ebenso wenig erscheint mit Blick auf das Alter ein Abzug gerechtfertigt, steht doch dem 1976 geborenen Beschwerdegegner noch eine längere Aktivitätsdauer bevor. Mithin werden Hilfsarbeiten auf dem massgeblichen (hypothetisch) ausgeglichenen Arbeitsmarkt altersunabhängig nachgefragt, sodass sich auf dieser Stufe selbst ein etwas fortgeschrittenes Alter nicht zwingend lohnsenkend auswirkt (BGE 146 V 16 E. 7.2.1 mit Hinweisen; ferner: Urteil 8C_393/2020 vom 21. September 2020 E. 4.2). Auch anderweitig besteht kein Anlass für eine Reduktion des Invalideneinkommens. 
 
5.3. Nachdem das Valideneinkommen allseitig unbestritten geblieben ist, hat es mit einem Invaliditätsgrad von (gerundet) 8 % sein Bewenden. Dieser ist folglich der Prüfung des Anspruchs auf eine Umschulung zugrunde zu legen.  
 
6.  
 
6.1. Der Schwellenwert von "rund" 20 % (vgl. E. 3 hievor) ist als Richtschnur zu verstehen. Er rührt daher, dass die Leistungspflicht der Invalidenversicherung für Eingliederungsmassnahmen unter Berücksichtigung der gesamten tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalles in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Eingliederungsziel stehen muss. Vor allem mit Blick darauf, dass die Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit regelmässig erhebliche Kosten auslöst, rechtfertigt es sich, den entsprechenden Anspruch davon abhängig zu machen, dass ein erheblicher behinderungsbedingter Einkommensverlust gegeben ist. Die Festlegung dieses Werts auf ca. 20 % trägt dem Umstand Rechnung, dass bei wesentlich tieferen Invaliditätsgraden die mit einer Umschulung verbundenen Kosten die auszugleichende Erwerbseinbusse regelmässig um ein Vielfaches übersteigen (BGE 130 V 488 E. 4.3.2).  
 
6.2. Demnach gilt bei der Umschulung nach Art. 17 IVG, anders als beim Anspruch auf eine Invalidenrente (vgl. Art. 28 Abs. 2 IVG), keine absolute Erheblichkeitsgrenze. Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff "Richtwert" oder "Richtschnur" ist so zu verstehen, dass ein Leistungsanspruch grundsätzlich auch dann bejaht werden kann, wenn der Invaliditätsgrad geringfügig unter 20 % liegt (vgl. dazu: SVR 2021 IV Nr. 72 S. 240, 9C_623/2021 E. 4.1 [rund ein Prozentpunkt]; Urteil I 665/99 vom 18. Oktober 2000 E. 4b [anderthalb Prozentpunkte]). Mit anderen Worten ist in solchen Fällen nicht die reine Vermögenseinbusse massgeblich. Vielmehr hat anhand des konkreten Einzelfalles eine prognostische Abwägung zu erfolgen. Dabei ist zu beurteilen, ob ein Anspruch auf Umschulungsmassnahmen mittel- und langfristig insgesamt als verhältnismässig angesehen werden kann oder nicht. Denn angesichts eines nicht nennenswert unterschrittenen Schwellenwerts darf nicht zum Vornherein davon ausgegangen werden, es liege ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Eingliederungskosten und der Eingliederungswirksamkeit vor, sodass eine Umschulung zu Lasten der Invalidenversicherung keiner genaueren Prüfung bedarf. Vorliegend wird jedoch der Richtwert überaus deutlich, nämlich um rund 12 Prozentpunkte, unterschritten. Ob bereits deshalb ein Umschulungsanspruch zu verneinen ist, worauf die Beschwerdeführerin letztlich hinaus will, kann dahingestellt bleiben, wie sich aus dem Folgenden ergibt:  
 
6.3. Das Alter der versicherten Person lässt eine Abweichung von der grundsätzlich vorausgesetzten Mindesterwerbseinbusse von ca. 20 % zu (SVR 2021 IV Nr. 72 S. 240, 9C_623/2020 E. 4.2). Die von der Vorinstanz berücksichtigte Ausnahme, wonach sich der Leistungsanspruch nicht am Schwellenwert zu orientieren hat, sondern einzig das Kriterium der prognostisch qualitativen Gleichwertigkeit des erlernten Berufs einerseits und der nach Eintritt des Gesundheitsschadens noch zumutbaren (Hilfs-) Tätigkeit andererseits über den Anspruch entscheidet, betrifft namentlich "junge Versicherte" (vgl. E. 3.2 hievor). Gemeint sind damit versicherte Personen, die eher am Anfang ihres Erwerbslebens stehen, ihren erlernten Beruf aufgrund eines Gesundheitsschadens nicht mehr ausüben können und ohne Umschulungsmassnahmen nur noch für unqualifizierte Hilfstätigkeiten einsetzbar sind (vgl. SVR 2011 IV Nr. 51 S. 152, 9C_704/2010 [Alter: ca. 25 Jahre]; Urteile 8C_808/2017 vom 11. Januar 2018 [Alter: ca. 23 Jahre]; 9C_994/2009 vom 22. März 2010 [Alter: ca. 29 Jahre]). Demgegenüber war der Beschwerdegegner nach verbindlicher (vgl. E. 1 hievor) Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts im relevanten Zeitpunkt der Gesuchseinreichung (vgl. BGE 143 V 190 E. 7.4) bereits 43,5 Jahre alt. Auch wenn ihm - wie das kantonale Gericht weiter festgestellt hat - somit noch eine längere Erwerbsdauer verbleibt, steht er im Unterschied zu den von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefällen nicht am Anfang, sondern eher in der Mitte seines Erwerbslebens (Lehrabschluss im Jahr 1997). Demzufolge müsste der Richtwert in Anbetracht des Alters zumindest annähernd erreicht sein, damit eine Umschulung zu Lasten der Invalidenversicherung überhaupt in Betracht fallen würde, was nicht zutrifft.  
 
6.4.  
 
6.4.1. Dies gilt umso mehr mit Blick auf das von der Vorinstanz selber herangezogene Urteil 8C_792/2019 vom 28. Februar 2020. Zu beurteilen war der Umschulungsanspruch eines im Zeitpunkt der Gesuchstellung noch nicht ganz 56-jährigen Versicherten. Das Bundesgericht erkannte zwar, dass aufgrund des allgemeinen Verhältnismässigkeitsprinzips vor Inangriffnahme einer Massnahme von erheblicher Dauer (vier Jahre) hätte geprüft werden müssen, ob das Eingliederungsziel nicht auch durch eine kürzere Umschulung zu erreichen gewesen wäre, sodass trotz des relativ fortgeschrittenen Alters der betroffenen Person von einer angemessenen Massnahme ausgegangen werden könnte. In Erwägung 4.3 wies es aber im Zuge der Rückweisung ausdrücklich darauf hin, dass ein allfälliger Umschulungsanspruch grundsätzlich an die Mindesterwerbseinbusse von rund 20 % in den für die versicherte Person ohne zusätzliche Ausbildung offenstehenden, noch zumutbaren Erwerbstätigkeiten gebunden bleibt. Anders gesagt ergibt sich aus diesem Urteil gerade nicht, dass Umschulungsmassnahmen (auch) bei versicherten Personen mittleren Alters in jedem Fall näher geprüft werden müssten. Vielmehr hielt das Bundesgericht am Richtwert fest.  
 
6.4.2. Ebenso wenig verfangen die vernehmlassungsweise erhobenen Einwände. Macht der Beschwerdegegner in zumindest impliziter Anlehnung an das soeben erwähnte Urteil geltend, es seien konkrete Umschulungsmassnahmen denkbar, deren Kosten die auszugleichende Erwerbseinbusse nicht um ein Vielfaches überschreiten würden, so ist ihm - wie auch dem kantonalen Gericht - die ratio legis entgegenzuhalten. Abgesehen von der vorstehenden, hier nicht zutreffenden Ausnahme bei namentlich "jungen Versicherten" kann als invalid nach Art. 17 IVG grundsätzlich nur gelten, wer wegen der Art und Schwere des eingetretenen Gesundheitsschadens in den bisher ausgeübten und in den für ihn ohne zusätzliche berufliche Ausbildung offenstehenden, noch zumutbaren Erwerbstätigkeiten eine bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbseinbusse von etwa 20 % erleidet (ULRICH MEYER/ MARCO REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, Rz. 3 zu Art. 17 IVG). Zu wiederholen ist in diesem Zusammenhang, dass das Gesetz die Eingliederung lediglich soweit sicherstellen will, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (E. 3.1 hievor). Diesen Prinzipien trägt die bisherige gefestigte Praxis ohne Zweifel Rechnung. Triftige Gründe für eine Rechtsprechungsänderung (vgl. E. 5.1 hievor) sind anhand der Vorbringen in der Vernehmlassung weder ersichtlich noch (substanziiert) dargelegt. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass die vom Beschwerdegegner im Ergebnis vorgeschlagene Lösung - Prüfung der Verhältnismässigkeit in jedem Einzelfall, ungeachtet des Alters und/oder des Richtwerts - besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entsprechen würde (BGE 141 II 297 E. 5.5.1; 140 V 538 E. 4.5; je mit Hinweisen). Folglich bleibt es dabei, dass der Richtwert von ca. 20 % in concreto zu berücksichtigen ist, worauf sich die Beschwerdeführerin zu Recht beruft.  
 
6.5. Insgesamt erweist sich die Beschwerde als begründet und ist daher gutzuheissen.  
 
7.  
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
8.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die obsiegende Beschwerdeführerin hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Institution keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 17. November 2021 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 5. Januar 2021 bestätigt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. Dezember 2022 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder