Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1B_531/2022
Urteil vom 20. Januar 2023
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Müller, Kölz,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Denise Wüst,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Strafverfahren; Entsiegelung,
Beschwerde gegen den Teilentscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts St. Gallen
vom 9. September 2022 (ZK.2019.75/130-TO1ZRK-AHA ST.2018.25058).
Sachverhalt:
A.
C.A.________ ist Alleinaktionär und Verwaltungsrat der U.________ AG (im Folgenden: U.________ AG). In deren Namen erstattete er am 12. August 2014 eine Strafanzeige, in der er seinen drei Söhnen D.A.________ A.A.________ und B.A.________ vorwarf, sich im Rahmen ihrer Tätigkeit für die U.________ AG bzw. beim Aufbau einer diese konkurrenzierenden Gesellschaft, der V.________ AG (im Folgenden: V.________ AG), in verschiedener Hinsicht strafbar gemacht zu haben. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen eröffnete in der Folge unter der Nummer ST.2014.27535 ein Strafverfahren. Sie liess die Geschäftsräume der V.________ AG durchsuchen, wobei die dabei sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände antragsgemäss gesiegelt wurden. Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Handelsgericht St. Gallen schlossen die Parteien am 16. August 2016 einen Vergleich, der unter anderem den Rückzug aller Strafanträge und die Abgabe von Desinteresseerklärungen beinhaltete. Gestützt darauf erliess die Staatsanwaltschaft am 29. März 2017 eine Nichtanhandnahme- und eine Einstellungsverfügung, und am 21. Februar 2019 schrieb das Zwangsmassnahmengericht des Kantons St. Gallen das hängige Entsiegelungsverfahren ab.
Mit Eingaben vom 6. Juli 2018 und 27. Dezember 2018 erhob die U.________ AG erneut Strafanzeige gegen die V.________ AG sowie D.A.________ A.A.________ und B.A.________. Die Staatsanwaltschaft erliess in Bezug auf einen Teil der Vorwürfe am 10. Februar 2019 eine Nichtanhandnahmeverfügung, in Bezug auf die Vorwürfe des Betrugs (ev. Versuch), der Verletzung des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb (seit 17. August 2016), der Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses (seit 17. August 2016) und der ungetreuen Geschäftsbesorgung (durch A.A.________) führte sie das Strafverfahren unter der Nummer ST.2018.25058 weiter. Am 26. Februar 2019 führte sie eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumen der V.________ AG durch und stellte verschiedene Gegenstände sicher (A1-A8). Diese wurden auf Antrag von A.A.________ und B.A.________ versiegelt. Am 5. März 2019 stellte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht einen Entsiegelungsantrag.
Am 26. April 2019 fand eine erneute Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumen der V.________ AG statt. Dabei wurden die am 22. Oktober 2014 im Verfahren ST.2014.27535 sichergestellten Gegenstände (A1-A47) gegen Empfangsbestätigung an die V.________ AG bzw. deren Organe zurückgegeben und sogleich wieder für das Verfahren ST.2018.25058 sichergestellt (neu: B1-B47). A.A.________ und B.A.________ verlangten wiederum die Siegelung. Am 29. April 2019 stellte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht auch bezüglich dieser Gegenstände einen Entsiegelungsantrag.
In der Folge vereinigte das Zwangsmassnahmengericht die beiden Entsiegelungsverfahren und entschied am 9. September 2022 zum einen, die Aufzeichnungen und Gegenstände Nrn. A1, A3-A8 und B1-B47 zu entsiegeln, und zum andern, hinsichtlich der Sicherstellungsnummer A2 (Festplatte) das Verfahren weiterzuführen, weil A.A.________ und B.A.________ geltend gemacht hätten, es befinde sich darauf Anwaltskorrespondenz.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 11. Oktober 2022 beantragen A.A.________ und B.A.________, der Teilentscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 9. September 2022 sei aufzuheben, die Entsiegelungsgesuche der Staatsanwaltschaft seien abzuweisen und die sichergestellten Gegenstände und Datenträger seien zurückzugeben. Eventualiter sei eine Fachperson beizuziehen, die in ihrem Beisein die Gegenstände und Datenträger untersuche, und es sei darüber zu befinden, welche Aufzeichnungen und Korrespondenzen - allenfalls nach Schwärzung vertraulicher Informationen - für das Strafverfahren freizugeben seien. Subeventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde, während das Zwangsmassnahmengericht auf eine Stellungnahme verzichtet hat.
Mit Präsidialverfügung vom 8. November 2022 hat das Bundesgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung gegeben.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler (Teil-) Entsiegelungsentscheid (Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 3 StPO). Zu prüfen ist, ob die weiteren gesetzlichen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 78 ff. BGG). Nach Art. 42 Abs. 1 BGG muss ein Beschwerdeführer die Tatsachen darlegen, aus denen sich seine Beschwerdeberechtigung ergibt, sofern diese nicht offensichtlich gegeben ist (BGE 141 IV 289 E. 1.3 mit Hinweisen).
Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids hat. Als Beschwerdeführer im Verfahren vor Bundesgericht (wie auch als Partei bzw. Verfahrensbeteiligter im Siegelungsverfahren) ist nur zuzulassen, wer eigene gesetzlich geschützte Geheimnisrechte geltend macht. Die Eigenschaft als beschuldigte Person reicht insofern nicht aus (Urteil 1B_563/2020 vom 29. Januar 2021 E. 1.3 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführer erheben nicht als Vertreter der V.________AG, in deren Räumlichkeiten die gesiegelten Unterlagen sichergestellt wurden, Beschwerde, sondern als Privatpersonen. Dass ihnen als Privatpersonen wegen der Entsiegelung ein Eingriff in ihre rechtlich geschützten Geheimnisinteressen droht, legen sie nicht dar. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, die angeblich in den bei der V.________AG sichergestellten Unterlagen enthalten sind, ihnen zustehen.
1.2. Auch wenn die Beschwerdeführer in der Sache selbst nicht legitimiert sind, können sie vor Bundesgericht geltend machen, im kantonalen Verfahren in ihren Parteirechten verletzt worden zu sein (sog. "Star-Praxis"). Allerdings kann auf diesem Weg keine indirekte Überprüfung des Entscheids in der Sache erlangt werden (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil der angefochtene Entscheid hinsichtlich des Tatverdachts, des Deliktskonnexes und der Geheimhaltungsinteressen unzureichend begründet sei. Diese Rüge kann nicht von der Prüfung in der Sache selbst getrennt werden. Auch in dieser Hinsicht fehlt deshalb das Beschwerderecht.
2.
Auf die Beschwerde ist aus diesen Gründen nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haben keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Staatsanwaltschaft und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht St. Gallen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Januar 2023
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Dold