Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
1C_544/2016
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Urteil vom 20. März 2017
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Pascal Baumgardt,
Beschwerdeführer,
gegen
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen,
Frongartenstrasse 5, 9001 St. Gallen,
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen,
Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Abschreibung des Rekursverfahrens; Parteientschädigung,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 18. Oktober 2016 des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen.
Sachverhalt:
A.
A.a. Am 19. Dezember 2014 verbot das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen A.________ vorsorglich ab sofort das Führen von Motorfahrzeugen. Zur Begründung wurde ausgeführt, er habe am 15. November 2014 mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,25 Gewichtspromille in St. Gallen ein E-Bike gelenkt und einen Selbstunfall verursacht. Diese Verfügung blieb unangefochten. Am 29. Januar 2015 ordnete dasselbe Amt eine verkehrsmedizinische Untersuchung an und wies ein Gesuch um Aufhebung des vorsorglichen Entzugs des Führerausweises vom 28. Januar 2015 sinngemäss ab.
A.b. A.________ erhob gegen den Entscheid vom 29. Januar 2015 Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen. Am 19. Mai 2015 sprach die Einzelrichterin des Kreisgerichts St. Gallen A.________ von der Anklage des Führens eines motorlosen Fahrzeuges in fahrunfähigem Zustand frei, im Wesentlichen weil ihm nicht nachzuweisen war, mit dem E-Bike gefahren zu sein und dieses nicht, wie er geltend machte, gestossen zu haben und dabei gestolpert zu sein. Am 22. Mai 2015 wurde dem Rekurs die aufschiebende Wirkung im Hinblick auf den vorsorglichen Entzug des Führerausweises erteilt. Am 1. Juli 2015 widerrief das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt den vorsorglichen Entzug des Führerausweises. Daraufhin ersuchte A.________ um Abschreibung des Rekursverfahrens unter Entschädigungsfolge und reichte dazu eine Kostennote über Fr. 4'937.50 ein.
A.c. Am 27. April 2016 schrieb der Abteilungspräsident der Verwaltungsrekurskommission das Rekursverfahren als erledigt ab und verzichtete auf die Erhebung amtlicher Kosten. Eine Entschädigung sprach er A.________ nicht zu.
B.
Mit Entscheid vom 18. Oktober 2016 wies der Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen eine dagegen von A.________ eingereichte Beschwerde ab.
C.
Gegen diesen Entscheid führt A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur Festsetzung einer Parteientschädigung für alle drei Instanzen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen; eventuell sei ihm unter Berücksichtigung der entsprechenden Honorarnote eine Parteientschädigung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren zuzusprechen.
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt hat sich zur Beschwerde nicht vernehmen lassen. Die Verwaltungsrekurskommission verzichtete auf eine Stellungnahme. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht im Kostenpunkt folgt derjenigen in der Hauptsache. Gemäss Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses Rechtsmittel steht auch auf dem Gebiet der administrativen Führerausweisentzüge zur Verfügung. Da in Bezug auf die Hauptsache die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig wäre, steht sie auch im Kostenpunkt offen.
1.2. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen anfechtbaren kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG ).
1.3. Der Beschwerdeführer ist als Beteiligter am Administrativverfahren und damit potenziell Berechtigter für eine Parteientschädigung sowie als direkter Adressat des angefochtenen Entscheids gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert.
1.4. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern geltend gemacht und begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten (unter Einschluss des Willkürverbots) gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Das Bundesgericht ist jedoch weder an die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann die Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (Motivsubstitution; BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
2.
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ).
2.2. Die Beschwerdeschrift enthält eine ausführliche Darlegung des Sachverhalts aus Sicht des Beschwerdeführers. Soweit diese von den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtspräsidenten abweichen sollte, legt der Beschwerdeführer mit einer Ausnahme nicht dar, inwiefern die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen offensichtlich unrichtig sein sollten. Insofern sind diese demnach für das Bundesgericht verbindlich.
