Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_118/2022
Urteil vom 20. Mai 2022
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Kiss, May Canellas,
Gerichtsschreiber Stähle.
Verfahrensbeteiligte
A.________ Inc.,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Zobl,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________ GmbH & Co. KG,
vertreten durch Rechtsanwalt Joël Bürgisser,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Zustellung gerichtlicher Schriftstücke,
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 7. Februar 2022 (HG200219-O).
Erwägungen:
1.
1.1. Am 25. November 2020 reichte die B.________ GmbH & Co. KG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) mit Sitz in Deutschland beim Handelsgericht des Kantons Zürich eine Klage gegen die A.________ Inc. (Beklagte, Beschwerdeführerin) mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika ein. Sie verlangte die Bezahlung von USD 258'257.-- nebst Zins.
1.2. Das Handelsgericht setzte der Beklagten mit Verfügung vom 23. Dezember 2020 Frist an, um die Klageantwort zu erstatten. Die Verfügung wurde der Beklagten - nach einem zunächst gescheiterten Zustellversuch - am 12. Juli 2021 in den Vereinigten Staaten von Amerika zugestellt.
1.3. Mit Eingabe vom 14. Oktober 2021 machte die Beklagte unter anderem geltend, die "verfahrenseinleitenden Schriftstücke" seien ihr nicht korrekt zugestellt worden. Sie beantragte in diesem Zusammenhang im Wesentlichen, "das verfahrenseinleitende Schriftstück sei ordnungsgemäss zuzustellen" und es sei ihr eine (neue) Frist für die Einreichung der Klageantwort "ab ordnungsgemässer Zustellung" anzusetzen. Ausserdem stellte sie (Sub-) Eventualanträge.
Mit Beschluss vom 4. November 2021 wies das Handelsgericht die Anträge der Beklagten ab. Es führte im Einzelnen aus, dass und aus welchen Gründen die Zustellung der Verfügung vom 23. Dezember 2020 (samt Klageschrift und weiteren Beilagen) in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ65; SR 0.274.131) erfolgt sei. Ausserdem setzte das Handelsgericht der Beklagten eine einmalige Nachfrist bis zum 29. November 2021, um die Klageantwort einzureichen. Es drohte an, bei Säumnis entweder einen Endentscheid zu treffen (bei Spruchreife) oder zur Hauptverhandlung vorzuladen.
Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 4A_582/2021 vom 23. Dezember 2021 nicht ein.
1.4. Die Beklagte reichte auch in der Folge keine Klageantwort ein.
1.5. Mit Urteil vom 7. Februar 2022 hiess das Handelsgericht die Klage gut (mit Ausnahme des Zinsenlaufs). Es verurteilte die Beklagte, der Klägerin USD 258'257.-- nebst Zins zu bezahlen.
1.6. Die Beklagte verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Handelsgerichts sei aufzuheben. Dieses sei anzuweisen, "die ersten verfahrensleitenden Schriftstücke [...] ordnungsgemäss zuzustellen", eventualiter "Frist zur Erstattung der Klageantwort anzusetzen" und subeventualiter "die Parteien zur Hauptverhandlung vorzuladen".
Mit Präsidialverfügung vom 16. März 2022 wurde das von der Beschwerdeführerin gestellte Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
2.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, in Bezug auf die "verfahrenseinleitenden Schriftstücke" sei keine "ordnungsgemässe rechtshilfeweise Zustellung in den Vereinigten Staaten" erfolgt.
Diese Rüge erhob sie bereits in ihrer beim Bundesgericht eingereichten Beschwerde gegen den Beschluss vom 4. November 2021, in dem das Handelsgericht einerseits entschieden hatte, dass die Zustellung korrekt erfolgt sei, und andererseits eine einmalige Nachfrist im Sinne von Art. 223 ZPO zur Erstattung der Klageantwort angesetzt hatte. Bei diesem Beschluss handelt es sich um einen Vor- und Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG, weshalb das Bundesgericht auf die Beschwerde nicht eintrat (vorstehende Erwägung 1.3). Die Beschwerdeführerin ficht diesen Beschluss nun zulässigerweise mit Beschwerde gegen den Endentscheid an (Art. 93 Abs. 3 BGG).
3.
Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, ansonsten darauf nicht eingetreten werden kann (BGE 140 III 115 E. 2; 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist dabei, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 115 E. 2, 86 E. 2).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG)."Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2; 135 III 397 E. 1.5).
4.
4.1. Das Handelsgericht erwog im Beschluss vom 4. November 2021, die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in Zivilsachen in die Vereinigten Staaten von Amerika richte sich nach dem HZÜ65. Nach Art. 8 HZÜ65 stehe es jedem Vertragsstaat frei, Personen, die sich im Ausland befänden, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter ohne Anwendung von Zwang zustellen zu lassen. Gemäss Art. 10 lit. a HZÜ65 dürften gerichtliche Schriftstücke im Ausland befindlichen Personen unmittelbar durch die Post übersandt werden. Gegen diese Zustellungsformen habe die Schweiz zwar Vorbehalte angebracht. Indessen hätten die Vereinigten Staaten von Amerika darauf verzichtet, sich auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit zu berufen. Entsprechend richte die kantonale Zentralbehörde ihr Ersuchen direkt an die zuständige Schweizer Vertretung in den Vereinigten Staaten von Amerika, welche die Schriftstücke ihrerseits direkt an den Empfänger zustellen könne.
4.2. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass im vorliegenden Verfahren nicht in diesem Sinne vorgegangen worden wäre. Sie behauptet einzig pauschal unter Hinweis auf ein amerikanisches Dokument "Office of International Judicial Assistance, Civil Division (HCCH), United States of America - Central Authority & practical information", dass eine "ordnungsgemässe rechtshilfeweise Zustellung in den Vereinigten Staaten [...] zwingend durch die ABC Legal Services in Seattle zu erfolgen" habe, was hier nicht geschehen sei.
Damit zeigt die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar auf, inwiefern die Erwägungen des Handelsgerichts - das sich in seinen Überlegungen auf die entsprechenden Wegleitungen und Rechtshilfeführer des Bundesamts für Justiz zum HZÜ65 stützte - unzutreffend sein sollten. Ihre Kritik genügt den Begründungsanforderungen nicht.
5.
Die Beschwerdeführerin beklagt sodann eine "gesetzeswidrige Zustellung" im Sinne von Art. 5 lit. j des Wiener Übereinkommens vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (SR 0.191.02), ohne diese Rüge auch nur ansatzweise zu substanziieren. Darauf ist nicht einzutreten.
6.
Überdies moniert die Beschwerdeführerin eine Missachtung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 53 Abs. 1 ZPO). Sie begründet diesen Vorwurf aber allein mit Hinweis auf die angeblich im Widerspruch zum HZÜ65 erfolgte Zustellung. Die von ihr formulierte Gehörsrüge hat keinen eigenständigen Gehalt.
7.
Die Beschwerdeführerin erblickt im handelsgerichtlichen Vorgehen ferner eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 52 ZPO). Die Vorinstanz habe sich treuwidrig verhalten, indem sie - nachdem auch innert Nachfrist keine Klageantwort eingegangen sei - "sogleich" einen Säumnisentscheid gefällt habe, ohne von den "gesetzgeberischen Möglichkeiten zur Vorladung zu einer Instruktionsverhandlung im Sinne von Art. 226 ZPO oder zur erneuten Nachfristansetzung" Gebrauch zu machen.
Diese Kritik ist offensichtlich unbegründet: Art. 223 Abs. 2 ZPO.
8.
Schliesslich führt die Beschwerdeführerin unter dem Titel "Offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes" aus, wie die Ausführungen in der Klage aus ihrer Sicht richtigerweise zu verstehen seien, und sie behauptet, dass "die klägerischen Vorbringen zum Bestehen des angeblichen Anspruchs [...] nur rudimentär" erfolgt seien. Daraus folgert sie, dass sich der dem angefochtenen Urteil "zugrundeliegende Sachverhalt [...] als eindeutig unvollständig" und folglich als "nicht spruchreif" erweise. Auf diese appellatorische Kritik, die im Übrigen ohne jeden Aktenhinweis auskommt, kann nicht eingetreten werden, geschweige denn belegt die Beschwerdeführerin Willkür.
9.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Mai 2022
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Hohl
Der Gerichtsschreiber: Stähle