Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_443/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 20. August 2015  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Gerichtsschreiber Winiger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Politische Gemeinde U.________, 
Beschwerdeführerin, handelnd durch den Gemeinderat, und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roman Bögli, 
 
gegen  
 
A.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Bürgi. 
 
Gegenstand 
Forderung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 18. März 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ beabsichtigte, eine Photovoltaik-Anlage an seinem Wohnsitz in U.________/TG zu realisieren. Diese Produktionsanlage benötigte eine neue Erschliessung bzw. Verstärkung des Stromnetzes. Am 30. April/2. Mai 2012 schlossen die Politische Gemeinde U.________ und A.________ einen Netzanschlussvertrag. Der Gemeinde U.________ entstanden in der Folge Aufwendungen von Fr. 30'080.70 (recte: 30'008.70), die sie unter Berufung auf den abgeschlossenen Vertrag A.________ in Rechnung stellte. Auf die von der Gemeinde U.________ erhobene Betreibung hin erhob A.________ Rechtsvorschlag. 
 
B.   
Am 28. August 2014 erhob die Politische Gemeinde U.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau Klage mit dem Rechtsbegehren, A.________ sei zu verpflichten, ihr Fr. 30'008.70 nebst Zins zu 5 % seit 25. Oktober 2012 zu bezahlen und der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes V.________ vom 11. November 2013 sei zu beseitigen. 
 
 Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 18. März 2015 ab. 
 
C.   
Mit Eingabe vom 18. Mai 2015 erhebt die Politische Gemeinde U.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei A.________ zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 30'008.70 nebst Zins zu 5 % seit 25. Oktober 2012 zu bezahlen; eventualiter sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 A.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung. 
 
 
 Erwägungen:  
 
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG), zumal die Parteien übereinstimmend und zu Recht davon ausgehen, dass der Vertrag, auf den die Beschwerdeführerin ihre Forderung stützt, öffentlich-rechtlicher Natur ist. 
 
2. Zu prüfen ist die Legitimation der Beschwerdeführerin:  
 
 
2.1. Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften sind in erster Linie zur Beschwerde berechtigt, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt (Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG). Um eine Beschwerdeberechtigung auf Grundlage dieser spezifischen Bestimmung annehmen zu können, muss das Gemeinwesen allerdings die Existenz solcher ihm zuerkannten verfassungsmässigen Garantien rechtsgenüglich dartun (BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92 f. mit Hinweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da sich die Beschwerdeführerin nicht auf Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG beruft.  
 
2.2. Zu prüfen bleibt, ob für die Beschwerdeführerin das aus Art. 89 Abs. 1 BGG fliessende allgemeine Beschwerderecht in Frage kommt.  
 
2.2.1. Die Beschwerdelegitimation nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird, namentlich wenn einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt. Die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen setzt eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus. Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung begründet keine Beschwerdebefugnis im Sinne dieser Regelung. Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von Art. 89 Abs. 1 BGG sind Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zuzulassen (BGE 141 II 161 E. 2.1 S. 164 mit Hinweisen).  
 
