Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_219/2023
Urteil vom 20. Juni 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hofmann,
Gerichtsschreiber Hahn.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Bahnhofstrasse 29, 8200 Schaffhausen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Nichtanhandnahme; Nichteintreten,
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 16. Mai 2023 (51/2023/11/B).
Sachverhalt:
A.
A.a. Am 29. Dezember 2021 fand bei A.________ eine Hausdurchsuchung statt. A.________ wurde anlässlich dieser Hausdurchsuchung vorübergehend verhaftet und es wurde ihm eine DNA-Probe abgenommen.
A.b. A.________ erstattete Anzeige gegen einen an der DNA-Entnahme beteiligten Polizisten "wegen Unterdrückung von Urkunden und/oder sämtlichen weiteren in Frage kommenden Straftatbeständen". Er machte namentlich geltend, in den von der Polizei an die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen übermittelten Akten habe die Anordnung der erkennungsdienstlichen Erfassung gefehlt. Obwohl er selbst im Anschluss an eine Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft mehrmals nach diesem Dokument gefragt habe, habe es der zuständige Polizist versäumt, die Vollständigkeit der Akten zu überprüfen und die Anordnung der erkennungsdienstlichen Erfassung an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten.
B.
Am 25. Januar 2023 nahm die Staatsanwaltschaft das betreffende Verfahren nicht an die Hand. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen trat auf die dagegen erhobene Beschwerde von A.________ mit Beschluss vom 16. Mai 2023 nicht ein und auferlegte ihm die Kosten.
C.
Mit Eingabe vom 26. Juni 2023 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der angefochtene Beschluss sowie die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft seien aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, die Strafuntersuchung fortzuführen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Vernehmlassungen hat das Bundesgericht keine eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn sie am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Art. 81 Abs. 1 lit. a StPO) und der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG) oder wenn das Strafantragsrecht als solches in Frage steht (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG).
1.2. Ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zulässig sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; je mit Hinweisen). Eine in der Sache nicht legitimierte beschwerdeführende Partei kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren noch kann sie geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend (BGE 126 I 81 E. 7b; 118 Ia 232 E. 1a; je mit Hinweisen).
1.3. Der Beschwerdeführer führt Beschwerde gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Nichteintretensbeschluss betreffend eine Strafsache und macht sinngemäss eine Rechtsverweigerung geltend. Die Beschwerde wurde fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Nichteintretensbeschluss in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG ) eingereicht. Indessen ist fraglich, ob der Beschwerdeführer die Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG erfüllt. Dies kann offen bleiben, da seiner Beschwerde ohnehin kein Erfolg beschieden ist (vgl. nachfolgend E. 2).
1.4. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer neben der vorinstanzlichen Verfügung auch die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft vom 25. Januar 2023 anficht. Diese ist durch die angefochtene Verfügung ersetzt worden (Devolutiveffekt des Rechtsmittels) und gilt als inhaltlich mitangefochten (BGE 139 II 404 E. 2.5; Urteil 1B_230/2019 vom 8. Oktober 2019 E. 1.6). Ebenso wenig ist auf die Beschwerde einzutreten, soweit der Beschwerdeführer auf Verfahrenshandlungen anderer Behörden ausserhalb des angefochtenen Nichteintretensbeschlusses des Obergerichts Bezug nimmt (siehe BGE 142 I 155 E. 4.4.2).
1.5. Nicht einzutreten ist sodann auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, in welchen er den Sachverhalt frei schildert oder behauptet, der vorinstanzliche Sachverhalt sei falsch (Beschwerde S. 5 Ziff. 20), ohne dabei Willkür hinreichend zu begründen (Art. 42 Abs. 2, 97 Abs. 1, 106 Abs. 2 BGG; BGE 148 IV 39 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1; je mit Hinweisen). Diesbezüglich genügt die Beschwerdeschrift den strengen Begründungsanforderungen nicht.
1.6. Ebenso wenig ist auf die Beschwerde einzutreten, soweit der Beschwerdeführer auf andere Rechtsschriften verweist. Die Begründung hat in der Beschwerde selbst enthalten zu sein (BGE 143 IV 122 E. 3.3 mit Hinweisen).
1.7. Schliesslich ist nicht auf die Beschwerde einzutreten, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe die fehlende Unterzeichnung der Nichtanhandnahmeverfügung bzw. die fehlende Zusendung eines Originals vor Vorinstanz rechtzeitig gerügt. Diesbezüglich setzt er sich in Verletzung der ihm obliegenden Begründungspflicht (siehe dazu statt vieler: BGE 146 IV 297 E. 1.2 mit Hinweisen) nicht mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinander, wonach er diese Rüge erstmals mit der Replik und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist vorgebracht hat. Dass er sich erst aufgrund eines anderen Verfahrens veranlasst sah, die Unterschrift zu überprüfen und entsprechende Belege von der Staatsanwaltschaft einzufordern, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei durch die von ihm angezeigte Unterdrückung der Urkunden geschädigt.
2.2. Die Vorinstanz geht von folgendem, für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt aus (Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. E. 1.5 hiervor). Dem Beschwerdeführer sei am 29. Dezember 2021 ein Doppel der Anordnung der erkennungsdienstlichen Erfassung ausgehändigt worden, wobei sich der handschriftliche Vermerk "Unterschrift verweigert, Blatt entgegen genommen" nur auf dem bei der Polizei verbliebenen Exemplar befunden habe. Das letztgenannte Dokument habe sich zunächst nicht bei den der Staatsanwaltschaft übermittelten Akten befunden. Das fragliche Formular sei auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft am 19. Januar 2023 von der Polizei zuhanden der Akten übermittelt worden.
Die Vorinstanz verneint die Legitimation des Beschwerdeführers zur Beschwerde nach Art. 393 StPO mangels Geschädigteneigenschaft nach Art. 115 Abs. 1 StPO. Der Tatbestand der Unterdrückung von Urkunden nach Art. 254 StGB schütze vor allem öffentliche Interessen. Das Bundesgericht setze für eine Geschädigtenstellung durch eine Unterdrückung von Urkunden voraus, dass der Prozess, in dem die fragliche Urkunde hätte eingereicht werden sollen, zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund der angeblich unterdrückten Urkunde verloren worden wäre (Urteil 6B_1115/2021 vom 21. März 2022 E. 3.4). Der Beschwerdeführer äussere sich indessen nicht zu seiner Beschwerdelegitimation. Zudem sei nicht ersichtlich, inwiefern er durch das von ihm angezeigte Delikt in der Beweisführung betreffend die von ihm behauptete unrechtmässige DNA-Abnahme behindert worden wäre. Selbst wenn die Urkunde zum Beweis geeignet und tauglich wäre, was die Vorinstanz verneint, so sei der Beschwerdeführer nicht dauerhaft am Gebrauch der Urkunde gehindert worden. Die Rüge der ungenügenden Unterschrift auf der Nichtanhandnahmeverfügung erachtet die Vorinstanz als verspätet, da diese erstmals mit der Replik im Beschwerdeverfahren vorgebracht worden ist.
2.3.
2.3.1. Gemäss Art. 254 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen.
2.3.2. Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts, wie die Unterdrückung einer Urkunde, bezwecken in erster Linie den Schutz der Allgemeinheit. Art. 254 StGB dient der Sicherung von Urkunden als Beweismittel zugunsten daran Berechtigter und schützt vor unbefugter Entziehung bzw. Beeinträchtigung der Beweisführungsmöglichkeit des Berechtigten mit dem spezifischen Beweiswert der Urkunde. Der Tatbestand dient dem Bestandesschutz von Urkunden. Neben der Allgemeinheit schützt er auch die Interessen des daran Berechtigten (Urteil 6B_1228/2018 vom 4. März 2019 E. 1.2.1). Da Art. 254 StGB nicht in erster Linie Individualrechtsgüter schützt, sind die Beschwerdeführer nur dann Geschädigte i.S.v. Art. 115 Abs. 1 StPO, wenn die Beeinträchtigung ihrer Rechte unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung der Beschwerdegegner war. Dies trifft nur dann zu, wenn die Beschwerdeführer den Prozess, in dem sie die fragliche Urkunde hätten einreichen wollen, zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund der angeblich unterdrückten Urkunde verloren hätten (Urteil 6B_1115/2021 vom 21. März 2022 E. 3.1 und E. 3.4 mit Hinweisen).
2.4. Die vorinstanzlichen Ausführungen geben keinen Anlass zur Kritik. Wie die Vorinstanz richtig ausführt, war der Beschwerdeführer ab dem 29. Dezember 2022, d.h. ab der Abnahme seiner DNA, im Besitz des Formulares "Anordnung der erkennungsdienstlichen Erfassung". Dass das Aktenexemplar der Polizei, welches zusätzlich den Vermerk enthielt "Unterschrift verweigert, Blatt entgegen genommen", erst am 19. Januar 2023 der Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, hatte keinen Einfluss auf die Beweisführung des Beschwerdeführers betreffend Zulässigkeit der DNA-Abnahme. Denn der Vermerk liefert diesbezüglich keine Hinweise. Zutreffend geht die Vorinstanz sodann davon aus, dass der Beschwerdeführer durch die verspätete Übermittlung des polizeilichen Dokuments an die Staatsanwaltschaft nicht dauernd am Gebrauch der Urkunde zur Beweisführung gehindert bzw. die Beweisführung erheblich erschwert worden wäre (MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl. 2019, N. 6 zu Art. 254 StGB). Dies ist in der Tat nicht ersichtlich, nachdem der Beschwerdeführer bereits seit Abnahme der DNA über ein Doppel des Formulars, wenn auch ohne handschriftlichen Vermerk, verfügte. Die Vorinstanz durfte dem Beschwerdeführer demnach die Geschädigteneigenschaft nach Art. 115 Abs. 1 StPO absprechen und dessen Legitimation zur Beschwerdeführung gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO verneinen, ohne Bundesrecht zu verletzen.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Begehren von vornherein aussichtslos waren (Art. 64 Ab. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner angespannten finanziellen Situation ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Juni 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Der Gerichtsschreiber: Hahn