2.3. Hingegen macht der Beschwerdeführer geltend, das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt habe bereits am 23. Juni und nicht erst am 1. Juli 2015 den vorsorglichen Entzug des Führerausweises widerrufen, was der angefochtene Entscheid verschweige.
2.3.1. In den Akten liegen beide Verfügungen. Der Regelungsinhalt der vom Beschwerdeführer nunmehr angerufenen ersten Verfügung vom 23. Juni 2015 ist jedoch nicht klar. Eindeutig ist der hier nicht strittige Widerruf der Anordnung einer verkehrsmedizinischen Untersuchung. Unscharf erscheint die Verfügung hingegen, soweit damit "das Administrativverfahren betreffend den Lebenssachverhalt vom 15. Nov. 2014... eingestellt" wird. Die zweite Verfügung vom 1. Juli 2015 diente möglicherweise der entsprechenden Klarstellung. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers ist die Verfügung vom 23. Juni 2015 nicht zwingend so zu verstehen, dass der vorsorgliche Ausweisentzug damit rückwirkend von Anfang aufgehoben wurde. Soweit sie sich auch auf die vorsorgliche Massnahme bezogen haben sollte, ist eher davon auszugehen, dass ein Widerruf ex nunc aufgrund der veränderten Sachlage gemeint war, wie dies der zweiten Verfügung vom 1. Juli 2015 entspricht. Dafür spricht nur schon die Verwendung des Wortes "eingestellt" (und nicht etwa "rückgängig gemacht", "nichtig erklärt" oder "von Beginn an aufgehoben"). Ob der vorsorgliche Entzug des Ausweises in diesem Sinne bereits am 23. Juni oder erst am 1. Juli 2015 widerrufen worden ist, spielt für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine massgebliche Rolle. Auch der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass gerade in der dazwischen liegenden Zeit von rund einer Woche ein entscheidender neuer Umstand eingetreten sei.
2.3.2. Der Beschwerdeführer vermag demnach nicht darzulegen, dass die Nichterwähnung der ersten Verfügung vom 23. Juni 2015 im angefochtenen Entscheid rechtserheblich sein sollte bzw. weshalb dadurch der rechtserhebliche Sachverhalt qualifiziert falsch erhoben worden sein sollte. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ist damit nicht offensichtlich unrichtig. Im Übrigen könnte das Bundesgericht die entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen auch ergänzen (Art. 105 Abs. 2 BGG), was aber wie dargelegt keinen Einfluss auf das Ergebnis des vorliegenden Falles hätte.
3.
3.1. Strittig sind hier die Parteientschädigungen vor den drei kantonalen Instanzen bzw. die Weigerung des Verwaltungsgerichts, dem Beschwerdeführer solche Parteientschädigungen zuzusprechen.
3.2. Die Verlegung der Kosten und Entschädigungen im kantonalen Verwaltungs- und Rechtsmittelverfahren richtet sich mangels bundesrechtlicher Vorschriften nach kantonalem Recht, dessen Anwendung das Bundesgericht nur daraufhin überprüft, ob dadurch Bundesrecht mit Einschluss der Bundesverfassung verletzt ist (Art. 95 lit. a BGG). Dazu gehört namentlich die willkürliche Anwendung kantonalen Rechts (Art. 9 BV). Eine solche ist substanziiert zu rügen (vgl. E. 1.4).
3.3. Gemäss der ständigen Praxis des Bundesgerichts ist ein Entscheid willkürlich gemäss Art. 9 BV, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 134 II 124 E. 4.1 S. 133; je mit Hinweisen).
3.4. Der Beschwerdeführer beruft sich einzig auf die Bestimmungen über die Regelung der Parteientschädigung im Rekurs- und Beschwerdeverfahren nach Art. 98 ff. des Gesetzes vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons St. Gallen (VRP; sGS 951.1) sowie ergänzend in analoger Anwendung auf Art. 106 Abs. 1 Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO; SR 272). Weshalb und gegebenenfalls gestützt auf welche willkürlich angewandte kantonale Rechtsnorm ihm eine Entschädigung auch bereits für das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren zustehen sollte, legt er nicht dar. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.
3.5. Nach Art. 98 Abs. 2 VRP werden im Rekursverfahren ausseramtliche Kosten entschädigt, soweit sie aufgrund der Sach- oder Rechtslage notwendig und angemessen erscheinen. Art. 98bis VRP bestimmt, dass die ausseramtliche Entschädigung den am Verfahren Beteiligten nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt wird. Gemäss Art. 98ter VRP finden die Vorschriften der Schweizerischen Zivilprozessordnung über die Parteientschädigung sachgemässe Anwendung. Nach dem vom Beschwerdeführer angerufenen Art. 106 Abs. 1 ZPO werden die Prozesskosten der unterliegenden Partei auferlegt; bei Nichteintreten und bei Klagerückzug gilt die klagende Partei, bei Anerkennung der Klage die beklagte Partei als unterliegend.
3.6. Das ursprüngliche Verbot des Führens eines Motorfahrzeuges vom 19. Dezember 2014 hatte der Beschwerdeführer nicht angefochten. Erst mit seinem Gesuch um Aufhebung des vorsorglichen Entzugs des Führerausweises vom 28. Januar 2015 bestritt er den Vorwurf des Fahrens eines E-Bikes in alkoholisiertem Zustand. Es lagen aber bei Ablehnung des Gesuchs am darauf folgenden Tag genügend Hinweise vor, die ein solches Fahren plausibel erscheinen liessen. Aufgrund des damals bekannten Sachverhalts und bei summarischer Beurteilung, wie sie für eine vorsorgliche Massnahme massgeblich ist, erweisen sich mithin sowohl deren (unangefochten gebliebene) Anordnung am 19. Dezember 2014 als auch die Ablehnung des Gesuchs um Aufhebung des Verbots am 29. Januar 2015 nicht als von vornherein widerrechtlich. Erst der Freispruch durch die Strafrichterin am 19. Mai 2015 änderte den Sachverhalt in massgeblicher Weise, was dann auch am 22. Mai 2015 zur Erteilung der aufschiebenden Wirkung im Rekursverfahren und am 1. Juli 2015 (oder allenfalls bereits am 23. Juni 2015) zum Widerruf des Massnahmeentscheides vom 19. Dezember 2014 führte. Erst durch den Widerrufsentscheid wurde das Rekursverfahren auch gegenstandslos. Bis dahin beruhte es nicht auf der Grundlage eines widerrechtlichen Massnahmeentscheides.
3.7. Gewiss könnte für die Zusprechung einer Parteientschädigung darauf abgestellt werden, dass die zuständige Verwaltungsbehörde auf ihren vorsorglichen Entscheid zu Gunsten des Beschwerdeführers zurückgekommen ist. Es ist aber auch nicht unhaltbar, davon auszugehen, dass der Massnahmeentscheid hier ursprünglich vom Beschwerdeführer nicht angefochten worden und auch im Zeitpunkt der Ablehnung des Gesuchs um Aufhebung des Fahrverbots nicht widerrechtlich war, sondern erst später bei hängigem Rekurs aufgrund eines nachträglich durch den strafrichterlichen Entscheid veränderten Sachverhalts widerrufen wurde. Mit anderen Worten haben die kantonalen Behörden aufgrund des jeweils bekannten Sachverhalts korrekt entschieden. Unter diesem Blickwinkel ist es nicht willkürlich, den Beschwerdeführer für die Frage der Parteientschädigung als unterliegend anzusehen und ihm die Zusprechung einer solchen für das Rekurs- und Beschwerdeverfahren zu verweigern.
4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG ). Eine Parteientschädigung ist auch für das bundesgerichtliche Verfahren nicht zuzusprechen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen, der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. März 2017
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Uebersax