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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_340/2022  
 
 
Urteil vom 20. März 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Beusch, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Gemeinde U.________, 
 
Gegenstand 
Grundstücksteuer 2019, 
 
Beschwerde gegen das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis 
vom 24. Februar 2022 (2021/30). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ wohnt im Kanton Aargau und ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstücks in der Gemeinde U.________/VS mit einem Steuerwert von Fr. 151.--. Mit Steuerrechnung vom 16. März 2021 erhob die Gemeinde U.________ für das Steuerjahr 2019 eine Minimal-Grundstücksteuer von Fr. 25.-- anstelle der effektiven Grundstücksteuer von Fr. 0.15. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Gemeinde am 10. Mai 2021 ab. Die daraufhin angerufene Steuerrekurskommission des Kantons Wallis wies die Beschwerde mit Urteil vom 24. Februar 2022 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde vom 2. Mai 2022 beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei anstelle der Minimal-G rundstücksteuer die effektive Grundstücksteuer zu veranlagen, eventualiter sei auf die Steuererhebung infolge Geringfügigkeit zu verzichten. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gemeinde U.________ bzw. des Kantons Wallis. 
Die Gemeinde U.________ und die Kantonale Steuerverwaltung Wallis schliessen auf Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Anfechtungsobjekt ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (zur Letztinstanzlichkeit von Urteilen der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vgl. Urteil 2C_43/2010 vom 18. Juni 2010 E. 1). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG) und hat sie fristgerecht eingereicht (Art. 100 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Soweit das kantonale Recht durch das Bundesrecht harmonisiert ist, prüft das Bundesgericht seine Anwendung gleich wie Bundesrecht; die Anwendung des nicht-harmonisierten, autonomen kantonalen Rechts prüft es hingegen bloss auf Verletzung des Willkürverbots und anderer verfassungsmässiger Rechte (BGE 143 II 459 E. 2.1; 141 I 105 E. 3.3.1). Die Verletzung von Grundrechten untersucht das Bundesgericht nur, wenn eine entsprechende Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1; 139 I 229 E. 2.2). Ansonsten wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5; 138 I 274 E. 1.6). 
 
3.  
Die Walliser Grundstücksteuer wird neben der allgemeinen Vermögenssteuer natürlicher Personen (Art. 53 ff. des Steuergesetzes [des Kantons Wallis] vom 10. März 1976 [StG/VS; SGS 642.1]) bzw. neben der Kapitalsteuer juristischer Personen (Art. 94 ff. StG/VS) erhoben. Die Gemeinden belasten die Grundstücke natürlicher und juristischer (Art. 175 Abs. 1 lit. d und Art. 181 StG/VS), der Kanton nur die Grundstücke juristischer Personen (Art. 1 Abs. 1 lit. b StG/VS). Die Grundstücksteuer gehört nicht zum harmonisierten Bereich, weshalb ausschliesslich die Anwendung von kantonalem Recht zur Debatte steht (vgl. BGE 143 II 382 E. 3.3; Urteil 2C_584/2009 vom 24. Februar 2010 E. 1.2). 
 
4.  
Streitig ist im vorliegenden Fall die von der Gemeinde erhobene Grundstücksteuer für natürliche Personen. 
 
4.1. Gemäss Art. 181 Abs. 1 StG/VS erhebt die Gemeinde alljährlich eine Grundstücksteuer auf alle in ihrem Gebiet gelegenen Grundstücke, berechnet auf den Steuerwert per 31. Dezember, ohne Abzug von Schulden zum Ansatz von 1 Promille für natürliche Personen. Nach Art. 181 Abs. 2 StG/VS wird für Nichtwohnsässige eine Minimal-Grundstücksteuer von Franken 25 erhoben.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer stellt die Erhebung der Grundstücksteuer durch die Gemeinde nicht grundsätzlich infrage, sondern rügt, die Minimal-Grundstücksteuer für Nichtwohnsässige nach Art. 181 Abs. 2 StG/VS verstosse gegen das Rechtsgleichheitsgebot, die Eigentumsgarantie und die Niederlassungsfreiheit. Die Steuer sei deshalb nach Art. 181 Abs. 1 StG/VS zu erheben, was bei einem Steuerwert des Grundstücks von Fr. 151.-- einen Betrag von Fr. 0.15 ausmache.  
 
5.  
Zunächst ist zu prüfen, ob die Anwendung von Art. 181 Abs. 2 StG/VS gegen das Rechtsgleichheitsgebot bzw. Willkürverbot verstösst. 
 
5.1. Ein Erlass ist willkürlich im Sinne von Art. 9 BV, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist. Er verletzt das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV), wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen besteht, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze ein weiter Gestaltungsspielraum, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert (BGE 147 V 423 E. 5.1.2; 141 I 153 E. 5.1; 140 I 77 E. 5.1; 134 I 23 E. 9.1).  
 
5.2. Die Vorinstanz erwog, eine Minimalsteuer auf dem Grundeigentum sei zulässig, um eine minimale fiskalische Belastung der im Kanton gelegenen unbeweglichen Güter sicherzustellen. Für die Ungleichbehandlung von Wohnsässigen und Nichtwohnsässigen seien sachliche Gründe gegeben. Der Gesetzgeber habe sicherstellen wollen, dass auch Nichtwohnsässige, deren Vermögen unter einem gewissen Wert liege, einen geringfügigen Mindestbeitrag an das Gemeinwesen am Ort der gelegenen Sache leisten. Wohnsässige leisteten in der Regel bereits durch die Einkommens- und Vermögenssteuer sowie die Kopfsteuer einen entsprechenden Beitrag, weshalb sich die zusätzliche Erhebung eines Mindestbetrags bei der Grundstücksteuer nicht aufdränge (vgl. E. II./2b des angefochtenen Urteils).  
 
5.3.  
 
5.3.1. Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung anerkannt, dass Gemeinden und Kantone, welche durch Infrastrukturaufwendungen zur Werterhaltung und Wertvermehrung des Grundeigentums einen wesentlichen Beitrag leisten, ein legitimes Interesse haben, von den Eigentümern der in ihrem Gebiet gelegenen Liegenschaften wenigstens eine minimale Abgabe erheben zu können (BGE 100 Ia 244 E. 3a/bb und E. 4c; 96 I 64 E. 2b; 94 I 37). Insoweit ist eine Abgabe, die an das Grundeigentum anknüpft und einen minimalen Beitrag an die Infrastrukturaufwendungen des Gemeinwesens bezweckt, grundsätzlich zulässig.  
 
5.3.2. Wie erwähnt wird die Walliser Grundstücksteuer nach dem Steuerwert der einzelnen Grundstücke bemessen, es wird ein fester Steuersatz angewendet und die Schulden sind nicht zum Abzug zugelassen (vgl. vorne E. 4.1). Sie ist damit als reine Objektsteuer ausgestaltet, bei deren Bemessung weder die mit dem Grundstück zusammenhängenden Belastungen noch die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen berücksichtigt werden (BGE 114 Ia 321 E. 2a; Urteil 2C_584/2009 vom 24. Februar 2010 E. 1.2; zur Objektsteuer vgl. auch BGE 143 II 382 E. 2.3.2; ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 8. Aufl. 2023, S. 203; XAVIER OBERSON, Droit fiscal suisse, 5. Aufl. 2021, S. 10).  
 
5.3.3. Die streitige Minimal-Grundstücksteuer knüpft nicht nur an das Grundstück als Steuerobjekt an, sondern auch an die (Nicht-) Ansässigkeit in der Gemeinde. Zwar ist auch die wohnsässige Bevölkerung der Grundstücksteuer unterworfen, doch wird bei ihr die Steuer ausschliesslich nach Art. 181 Abs. 1 StG/VS erhoben. Gemäss den vorinstanzlichen Ausführungen erfolgt bei der wohnsässigen Bevölkerung eine Art Mischrechnung zwischen der Grundstücksteuer und den ordentlichen Steuern (Einkommens- und Vermögenssteuern; Kopfsteuer), wobei vermutet wird, dass die wohnsässigen Personen damit einen angemessenen Beitrag an die Infrastruktur der Gemeinde leisten.  
 
5.3.4. Es stellt sich somit die Frage, ob das Kriterium der Ansässigkeit ein sachgerechtes Abgrenzungskriterium darstellt. Dabei ist zu beachten, dass wohnsässige Personen mit Grundeigentum, aber ohne steuerbares Einkommen und Vermögen - was bei einem tiefen Steuerwert des Grundstücks ohne weiteres möglich ist - weder Einkommens- und Vermögenssteuern und nach Art. 177 Abs. 2 lit. c StG/VS auch keine Kopfsteuer bezahlen und sich deshalb lediglich mit der Grundstücksteuer nach Art. 181 Abs. 1 StG/VS an den Infrastrukturaufwendungen der Gemeinde beteiligen. Auf der anderen Seite sind auch nichtwohnsässige Grundeigentümer aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig (Art. 3 Abs. 1 StG/VS bzw. Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]) und damit - wie die wohnsässige Bevölkerung - der Einkommens- und Vermögenssteuer unterworfen (Art. 17 Abs. 1 lit. a und b, Art. 54 Abs. 1 lit. a und Art. 175 Abs. 1 lit. b StG/VS). Vor diesem Hintergrund sagt die Ansässigkeit einer Person nichts darüber aus, inwieweit sie sich an den Infrastrukturaufwendungen der Gemeinde beteiligt. Entscheidend ist der effektive Steuerbetrag, den die Person ungeachtet ihres Wohnsitzes erbringt. Die zitierten Entscheide zur Rechtfertigung eines minimalen Beitrags an die Infrastruktur (vgl. vorne E. 5.3.1) hatten denn auch ausnahmslos subsidiäre Minimalsteuern zum Gegenstand, die zum Zuge kamen, wenn der aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit zu entrichtende effektive Steuerbetrag geringer als die Minimalsteuer war.  
 
5.4. Zusammenfassend ist die Ungleichbehandlung zwischen Wohnsässigen und Nichtwohnsässigen sachlich nicht zu rechtfertigen. Mit Art. 181 Abs. 2 StG/VS werden rechtliche Unterscheidungen getroffen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist. Die Erhebung der Minimal-Grundstücksteuer bei Nichtwohnsässigen verstösst gegen Art. 8 Abs. 1 BV.  
 
6.  
Liegt eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots vor und ist die Veranlagung bereits deshalb aufzuheben, muss auf die übrigen Rügen in der Beschwerde nicht weiter eingegangen werden. Die Beschwerde ist gutzuheissen und die Sache zur Vornahme einer verfassungskonformen Besteuerung an die Gemeinde zurückzuweisen. 
 
7.  
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Gemeinde aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Nachdem der Beschwerdeführer ohne Rechtsvertretung prozessiert hat, hat er keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Für die Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 24. Februar 2022 wird aufgehoben und die Sache zum Neuentscheid im Sinn der Erwägungen an die Gemeinde U.________ zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Steuerrekurskommission des Kantons Wallis zurückgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Gemeinde U.________ auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, der Kantonalen Steuerverwaltung Wallis, der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. März 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Businger