2.2.2. Geht es um Entscheide mit finanziellen Auswirkungen, hat die Rechtsprechung in verschiedenen Konstellationen die Legitimation von Kanton oder Gemeinde bejaht. Doch ist die Legitimation nicht schon dann zu bejahen, wenn ein Entscheid Auswirkungen auf das Vermögen des Gemeinwesens hat. Zur Begründung des allgemeinen Beschwerderechts genügt nicht jedes beliebige, mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe direkt oder indirekt verbundene finanzielle Interesse des Gemeinwesens. Bejaht wird die Legitimation im allgemeinen in Konstellationen, in denen es um finanzielle Leistungen aus Rechtsverhältnissen geht, die zwar öffentlich-rechtlich geregelt sind, aber Analogien haben zu entsprechenden privatrechtlichen Instituten wie etwa das öffentliche Dienstrecht, das Staatshaftungsrecht oder das Enteignungsrecht. Im Übrigen ist das Gemeinwesen in seinen fiskalischen Interessen aber grundsätzlich nicht wie ein Privater betroffen, sondern in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger (BGE 141 II 161 E. 2.3 S. 165 f. mit Hinweisen). In einem Verfahren nach Art. 23 BGG hat das Bundesgericht erkannt, dass auch dann, wenn es um finanzielle Leistungen geht, die Legitimation der Gemeinde grundsätzlich voraussetzt, dass sie in qualifizierter Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen ist (BGE 140 I 90 E. 1.2 S. 93 ff.). Eine qualifizierte Betroffenheit wird in der Regel bejaht in Bezug auf Leistungen der Sozialhilfe (BGE 140 V 328 E. 6 S. 333 ff.) sowie den interkommunalen Finanzausgleich und ähnliche Regelungen (BGE 140 I 90 E. 1.2.2 S. 93 f.) und im Übrigen dann, wenn die streitigen finanziellen Leistungen eine beträchtliche Höhe erreichen und die Beantwortung der Streitfrage eine über den Einzelfall hinaus gehende präjudizielle Wirkung für die öffentliche Aufgabenerfüllung mit insgesamt wesentlicher finanzieller Belastung hat, nicht aber dann, wenn es bloss um eine einzelfallbezogene Beurteilung ohne Grundsatzfragen geht (BGE 141 II 161 E. 2.3 S. 166 mit Hinweisen). Bisweilen wurde die Legitimation von Gemeinden bejaht in ihrer Eigenschaft als Gläubigerin von Kausalabgaben (BGE 119 Ib 389 E. 2e S. 391), namentlich von Erschliessungsabgaben (Urteile 2C_444/2008 vom 9. März 2009 E. 1.2; 2C_712/2008 vom 24. Dezember 2008 E. 1.3.3). Doch setzt auch dies voraus, dass die Streitigkeit eine präjudizielle Wirkung oder sonst eine besondere Tragweite aufweist (vgl. Urteile 1C_670/2013 vom 10. Februar 2014 E. 4.2; 1C_78/2012 vom 10. Oktober 2012 E. 1).  
 
2.2.3. Vorliegend handelt die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Verteilnetzbetreiberin im Sinne von Art. 5 Abs. 1 des Stromversorgungsgesetzes vom 23. März 2007 (StromVG; SR 734.7) und nimmt damit eine öffentliche Aufgabe wahr (vgl. Art. 5 Abs. 2 sowie Art. 6 StromVG; BGE 141 II 141 E. 4.4 S. 152 f.; vgl. auch BGE 137 I 120 E. 1 und 5). Das gilt auch, soweit sie verpflichtet ist, dezentral erzeugte Elektrizität abzunehmen (Art. 7 ff. des Energiegesetzes vom 26. Juni 1998 [EnG; SR 730.0]; vgl. BGE 138 I 454), selbst wenn gemäss Art. 2 Abs. 1 der Energieverordnung vom 7. Dezember 1998 (EnV; SR 730.01) die Energieproduzenten und die Netzbetreiber die Anschlussbedingungen (wie Anschlusskosten) vertraglich festlegen. Sie handelt somit nicht gleich oder ähnlich wie ein Privater; ihre Beschwerdebefugnis unterliegt den oben dargestellten Anforderungen.  
 
2.2.4. Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid auf die Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Netzanschlussvertrags. Die Beschwerdeführerin bestreitet diese Auslegung. Diese erfolgt gestützt auf den konkreten Vertrag. Es geht dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung in einer konkreten Situation und es werden keine Grundsatzfragen aufgeworfen. Eine präjudizielle Bedeutung für weitere Fälle wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Schliesslich ist der Streit wert von rund 30'000.-- Franken für die Beschwerdeführerin auch nicht von existenzieller Tragweite (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.6 S. 95).  
 
2.3. Auf die Beschwerde kann aus diesen Gründen mangels Legitimation der Beschwerdeführerin nicht eingetreten werden.  
 
3.   
Die unterliegende Beschwerdeführerin, um deren Vermögensinteresse es geht, trägt die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 4 BGG). Sie hat zudem dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. August 2015 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Winiger