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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.289/2004 /pai 
 
Sitzungen vom 24. November 2004 und 20. Januar 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd, 
Gerichtsschreiber Heimgartner. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Widerhandlung gegen das Umweltschutzgesetz, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2. Strafkammer, vom 16. Juni 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ tätigte am 12. April 2003 zusammen mit seiner Familie Einkäufe in einem Migros-Center und kaufte unter anderem einen neuen Staubsauger. Den zur Entsorgung mitgenommenen, alten Staubsauger hatte er zunächst in seinem Fahrzeug in der Tiefgarage gelassen. Als sie zum Auto zurückkamen, legte er das alte Gerät in einen Einkaufswagen, schob diesen zur Wagensammelstelle und beliess es dort. Danach fuhr er mit seinem Fahrzeug zum Ausgang. Dort hielt ihn ein junger Mann auf und fragte ihn, ob er nicht etwas vergessen habe. X.________ verneinte die Frage mit der Begründung, die Migros würde beim Kauf eines neuen Gerätes das alte zurücknehmen. Danach holte er auf Ersuchen seiner Frau hin den Staubsauger aus dem Einkaufswagen zurück und fuhr nach Hause. 
B. 
Der Präsident des Bezirksgerichts Zofingen verurteilte X.________ am 2. Februar 2004 wegen Ablagerns von Abfällen ausserhalb von bewilligten Deponien gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 30e Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes (USG; SR 814.01) zu einer Busse von Fr. 200.--. Das Obergericht des Kantons Aargau wies die gegen diesen Entscheid eingelegte Berufung am 16. Juni 2004 ab. 
C. 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Vorinstanz habe sein Verhalten zu Unrecht als Ablagern im Sinne von Art. 61 Abs. 1 lit. g USG gewertet. 
 
Die Vorinstanz schloss, der Beschwerdeführer habe den alten Staubsauger abgelagert, indem er ihn in der Tiefgarage sich selber überlassen habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Ablagerung lediglich von kurzer Dauer gewesen sei. 
2. 
Art. 7 Abs. 6bis USG umschreibt die Entsorgungsformen von Abfällen und unterscheidet zwischen Verwertung und Ablagerung sowie den Vorstufen Sammlung, Beförderung, Zwischenlagerung und Behandlung. Dementsprechend regelt das USG unter Kapital 4 den diesbezüglichen Umgang mit Abfällen. Nach Art. 30e Abs. 1 USG, auf den Art. 61 Abs. 1 lit. g USG verweist, dürfen Abfälle nur auf Deponien abgelagert werden. Hinsichtlich gewisser Arten von Abfällen hat der Gesetzgeber speziell geregelt, auf welche Weise sie zu entsorgen sind. So regelt eine bundesrätliche Verordnung die Rückgabe, Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte (VREG; SR 814.620). Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. c VREG werden namentlich Haushaltgeräte erfasst. Nach Art. 3 VREG hat derjenige, der sich eines solchen Geräts entledigen will, dieses einem Händler, Hersteller, Importeur oder einer Entsorgungsunternehmung oder einer öffentlichen Sammlung oder Sammelstelle für derartige Geräte zurückgeben. Dementsprechend setzt Art. 4 VREG fest, dass Händler Geräte der Art, die sie im Sortiment führen, kostenlos zurücknehmen müssen. 
3. 
Ein Staubsauger fällt unter die vom VREG geregelte Kategorie Abfälle, welche nur auf eine der aufgeführten Arten entsorgt werden dürfen. Der Beschwerdeführer liess sein Gerät in einem Einkaufswagen in der zur Migros gehörenden Tiefgarage stehen. Damit befand sich der Staubsauger im Herrschaftsbereich der Migros, welche als Detailhändlerin solcher Geräte zur Rücknahme verpflichtet ist. Es ist zwar einzuräumen, dass die Rückgabe nicht im Sinne der Migros erfolgt ist, da diese einen bestimmten Ort für die Rückgabe solcher Geräte bestimmt hatte (in diesem Center die "Information"). Doch unter diesen Umständen - das Gerät war auf einem Einkaufwagen in den Räumlichkeiten der Migros platziert - liegt kein Verstoss gegen die Rückgabepflicht im Sinne des VREG vor. Das Verhalten des Beschwerdeführers gefährdete nämlich den vom VREG verfolgten Zweck - sicherzustellen, dass solche Geräte nicht in Siedlungsabfälle gelangen und umweltverträglich entsorgt werden (Art. 1 Abs. 1 lit. a und b) - nicht. Für die Verteilung der Einkaufswagen zuständige Mitarbeiter der Migros hätten den Staubsauger weggeräumt und der Entsorgung zugeführt. Damit ist das inkriminierte Verhalten auch nicht als Ablagern im Sinne von Art. 61 Abs. 1 lit. g USG zu werten. Diese Bestimmung erfasst lediglich das endgültige Unterbringen von Abfällen als eine Form der Entsorgung (vgl. den französischen Gesetzestext von Art. 61 Abs. 1 lit. g. USG, der das tatbestandsmässige Handeln mit "stocker définitivement" umschreibt). Das Zurücklassen des Staubsaugers in den Räumlichkeiten der rücknahmepflichtigen Händlerin stellt bei dieser Rechtslage kein Ablagern dar, da die Zuführung zur gesetzlich vorgesehenen Entsorgung sichergestellt war. 
4. 
Die Beschwerde ist gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen, und der Beschwerdeführer ist angemessen zu entschädigen (Art. 278 Abs. 3 BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 16. Juni 2004 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Dem Beschwerdeführer wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. Januar 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: