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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_481/2024  
 
 
Urteil vom 20. August 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rolf Thür, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
2. B.________, 
vertreten durch Fürsprecher Urs Kröpfli, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung (fahrlässige Körperverletzung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 7. März 2024 
(AK.2023.512-AK). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Untersuchungsamt Gossau führte eine Strafuntersuchung gegen den Arzt B.________ wegen fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil seines Patienten A.________. Der Untersuchung lag eine Strafanzeige vom 24. Januar 2023 zugrunde. Darin machte A.________ geltend, er habe am 16. Mai 2022 einen Arbeitsunfall erlitten, wobei er sich eine Fraktur und mehrere Bandrupturen am linken Sprunggelenk zugezogen habe. Diese Verletzungen hätten zu anhaltenden Bewegungseinschränkungen, Arbeitsunfähigkeit und schliesslich zum Verlust seiner Arbeitsstelle geführt. Er sei zuerst notfallmässig im Kantonsspital Winterthur behandelt und dann zur Weiterbehandlung an seinen Hausarzt B.________ überwiesen worden. A.________ wirft B.________ vor, den präzisen Umfang der erlittenen Verletzungen nicht mit geeigneten Bildgebungsmassnahmen abgeklärt zu haben. Er habe zwar Röntgenbilder gemacht, aber längere Zeit keine Magnetresonanztomographie (MRI) veranlasst. Zudem habe er ihn nicht korrekt über die Diagnose, die Tragweite der bereits erfolgten Abklärungen und die möglichen Behandlungs- und Abklärungsalternativen aufgeklärt. 
 
B.  
 
B.a. Am 20. Oktober 2023 stellte das Untersuchungsamt Gossau die Strafuntersuchung gegen B.________ ein. Gleichentags wies es verschiedene Beweisanträge von A.________ ab.  
 
B.b. Mit Entscheid vom 7. März 2024 wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die Beschwerde von A.________ gegen die Einstellungsverfügung ab, soweit sie darauf eintrat.  
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, der Entscheid der Anklagekammer bzw. die Einstellungsverfügung des Untersuchungsamts seien aufzuheben und es sei die Fortsetzung des Strafverfahrens bzw. die Vornahme der erforderlichen Untersuchungshandlungen (Gutachten) anzuordnen. Weiter sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Das gleichzeitig gestellte Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Verfügung vom 13. Mai 2024 abgewiesen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen grundsätzlich nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Bei den Zivilansprüchen geht es in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 7B_18/2024 vom 14. März 2024 E. 2; je mit Hinweisen).  
 
1.2. Richtet sich die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme oder wie hier die Einstellung eines Verfahrens, muss die geschädigte Person, soweit sie vor den kantonalen Behörden noch keine Zivilforderung erhoben hat, im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf welche konkreten Zivilforderungen auswirken kann (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 7B_78/2023 vom 15. Januar 2024 E. 1.1; 6B_1055/2020 vom 13. Juni 2022 E. 3.2.1). Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 7B_120/2022 vom 5. Oktober 2023 E. 1.3.1). Es prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 149 IV 9 E. 2; 143 IV 357 E. 1), aber ohne eingehende Auseinandersetzung mit der Sache (Urteil 6B_654/2022 vom 22. Februar 2023 E. 1.1). Dementsprechend ist, namentlich bei komplexen Fällen, in welchen allfällige Zivilansprüche nicht offensichtlich sind, in der Beschwerdeschrift einleitend und in gedrängter Form darzulegen, inwiefern die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind (Urteil 7B_89/2022 vom 31. Juli 2023 E. 2.3). Dabei genügt nicht, dass die Privatklägerschaft lediglich behauptet, von der fraglichen Straftat betroffen zu sein; sie muss vielmehr die Anspruchsvoraussetzungen und namentlich den erlittenen Schaden genau substanziieren und letzteren soweit möglich beziffern (Urteil 7B_79/2022 vom 10. Januar 2024 E. 1.1; zum Ganzen: Urteil 7B_18/2024 vom 14. März 2024 E. 2; je mit Hinweisen). Im Rahmen der Legitimationsregel von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG kommt es sodann ausschliesslich auf die Zivilansprüche gegen die beschuldigte Person an, nicht auf mögliche Zivilansprüche gegen Dritte (Urteil 7B_375/2023 vom 21. Februar 2024 E. 1.3.2 mit Hinweisen).  
 
1.3. Den dargestellten Begründungsanforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Zwar macht der Beschwerdeführer in seiner Eingabe an das Bundesgericht unter dem Titel "Beschwerdelegitimation des Opfers" durchaus Ausführungen zur Frage, inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf seine Zivilansprüche "auswirkt". Dabei schreibt er zunächst, dass sich seine Anzeige gegen "2 beteiligte Stellen" richte, "die eigentlich als Mitverantwortliche für die Versäumnisse einzustehen haben", "nämlich einerseits das erstbehandelnde Spital und andererseits den nachbehandelnden Beschwerdegegner". Die Strafuntersuchung betreffend das Spital werde von der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland geführt. Unter dem Titel "Rückwirkung/Erschwerung der Zivilansprüche gegen das Spital" führt der Beschwerdeführer sodann aus, inwiefern sich der angefochtene Entscheid zulasten des erstbehandelnden Spitals auswirken könnte. Dies ist aber für die Beschwerdelegitimation im vorliegenden Verfahren unerheblich, da der Beschwerdeführer diese einzig aus Zivilforderungen gegen den Beschwerdegegner 2 B.________ (und nicht das für den hier zu beurteilenden Streit als Dritter geltende Spital) ableiten kann.  
Weiter begründet der Beschwerdeführer die Auswirkungen auf seine Zivilansprüche mit dem Umstand, dass er diese nur mit den in der Strafuntersuchung zu erhebenden Beweismitteln (namentlich mit einem medizinischen Gutachten) beweisen könne. Damit behauptet er aber die Anspruchsvoraussetzungen seiner Zivilforderungen gerade nicht schlüssig und konkretisiert diese nicht hinreichend. Er unterlässt es insbesondere, seinen erlittenen Schaden zu substanziieren oder wenigstens zu umreissen, geschweige denn zu beziffern. Auch erhellt die Kausalität zwischen dem angeblich strafbaren Verhalten - der Anordnung von Physiotherapie anstatt einer Operation und damit einhergehend ungenügende Abklärung und Aufklärung - und einem möglichen Schaden nicht ohne Weiteres. Nähere Ausführungen dazu wären deshalb unabdingbar gewesen. Insgesamt gehen die Ausführungen zur Beschwerdelegitimation an der Sache vorbei und vermögen diese nicht darzutun. 
 
2.  
Darüber hinaus könnte der Beschwerdeführer vorbringen, der angefochtene Entscheid missachte verfahrensrechtliche Ansprüche, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der Sache selbst getrennt beurteilen kann (sog. "Star-Praxis"; BGE 149 I 72 E. 3.1; 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; je mit Hinweisen). Derartige Rügen finden sich in seiner Beschwerde jedoch nicht. 
 
3.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind dem Beschwerdeführer die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. August 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger