Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_35/2012
Urteil vom 20. August 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Errass.
Verfahrensbeteiligte
X.A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Johanna Rausch,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Migration Basel-Landschaft,
Parkstrasse 3, 4402 Frenkendorf,
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, Regierungsgebäude, Rathausstrasse 2, 4410 Liestal.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 19. Oktober 2011.
Sachverhalt:
A.
X.A.________ (geb. 1971; vor seiner Heirat vom 9. März 2012 mit X.B.________ [geb. 1954] und der Annahme des Namens X.________ als Familienname hiess er Y.A.________; kosovarischer Staatsangehöriger) reiste am 1. Januar 2000 zwecks Heirat mit der in der Schweiz niedergelassenen Landsfrau Z.________ in die Schweiz ein, erhielt in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung und am 14. Dezember 2005 die Niederlassungsbewilligung. Im November 2001 und im. Februar 2003 kamen die gemeinsamen Kinder zur Welt. Im März 2006 trennte sich das Ehepaar und im Januar 2010 wurde die Ehe geschieden; das Sorgerecht für die beiden Kinder erhielt die Ehefrau.
Bei einer Hausdurchsuchung im Mai 2009 stellte die Polizei Drogen und Utensilien zur Drogenherstellung im Keller von X.A.________ sicher. Seit diesem Zeitpunkt befindet er sich in Haft bzw. ab 16. September 2010 im Strafvollzug. Das Strafgericht Basel-Landschaft verurteilte ihn wegen qualifizierter und einfacher Widerhandlung gegen das BetmG (SR 812.121) zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe.
B.
Mit Verfügung vom 25. Oktober 2010 widerrief das kantonale Amt für Migration die Niederlassungsbewilligung und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz spätestens ab der Entlassung aus dem Strafvollzug an. Die Rechtsmittel an den Regierungsrat und an das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, blieben erfolglos.
C.
Vor Bundesgericht beantragt X.A.________, den Entscheid des Regierungsrates vom 1. März 2011 sowie das Urteil des Kantonsgerichts vom 19. Oktober 2011 aufzuheben und ihm die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
D.
Am 13. März 2012 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er am 9. März 2012 die Schweizerin X.B.________ geheiratet habe und sich daraus deshalb noch weitere Begründungen der Beschwerde ergäben.
Erwägungen:
1.
1.1 Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über den Widerruf der Niederlassungsbewilligung nach Massgabe von Art. 63 Ausländergesetz [AuG; SR 142.20] ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (vgl. BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 BGG). Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.
Nicht einzutreten ist aber insoweit, als sich die Beschwerde auch gegen den Entscheid des Regierungsrates richtet, bildet doch nach dem Devolutiveffekt das angefochtene Urteil alleiniger Anfechtungsgegenstand (vgl. Art. 86 BGG; Urteil 2C_785/2011 vom 1. März 2012 E. 1.1).
1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich eine Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten, insbesondere des Willkürverbots, gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 136 I 229 E. 4.1 S. 235 mit Hinweisen).
1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Tatsachen oder Beweismittel, welche sich auf das vorinstanzliche Prozessthema beziehen, sich jedoch erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden sind (sog. echte Noven), können im bundesgerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 344). Insofern ist die Wiederverheiratung des Beschwerdeführers für das vorliegende Verfahren unbeachtlich; es stellt zudem auch einen neuen möglichen Anspruchsgrund dar, der erstinstanzlich nicht durch das Bundesgericht zu beurteilen ist. Die Begründung vom 13. März 2012 und die Ausführungen in der Beschwerde zum baldigen Personenstandswechsel sind deshalb für dieses Verfahren unbeachtlich.
2.
2.1 Nach Art. 63 Abs. 1 lit a. i.V.m. Art. 62 lit. b AuG kann die Behörde die Niederlassungsbewilligung widerrufen, wenn der Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Eine solche ist dann gegeben, wenn der Ausländer zu einer Strafe von mehr als einem Jahr (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 381; 137 II 297 E. 2 S. 299 ff.) verurteilt wurde. Dabei spielt keine Rolle, ob sie bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde (Urteil 2C_515/2009 vom 27. Januar 2010 E. 2.1). Der Widerruf muss sich jedoch als verhältnismässig erweisen (vgl. dazu BGE 135 II 377 E. 4.3 u. 4.5 S. 381 ff. m.w.H. auch auf Art. 8 Abs. 2 EMRK). Bei der entsprechenden Beurteilung sind namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 ff.); analoge Kriterien ergeben sich auch aus Art. 8 Ziff. 2 EMRK und Art. 13 BV in Verbindung mit Art. 36 BV (vgl. auch das Urteil des EGMR i.S. Trabelsi gegen Deutschland vom 13. Oktober 2011 [41548/06], Ziff. 53 ff.).
2.2 Der Beschwerdeführer ist zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Insofern liegt eine langfristige Freiheitsstrafe im Sinne von Art. 62 lit. b AuG vor. Die Ausführungen darüber, ob der Strafrichter das Verschulden des Beschwerdeführers falsch beurteilt hat oder das Strafrechtsurteil nach einem Weiterzug, der unterlassen wurde, geändert worden wäre, sind unbeachtlich. Die Verwaltungsbehörde und der Verwaltungsrichter sind grundsätzlich an die rechtskräftigen Strafrechtsurteile gebunden (vgl. BGE 124 II 103 E. 1c S. 106 f.; 119 Ib 158 E. 2c und 3c S. 160 ff. bzw. 163 f.). Gründe für die in diesen Entscheiden genannten Ausnahmen macht der Beschwerdeführer nicht geltend.
2.3 Strittig kann somit nur sein, ob der Widerruf verhältnismässig ist (Art. 63 Abs. 1 Ingress ["kann"] i.V.m. Art. 96 Abs. 1 AuG). Die Vorinstanz hat die zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen und diejenigen des Beschwerdeführers sorgsam aufgelistet, gewichtet und gegeneinander abgewogen.
2.3.1 In Bezug auf die öffentlichen Interessen ging die Vorinstanz zu Recht von einem gewichtigen öffentlichen Interesse aus: Der Beschwerdeführer hat eine schwerwiegende Straftat mit erheblicher krimineller Energie begangen, welche teilweise aus rein finanziellen Motiven erfolgt ist. Es ist deshalb auch für die Zukunft nicht auszuschliessen, dass er aufgrund seiner finanziellen Probleme erneut straffällig wird. Sein Tatverschulden ist erheblich, was sich auch in der sehr hohen Freiheitsstrafe von fünf Jahren ausdrückt (vgl. dazu auch BGE 135 II 377 E. 4.4 S. 382 f.). Dass er sich seit der Verurteilung nichts Weiteres hat zuschulden kommen lassen, ändert hieran nichts: Strafrecht und Ausländerrecht verfolgen unterschiedliche Ziele; dieses verlangt gegenüber jenem einen strengeren Beurteilungsmassstab (vgl. BGE 137 II 233 E. 5.2.2 S. 237). Abgesehen davon hält er sich zur Zeit in der Strafvollzugsanstalt auf und konnte sich somit noch nicht in der Freiheit bewähren.
2.3.2 In Bezug auf die privaten Interessen ist hervorzuheben: Der Beschwerdeführer kam erst im Alter von rund 30 Jahren in die Schweiz. Abgesehen von einem sechsjährigen Aufenthalt in Deutschland verbrachte er somit 23 Jahre im Kosovo; dort wuchs er auf und besuchte die Schulen, mithin verbrachte er dort seine prägenden Jahre. Gewisse Integrationsbemühungen sind erkennbar: Der Beschwerdeführer arbeitete in der Schweiz wie bereits zuvor in Deutschland als Kellner; der Strafvollzugsverlauf, insbesondere sein selbständiges und pflichtbewusstes Arbeiten, ist sehr gut. Ihm wird deshalb nach Ablauf des Strafvollzugs eine gute Reintegration in die Arbeitswelt prognostiziert. Sprachlich ist er ebenfalls integriert. Allerdings pflegt er vor allem Kontakt zu seinen Landsleuten. Angesichts seiner immer noch sehr starken Verwurzelung mit den kosovarischen Gepflogenheiten und dem Beziehungs- und Verwandtennetz im Kosovo könnte er sich dort ohne Probleme wieder einleben.
Von der Mutter seiner beiden Kinder ist er geschieden. Ihr kommt auch das Sorgerecht für die beiden Kinder zu. Sie ist damit vor allem die wichtige Bezugsperson für diese, ihm kommt demgegenüber nur ein Besuchsrecht zu, das er allerdings - soweit es ihm im gegenwärtigen Zeitpunkt möglich ist - regelmässig und auch korrekt wahrnimmt. Indessen haben ihn seine beiden Kinder nicht davon abhalten können, eine schwerwiegende Straftat mit erheblicher krimineller Energie zu begehen. Eine Beziehung zu seinen Kindern wäre zudem auch möglich, wenn er im Kosovo leben würde; neben Telefonaten kämen auch Besuche der Kinder in Betracht, welche dort bereits auch Ferien verbracht haben. Der Beschwerdeführer lebte sodann - entsprechend dem von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt - in einer Konkubinatsbeziehung.
2.3.3 Zwar sind die privaten Interessen von einigem Gewicht, können aber das gewichtige öffentliche Interesse nicht überwiegen. Insofern ist der Widerruf der Niederlassungsbewilligung zu Recht erfolgt.
2.4 Der Beschwerdeführer macht zudem noch eine Verletzung von Art. 8 EMRK geltend. Diesbezüglich könnte er sich auf das Besuchsrecht zu seinen Kindern stützen, was aber zu keiner anderen Interessenabwägung führt (vgl. BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 sowie spezifisch zum Besuchsrecht BGE 120 Ib 1 E. 3c S.5, 22 E.4 S. 24 ff.).
2.5 Der Beschwerdeführer vertritt schliesslich die Auffassung, dass "eine ermessensgeprägte Aufenthaltsbewilligung zugunsten des Beschwerdeführers in Betracht" falle. Abgesehen davon, dass das Bundesgericht auf Begehren zu Aufenthaltsbewilligungen im Ermessensbereich gemäss Art. 30 AuG nicht eintritt (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 5 BGG), stellt eine solche Bewilligung auch keine verhältnismässigere mildere Massnahme gegenüber dem Widerruf der Niederlassungsbewilligung, sondern etwas anderes dar.
3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen, da dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Bundesgericht infolge Aussichtslosigkeit nicht zu entsprechen ist (Art. 64 BGG). Angesichts besonderer Umstände wird eine reduzierte Gerichtsgebühr erhoben (Art. 68 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. August 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Errass