Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 75/04 
 
Urteil vom 20. April 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Signorell 
 
Parteien 
Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
P.________, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 21. April 2004) 
 
Sachverhalt: 
Die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen (nachfolgend: Kasse) verneinte mit Verfügung vom 23. Oktober 2003 einen Anspruch auf Taggelder der P.________ ab 11. September 2003 wegen arbeitgeberähnlicher Stellung, woran sie im Einspracheentscheid vom 10. November 2003 festhielt. 
In teilweiser Gutheissung einer dagegen eingereichten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 21. April 2004 den Einspracheentscheid vom 10. November 2003 auf und wies die Sache zur Abklärung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an die Kasse zurück. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Kasse die Aufhebung des kantonalen Entscheides. 
P.________ und das Versicherungsgericht schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Versicherungsgericht hat die gesetzliche Vorschrift zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen sowie ihrer mitarbeitenden Ehegatten vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. b und c AVIG) sowie die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf arbeitgeberähnliche Personen, welche Arbeitslosenentschädigung beanspruchen (BGE 123 V 238 Erw. 7), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
2. 
2.1 Die Kasse verneinte eine Anspruchsberechtigung wegen der arbeitgeberähnlichen Stellung des Ehepaars P.________ und G.________ mit der Begründung, beide seien bei der Arbeitgeberin, der Firma L.________ AG, im Handelsregister eingetragen. P.________ gehöre dem Verwaltungsrat als Mitglied an und ihr Ehemann sei dessen Präsident. Werde eine Gesellschaft liquidiert oder das Konkursverfahren mangels Aktiven nicht durchgeführt, so behielten die Gesellschaftsorgane ihre gesetzlichen und statutarischen Befugnisse bei, soweit diese zur Durchführung der Liquidation erforderlich seien und dem Liquidationsprozess nicht entgegenstünden. Ein Aktionär oder Gesellschafter, der weiterhin Geschäftsführer bleibe oder als Liquidator eingesetzt werde, habe daher auch nach dem Liquidationsbeschluss bis zur Eintragung der Löschung im Handelsregister eine arbeitgeberähnliche Stellung inne (ARV 2002 Nr. 28 S. 183). Im Handelsregisterauszug vom 10. November 2003 seien P.________ als Mitglied und ihr Ehemann G.________ als Präsident des Verwaltungsrates immer noch eingetragen gewesen. Solange dies der Fall sei, sei von einer arbeitgeberähnlichen Stellung auszugehen. 
2.2 Das kantonale Gericht erwog, die Auflösung einer juristischen Person durch Konkurs, von Amtes oder von Gesetzes wegen könne nachträglich nicht mehr widerrufen werden. Vielmehr müsse in einem solchen Fall die Gesellschaft liquidiert und anschliessend im Handelsregister gelöscht werden. In einer solchen Situation könne keine Kurzarbeitsentschädigung mehr ausgerichtet werden, da das Institut der Kurzarbeitsentschädigung voraussetze, dass Arbeitsplätze erhalten würden. Nach Einstellung des Konkursverfahrens sei und bleibe alleiniger (geänderter) Zweck die Liquidation der Unternehmung. Von einer unternehmerischen Dispositionsfreiheit der Gesellschaftsorgane, den Betrieb jederzeit zu reaktivieren oder Kurzarbeit einzuführen, könne daher nicht mehr gesprochen werden. Dies scheine das Eidgenössisches Versicherungsgericht in ARV 2002 Nr. 28 S. 183 ff. zu übersehen. 
Das Konkursverfahren über die L.________ AG sei am 23. September 2003 mangels Aktiven eingestellt worden. Gegen die Löschung der Gesellschaft sei kein Einspruch erhoben worden. Die Handlungsmöglichkeiten des Ehemannes G.________ seien auf die Durchführung der Liquidation beschränkt gewesen. Von einer Dispositionsfreiheit der Gesellschaftorgane könne nicht mehr gesprochen werden. Über die Geschicke der Firma habe das Ehepaar nicht mehr frei verfügen können. Die Löschung der L.________ AG im Handelsregister sei am 27. Januar 2004 erfolgt. Während dieser Phase habe keine arbeitgeberähnliche Stellung mehr bestanden. 
2.3 Die Kasse macht in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend, dass bei der Liquidation einer Gesellschaft (namentlich auch nach einer Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven) die Gesellschaftsorgane ihre gesetzlichen und statutarischen Befugnisse beibehielten, soweit diese zur Durchführung der Liquidation erforderlich seien und dem Liquidationszweck nicht widersprächen. Ein Aktionär oder Geschäftsführer, der weiterhin Geschäftsführer bleibe oder als Liquidator eingesetzt werde, habe bis zur Eintragung der Löschung im Handelsregister eine arbeitgeberähnliche Stellung inne, womit er von Gesetzes wegen keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe. P.________ habe bei ihrer Antragstellung als Mitglied ohne Zeichnungsberechtigung dem Verwaltungsrat der L.________ AG angehört. Während sie am 28. Oktober 2003 mit sofortiger Wirkung ausgeschieden sei, sei ihr Ehemann G.________ bis zum 27. Januar 2004 weiter als Präsident eingetragen geblieben. Er habe damit bis zu diesem Datum eine arbeitgeberähnliche Stellung eingenommen, was auch für seine Ehefrau gelte. Der vorinstanzliche Entscheid, der eine Anspruchsberechtigung trotzdem bejahe, widerspreche der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (ARV 2002 Nr. 28 S. 183). 
3. 
Der Ehegatte der Versicherten war bis zum 2. Dezember 2003 (Tagebucheintrag des Rücktritts) im Handelsregister als Präsident der sich in Liquidation befindlichen L.________ AG, welche am 27. Januar 2004 (Tagebucheintrag der Löschung) gemäss Art. 66 Abs. 2 HRegV von Amtes wegen gelöscht wurde, eingetragen. Er bekleidet ungeachtet der Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid bis zum 2. Dezember 2003 eine arbeitgeberähnliche Stellung. Eine solche kommt ihm als Verwaltungsratspräsident oder als Liquidator von Gesetzes wegen zu (BGE 122 V 273 Erw. 3; ARV 2004 Nr. 21 S. 196). Es ist irrelevant, dass die Firma inaktiv ist (100%ige Kurzarbeit, BGE 123 V 238 Erw. 7b/bb). Zu beachten ist sodann, dass eine Überschuldung (Urteil K. vom 8. Juni 2004 [C 110/03]) ebenso wenig wie eine beschlossene oder angeordnete Liquidation taugliche Kriterien dafür sind, das Ausscheiden einer Person in arbeitgeberähnlicher Stellung zu belegen. Diese Umstände ändern nichts daran, dass der Verwaltungsrat oder der Liquidator - im begrenzten Rahmen der Liquidationstätigkeiten - weiterhin die Geschicke des Betriebs bestimmen, da kein definitives Ausscheiden aus dem Betrieb gegeben ist. So war es G.________ beispielsweise möglich, seine Ehefrau vorübergehend für die Mitarbeit während der Liquidationsphase wieder oder weiter einzusetzen, ihr Gefälligkeitsbescheinigungen auszustellen und ihre Arbeitslosigkeit nach Belieben zu verlängern oder zu verkürzen. Die Vorinstanz verkennt bei ihren Erwägungen, dass die Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 234 nicht nur dem ausgewiesenen Missbrauch an sich begegnen, sondern bereits das Risiko eines solchen, welches der Auszahlung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen inhärent ist (Urteil F. vom 14. April 2003 [C 92/02]), verhindern will. 
Damit eine arbeitgeberähnliche Person Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat, muss ihr Ausscheiden aus der Firma endgültig sein. Dieses Ausscheiden muss anhand eindeutiger Kriterien gemessen werden können, welche keinen Zweifel am definitiven Austritt aus der Firma übrig lassen (erwähntes Urteil F.). Die Rechtsprechung hat wiederholt darauf abgestellt, ob der Eintrag der betreffenden Person im Handelsregister gelöscht worden ist (ARV 2002 Nr. 28 S. 185; jüngst bestätigt im Urteil K. vom 8. Juni 2004 [C 110/03] mit zahlreichen Hinweisen). Denn erst mit der Löschung des Eintrags ist das Ausscheiden der arbeitgeberähnlichen Person aus der Firma für aussenstehende Dritte erkennbar. 
Unter den gegebenen Umständen kann weder eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Vorschriften über die Kurzarbeitsentschädigung noch die Gefahr eines missbräuchlichen Beanspruchens der Arbeitslosenversicherung (vgl. ARV 2003 Nr. 22 S. 242 Erw. 4, bestätigt im Urteil W. vom 31. März 2004 [C 171/03]) im massgeblichen Zeitraum ausgeschlossen werden. Der Ehemann der Versicherten könnte bis zum 27. Januar 2004 keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehen. Der Beschwerdegegnerin als mitarbeitender Ehefrau bleibt gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung verwehrt. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. April 2004 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Amt für Arbeit, St. Gallen, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 20. April 2005 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: